2017 10 Badische Zeitung Ich mag die klaren Fragen der Kids: Difference between revisions

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Quelle: Badische Zeitung, Oktober 2017, Seite 4<br>
Quelle: "Hessische Wirtschaft" (Industrie- und Handelskammer Hessen), Heft Dezember 2018 / Januar 2019, Seiten 42—43<br>


=<font color=orange>Ich mag die klaren Fragen der Kids</font>=
=<font color=orange>Interview mit dem „Herrn der Maden“</font>=
==<font color=orange>INTERVIEW: Mark Benecke, Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe, ist Gast bei den Science Days</font>==


[Weitere [[All Mark Benecke Publications|Artikel von MB]]] [Artikel [http://wiki2.benecke.com/index.php?title=Media#Interviews_.26_Articles <font color=lightgrey>über MB</font>]]<br>
[Weitere [[All Mark Benecke Publications|Artikel von MB]]] [Artikel [http://wiki2.benecke.com/index.php?title=Media#Interviews_.26_Articles <font color=lightgrey>über MB</font>]]<br>




'''VON JÜRGEN MESSMER'''<br>
'''Das Interview führte Dr. Friedemann Götting, IHK Wiesbaden'''<br>
'''Foto: Annika List/annikalist.de'''<br><br>


[[File:Badische Zeitung Messmer 2017.jpg|thumb|300px|left|<html><a href="http://wiki2.benecke.com/images/f/f4/2017_10_Badische_Zeitung_Ich_mag_die_klaren_Fragen_der_Kids_Juergen_Messmer.pdf" target="_blank">Klick <b>HIER</b> für den vollständigen Text als PDF!</figcaption></a></html>  
[[File:Ihk wiesbaden hessen mark benecke.png|thumb|300px|left|<html><a href="http://wiki2.benecke.com/images/f/fa/Mark_Benecke_Hessische_Wirtschaft_Dezember_Januar_2018_Interview_pdf.pdf" target="_blank">Klick <b>HIER</b> für den vollständigen Text als PDF!</figcaption></a></html>  
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'''Nach längerer Pause wieder Gast bei den Science Days ist Mark Benecke, Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. Sein Spezialgebiet sind Tiere, die auf Leichen leben. Darum nennt man ihn auch "Herr der Maden". Jürgen Meßmer hat Benecke gefragt, wie er zu seinem Beruf gekommen ist, wovor er sich ekelt und was ihm an den Science Days besonders gefällt.'''<br>
'''„Paradiesvogel aus dem Bilderbuch“ und „Herr der Maden“! Gestatten, Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe. Er ist nicht nur – neben vielen anderem – in der Transylvanian Society of Dracula, im Bund deutscher Kriminalbeamter und bei den Donaldisten aktiv, sondern auch öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für „Kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung und Auswertung von biologischen Spuren“. Grund genug, den Redner des IHK-Sachverständigentreffens 2018 in der Hessischen Wirtschaft vorzustellen.'''<br>




<b><font color=orange>Frage: Herr Benecke, Sie untersuchen verwesende Leichen und grauselige Mordschauplätze. Ekeln Sie sich denn vor gar nichts?</font color=orange></b><br>
<b><font color=orange>Mark, wer ist der bessere Sachverständige: Donald Duck oder Daniel Düsentrieb?</font color=orange></b><br>


Mark Benecke: Doch, vor Leberwurst und überhaupt allen Sorten Hackfleisch, Würstchen & Co.<br>
Keiner von beiden. Es sind die Neffen, Tick, Trick und Track. Sie schauen alles im Handbuch nach, prüfen alles. Donald Duck sagt nur, was ihm gerade einfällt. Die Neffen gehen hin und testen alles. <br>
 
Das macht Daniel Düsentrieb natürlich auch. Er ist im guten Sinne verrückt und sprengt Denk-Grenzen. Sachverständige müssen aber, anders als Düsentrieb, auch alle Grundannahmen prüfen. Es ist bei ihnen eine experimentell gesteuerte Kreativität.<br>
   
   
<b><font color=orange>Wie zeigt sich das bei Deiner Arbeit?</font color=orange></b><br>


<b><font color=orange>Maden, die aus Leichen kriechen, gehören nicht dazu?</font color=orange></b><br>
Meine Arbeit ist wissenschaftlich und sachlich. Ich trete aber jedem – lebendigen und toten – Lebewesen mit Zuneigung und Offenheit gegenüber. Sonst funktioniert das nicht. Die Naturgesetze gelten zwar immer, aber ich muss auch ein Experiment durchführen, das zum Fall passt.<br>


Nein. Auch Verwesung ist nichts Widerliches, sie ist notwendig für den Kreislauf des Lebens. Sonst würden sich überall tote Menschen und Tiere stapeln.<br>
Bis dahin gab es keine Gerichtsgutachten nach unserem heutigen Sachverständigen-Verständnis zu Maden an Leichen. Mit Hilfe der Maden konnte ich die Liegezeit der Toten bestimmen. Die Besonderheit war und ist dabei immer noch, alle Untersuchungen für jeden nachvollziehbar darzustellen.<br>


<b><font color=orange>Gab es da auch Widerstände?</font color=orange></b><br>


<b><font color=orange>Was kann denn eine Made über einen Mordfall erzählen?</font color=orange></b><br>
Nein, ich hatte ja in Instituten für Rechtsmedizin gearbeitet und kannte die Gewohnheiten dort ganz gut. Ich passe nur höllisch darauf auf, keine juristischen Bewertungen abzugeben.<br>


Anhand des Alters bestimmen wir die Besiedlungszeit der Leiche. Die Polizei kann das beispielsweise mit Beobachtungen von Zeugen oder Telefondaten abgleichen. In Insekten an Leichen finden sich auch Gifte, die in der Leiche vorkamen, auch wenn die Leiche schon zersetzt ist. Manche Tiere leben auch bevorzugt in Wohnungen. Finden wir die Leiche im Freien, dann wissen wir, dass sie vorher schon in einer Wohnung gelagert worden war.<br>
„Mörder“ oder „Vergewaltiger“ gibt es daher in meinen Stellungnahmen nicht. Lieber schweige ich für den Rest meines Lebens, als einen solchen Begriff gutachterlich zu verwenden. <br>


<b><font color=orange>Dabei bist Du doch eher zufällig zur Rechtsmedizin gekommen, oder?</font color=orange></b><br>


<b><font color=orange>Wie kommt es, dass Sie Kriminalbiologe geworden sind?</font color=orange></b><br>
Ja, für meine Promotion über genetische Fingerabdrücke wollte ich eigentlich Vaterschaftstest bei Flamingos im Zoo machen. Das hat mangels Geld für die Chemikalien dort nicht geklappt, und so habe ich Fadenwürmer untersucht. <br>


Als Kind wollte ich eigentlich Koch werden. Aber auch die Spurensuche hat mich fasziniert: Ich habe immer versucht, Schneeflocken mit Lack einzufangen. Für das Mikroskop. Und ich habe Staub auf Tesafilm geklebt und untersucht. In der Schule war Chemie mein Lieblingsfach. Und dann habe ich Bio studiert und während des Studiums ein Praktikum in der Rechtsmedizin gemacht. So kam das.<br>
Gelernt habe ich die Technik in den Kellerräumen der Rechtsmedizin der Uni Köln. Da habe ich mich mit den Fach-Kolleginnen und -Kollegen, auch Polizistinnen und Polizisten, unterhalten und ihnen auch mal ein paar Insekten gezeigt, die an Leichen leben. <br>


<b><font color=orange>In der 'Zeit' war neulich ein Artikel über Urwälder in Rumänien. Dort stand, dass es nirgends so viel Leben gebe wie in einem toten Baum. Wie viel Leben ist einem toten Menschen? </font color=orange></b><br>


<b><font color=orange>Waren Sie ein guter Schüler?</font color=orange></b><br>
Unvorstellbar viel. Da ist ein Füllhorn voll Leben. Bei einer Leiche im Wald etwa graben manche Käfer ein Loch in die Haut, Gewebe wird für eine Höhle zur Seite getragen. Oder Bakterien übernehmen blitzschnell die ganze Leiche.<br>


Ja, außer in Sport natürlich. Zum Glück mochte mich meine erste Sportlehrerin im Gymnasium. Gerettet hat mich, dass ich sehr schnell reagiere, so dass ich zumindest Badminton und Tischtennis gut spielen konnte.<br>
<b><font color=orange>Und deshalb kann man ganz genau den Todeszeitpunkt bestimmen?</font color=orange></b><br>


Das hängt von der Menge und der Qualität der Informationen ab. Je mehr man hat, desto besser. Am wichtigsten ist die Temperatur: Schmeißmaden wachsen schneller, je wärmer es ist. Wichtig ist deshalb beispielsweise zu wissen, wie der Schatten am Fundort verläuft. Manche Insekten verstecken sich an kühleren Orten, andere wagen sich ins Licht. <br>


<b><font color=orange>Haben Sie als Kind auch experimentiert?</font color=orange></b><br>
Es finden sich aber inzwischen immer weniger Insektenarten, Spinnen und andere Gliedertiere an den Tatorten. Mir liegt deshalb auch so sehr am Herzen, etwas dagegen zu tun, dass ganze Tiergruppen aussterben.<br>


Ja, ich hatte einen Chemie-, einen Detektiv- und einen Physikkasten. Fand ich supergeil. Mein Vater hat mir auch in mein Zimmer einen Klapptisch gebaut, so dass ich dort experimentieren konnte, ohne den Fußboden mit Flecken oder Löchern zu zerstören.<br>
<b><font color=orange>Lebst Du auch deshalb vegan?</font color=orange></b><br>


Ja. Eine vegane Lebensweise ist das schnellste Mittel zur Energieeinsparung. Und sie macht dreiviertel der Landflächen wieder frei für eine natürliche Besiedlung. Bei „meinen“ Tieren, den Insekten, wird es ja oft belächelt, das Aussterben: Maden sind unsexy und ekelig. Dabei sind es hoch angepasste und schöne Lebewesen. Das Insektensterben ist ein weiterer Beweis für den Zusammenbruch ganzer Ökosysteme*.<br>


<b><font color=orange>Gab es damals schon Veranstaltungen wie die Science Days?</font color=orange></b><br>
<b><font color=orange>Die Maden haben Dich berühmt gemacht. Das Spektrum Deiner Tätigkeit macht aber bestimmt mehr aus?</font color=orange></b><br>


Nicht für Kids wie mich. Ich bin in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen, einem der ärmeren Bundesländer. Ich habe meine Schulen geliebt und fahre auch heute noch gerne mit dem Rad vorbei oder gebe dort Gastunterricht. Aber so schicke Bildungssachen wie in Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg gab und gibt es in den anderen Bundesländern nicht so oft. Ein Grund für mich, auch in Schulen zu gehen, von Trainings für Höchstbegabte bis zu Unterricht bei den Kids in der Psychiatrie.<br>
Das ist ganz weit und vielfältig. Ich bearbeite auch, ob ein verstorbener, vermeintlicher Vater wirklich der genetische Vater ist und wir dazu einen Briefumschlag prüfen, dessen Briefmarke früher abgeleckt und aufgeklebt wurde. Oder ob das rote Barthaar im möglichen Van-GoghGemälde wirklich vom Maler stammt.<br>


Wie wichtig ist die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für Deine Arbeit? Sie ist ein exzellentes Qualitätsmerkmal vor Gericht. Ich trete ja fast nur in Strafprozessen auf. Dort heißt es oft „der seit Jahren gut bekannte Sachverständige“, wenn man etwas von ihm verwerten will. Als öffentlich bestellter Sachverständiger kann man sich diese Begründung sparen.<br>


<b><font color=orange>Nach einer längeren Pause sind Sie nun wieder bei den Science Days dabei. Was gefällt Ihnen an diesem Festival besonders?</font color=orange></b><br>
<b><font color=orange>In der Sendung „Inas Nacht“ hast Du auch einmal „Dance me to the end of love“ von Leonard Cohen gesungen**. Welcher Cohen-Song beschreibt Deine Tätigkeit am Besten?</font color=orange></b><br>


Also, die Pause kam nicht durch mich...Ich mag erstens die klaren und unverstellten Fragen der Kids und zweitens das Chaos, in dem wir Vortragenden superkonzentriert säckeweise Flöhe bei Laune halten und bändigen.<br>
"You want it darker"... Du denkst, Du hast alles schon gesehen, aber dann wird es noch mal finsterer.<br><br>




<b><font color=orange>Was dürfen das Publikum und Ihre Fans in diesem Jahr von Ihrem Auftritt bei den Science Days erwarten? </font color=orange></b><br>
* (*) https://home.benecke.com/publications/9th-international-congress-of-dipterology-icd9-windhoek-namibia-25-30-nov-2018picture :: https://home.benecke.com/publications/an-invitation-by-martin-sonneborn-non-attached-meppicture?rq=european :: https://home.benecke.com/publications/2013/8/4/entomologie-heute-what-is-the-edge-of-a-forest?rq=edge%20of%20forest <br>


Das bastele ich aus tausenden von Fotos am Abend vorher zusammen, wenn ich im Europa-Park irgendwo rumsitze und in den dort sehr friedlichen Himmel schaue. Auf jeden Fall gibt es Stempel mit Maden und Schaben, die sich die Kids auf die Arme „tätowieren“ können und einige echte Rätsel von Tatorten mit spannenden Spuren.<br>
* (**) https://fb.com/markbenecke/posts/1741781479175879 :: https://fb.com/markbenecke/posts/1510978038922892 :: https://www.facebook.com/markbenecke/posts/1570045253016170 <br><br>




<b><font color=orange>Noch einmal zurück zu den Kriechtierchen. Haben Sie eine Lieblingsmade?</font color=orange></b><br>
===<font color=orange>Lesetipps</font>===
 
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Ich finde Käsefliegenmaden lustig, weil die springen können und sich vorher wie ein Croissant zusammenkrümmen. Außerdem schreien alle im Labor noch mehr und noch lauter, wenn Maden aus einem Leichensack springen. Und im Naturkundemuseum in Berlin bin ich Pate der Markusmücke. Die ist schön schwarz und ich habe sie zum ersten Mal auf einem verfallenen Friedhof gesehen — gefällt mir.<br><br>
* [[2011 Top Magazin Köln: Dem Verbrechen auf der Spur|Dem Verbrechen auf der Spur]]


* [[12 2012: 5. Forum Wissenschaftskommunikation|5. Forum Wissenschaftskommunikation]]


===<font color=orange>Lesetipps</font>===
* [[2016 05 Berliner Anwaltsblatt: Ein Kriminalbiologe auf Wahrheitssuche|Ein Kriminalbiologe auf Wahrheitssuche]]
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* [[2011-3 Skeptiker: Das Leichen-Öl der Heiligen Walburga|Das Leichen-Öl der Heiligen Walburga]]<br>


* [[1996 Rechtsmedizin: Der Tod von Isadora Duncan|Der Tod von Isadora Duncan]]<br>
* [[2012 11 12 TAZ: Wir sind Spielkinder|Wir sind Spielkinder]]


* [[2000 Rechtsmedizin: Weltinsektenkundlerkongress (Foz du Iguacu, Brasilien, 21.-26.8.2000|Weltinsektenkundlerkongress]]<br>
* [[2014 07 Focus Online Blutspritzer Fliegen Tatortfotos|Blutspritzer, Fliegen, Tatortfotos]]


* [[2012 09 03: Leica Science Lab|Leica Science Lab]] <font size="-2" color="#FF0000" face="helvetica">ENGLISH TEXT</font><br>
* [[2014 02 Neue Westfaelische Zeitung Die DNA ist wie eine Schatzkiste|Die DNA ist wie eine Schatzkiste]]


* [[2003 03 Sueddeutsche Zeitung: So blaue Augen|So blaue Augen]]<br>
* [[Leitfaden zur Fallbearbeitung]]


* [[2015 Wissensdinge: Geschichten aus dem Naturkundemuseum|Geschichten aus dem Naturkundemuseum]]<br>
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Latest revision as of 15:23, 20 February 2019

Quelle: "Hessische Wirtschaft" (Industrie- und Handelskammer Hessen), Heft Dezember 2018 / Januar 2019, Seiten 42—43

Interview mit dem „Herrn der Maden“

[Weitere Artikel von MB] [Artikel über MB]


Das Interview führte Dr. Friedemann Götting, IHK Wiesbaden
Foto: Annika List/annikalist.de

„Paradiesvogel aus dem Bilderbuch“ und „Herr der Maden“! Gestatten, Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe. Er ist nicht nur – neben vielen anderem – in der Transylvanian Society of Dracula, im Bund deutscher Kriminalbeamter und bei den Donaldisten aktiv, sondern auch öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für „Kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung und Auswertung von biologischen Spuren“. Grund genug, den Redner des IHK-Sachverständigentreffens 2018 in der Hessischen Wirtschaft vorzustellen.


Mark, wer ist der bessere Sachverständige: Donald Duck oder Daniel Düsentrieb?

Keiner von beiden. Es sind die Neffen, Tick, Trick und Track. Sie schauen alles im Handbuch nach, prüfen alles. Donald Duck sagt nur, was ihm gerade einfällt. Die Neffen gehen hin und testen alles.

Das macht Daniel Düsentrieb natürlich auch. Er ist im guten Sinne verrückt und sprengt Denk-Grenzen. Sachverständige müssen aber, anders als Düsentrieb, auch alle Grundannahmen prüfen. Es ist bei ihnen eine experimentell gesteuerte Kreativität.

Wie zeigt sich das bei Deiner Arbeit?

Meine Arbeit ist wissenschaftlich und sachlich. Ich trete aber jedem – lebendigen und toten – Lebewesen mit Zuneigung und Offenheit gegenüber. Sonst funktioniert das nicht. Die Naturgesetze gelten zwar immer, aber ich muss auch ein Experiment durchführen, das zum Fall passt.

Bis dahin gab es keine Gerichtsgutachten nach unserem heutigen Sachverständigen-Verständnis zu Maden an Leichen. Mit Hilfe der Maden konnte ich die Liegezeit der Toten bestimmen. Die Besonderheit war und ist dabei immer noch, alle Untersuchungen für jeden nachvollziehbar darzustellen.

Gab es da auch Widerstände?

Nein, ich hatte ja in Instituten für Rechtsmedizin gearbeitet und kannte die Gewohnheiten dort ganz gut. Ich passe nur höllisch darauf auf, keine juristischen Bewertungen abzugeben.

„Mörder“ oder „Vergewaltiger“ gibt es daher in meinen Stellungnahmen nicht. Lieber schweige ich für den Rest meines Lebens, als einen solchen Begriff gutachterlich zu verwenden.

Dabei bist Du doch eher zufällig zur Rechtsmedizin gekommen, oder?

Ja, für meine Promotion über genetische Fingerabdrücke wollte ich eigentlich Vaterschaftstest bei Flamingos im Zoo machen. Das hat mangels Geld für die Chemikalien dort nicht geklappt, und so habe ich Fadenwürmer untersucht.

Gelernt habe ich die Technik in den Kellerräumen der Rechtsmedizin der Uni Köln. Da habe ich mich mit den Fach-Kolleginnen und -Kollegen, auch Polizistinnen und Polizisten, unterhalten und ihnen auch mal ein paar Insekten gezeigt, die an Leichen leben.

In der 'Zeit' war neulich ein Artikel über Urwälder in Rumänien. Dort stand, dass es nirgends so viel Leben gebe wie in einem toten Baum. Wie viel Leben ist einem toten Menschen?

Unvorstellbar viel. Da ist ein Füllhorn voll Leben. Bei einer Leiche im Wald etwa graben manche Käfer ein Loch in die Haut, Gewebe wird für eine Höhle zur Seite getragen. Oder Bakterien übernehmen blitzschnell die ganze Leiche.

Und deshalb kann man ganz genau den Todeszeitpunkt bestimmen?

Das hängt von der Menge und der Qualität der Informationen ab. Je mehr man hat, desto besser. Am wichtigsten ist die Temperatur: Schmeißmaden wachsen schneller, je wärmer es ist. Wichtig ist deshalb beispielsweise zu wissen, wie der Schatten am Fundort verläuft. Manche Insekten verstecken sich an kühleren Orten, andere wagen sich ins Licht.

Es finden sich aber inzwischen immer weniger Insektenarten, Spinnen und andere Gliedertiere an den Tatorten. Mir liegt deshalb auch so sehr am Herzen, etwas dagegen zu tun, dass ganze Tiergruppen aussterben.

Lebst Du auch deshalb vegan?

Ja. Eine vegane Lebensweise ist das schnellste Mittel zur Energieeinsparung. Und sie macht dreiviertel der Landflächen wieder frei für eine natürliche Besiedlung. Bei „meinen“ Tieren, den Insekten, wird es ja oft belächelt, das Aussterben: Maden sind unsexy und ekelig. Dabei sind es hoch angepasste und schöne Lebewesen. Das Insektensterben ist ein weiterer Beweis für den Zusammenbruch ganzer Ökosysteme*.

Die Maden haben Dich berühmt gemacht. Das Spektrum Deiner Tätigkeit macht aber bestimmt mehr aus?

Das ist ganz weit und vielfältig. Ich bearbeite auch, ob ein verstorbener, vermeintlicher Vater wirklich der genetische Vater ist und wir dazu einen Briefumschlag prüfen, dessen Briefmarke früher abgeleckt und aufgeklebt wurde. Oder ob das rote Barthaar im möglichen Van-GoghGemälde wirklich vom Maler stammt.

Wie wichtig ist die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für Deine Arbeit? Sie ist ein exzellentes Qualitätsmerkmal vor Gericht. Ich trete ja fast nur in Strafprozessen auf. Dort heißt es oft „der seit Jahren gut bekannte Sachverständige“, wenn man etwas von ihm verwerten will. Als öffentlich bestellter Sachverständiger kann man sich diese Begründung sparen.

In der Sendung „Inas Nacht“ hast Du auch einmal „Dance me to the end of love“ von Leonard Cohen gesungen**. Welcher Cohen-Song beschreibt Deine Tätigkeit am Besten?

"You want it darker"... Du denkst, Du hast alles schon gesehen, aber dann wird es noch mal finsterer.



Lesetipps




Dr. rer. medic. Mark Benecke · Diplombiologe (verliehen in Deutschland) · Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung von biologischen Spuren (IHK Köln) · Landsberg-Str. 16, 50678 Köln, Deutschland, E-Mail: forensic@benecke.com · www.benecke.com · Umsatzsteueridentifikationsnummer: ID: DE212749258 · Aufsichtsbehörde: Industrie- und Handelskammer zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Deutschland · Fallbearbeitung und Termine nur auf echtem Papier. Absprachen per E-mail sind nur vorläufige Gedanken und nicht bindend. 🗺 Dr. Mark Benecke, M. Sc., Ph.D. · Certified & Sworn In Forensic Biologist · International Forensic Research & Consulting · Postfach 250411 · 50520 Cologne · Germany · Text SMS in criminalistic emergencies (never call me): +49.171.177.1273 · Anonymous calls & suppressed numbers will never be answered. · Dies ist eine Notfall-Nummer für SMS in aktuellen, kriminalistischen Notfällen). · Rufen Sie niemals an. · If it is not an actual emergency, send an e-mail. · If it is an actual emergency, send a text message (SMS) · Never call. · Facebook Fan Site · Benecke Homepage · Instagram Fan Page · Datenschutz-Erklärung · Impressum · Archive Page · Kein Kontakt über soziale Netzwerke. · Never contact me via social networks since I never read messages & comments there.