2018-07-16 Westfalen-Blatt: Tatortbegehung mit Mark Benecke
Tatortbegehung mit Mark Benecke
Quelle: Westfalen-Blatt Nr. 162/2018 (mit vielem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung)
[Weitere Artikel von MB] [Artikel über MB]
Ein Beitrag von Janina Bergemann
Bielefeld (WB). "Nicht denken, sondern Spuren anschauen", so bringt Dr. Mark Benecke auf den Punkt, worum es bei seiner Arbeit geht. Der Kriminalbiologe war für einen populärwissenschaftlichen Vortrag mit jeder Menge Unterhaltungswert in die ausverkaufte Stadthalle gekommen.
Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren trumpft am Donnerstagabend mit jeder Menge Fachwissen, Wortwitz und Publikumsnähe auf. Dabei ging es weniger blutig als erwartet zu.
Benecke nimmt ganz genau unter die Lupe, wovor sich viele ekeln – Blut, Sperma, Urin und vor allem Insekten. Seit 26 Jahren ist Benecke als Kriminalbiologe auf Spurensuche und hat sich dabei insbesondere auf die forensische Entomologie spezialisiert. Denn oftmals liefern Insektenfunde auf oder in Leichen wichtige Hinweise über die Todesumstände oder den Todeszeitpunkt.
An diesem Abend möchte das Publikum aber nichts über Maden und Würmer erfahren, sondern über die Spurensuche an einem ganz bestimmten Tatort. Die Wahl des Vortragsthemas überlässt Benecke nämlich seinem Publikum und das entscheidet sich mehrheitlich für "Mord im geschlossenen Raum". Anhand von Fotos nimmt Benecke das Publikum mit an den Ort eines realen Verbrechens, in dem es bereits ein rechtskräftiges Urteil gibt. Eine Frau wurde mit fünfzig Messerstichen in ihrer Wohnung ermordet. Den Mord begangen haben soll ihre Tochter, die bis heute dafür im Gefängnis sitzt. Da der Raum verschlossen und außer dem Opfer nur die Tochter anwesend gewesen sein soll, ist der Fall für die Justiz klar. Benecke und sein Team aus Studenten begeben sich sechs Jahre nach dem Verbrechen an den Tatort und gehen auf Spurensuche. Was sie entdecken und mit Experimenten nachweisen können, zeigt dass alles ganz anders verlaufen sein dürfte. Schon die Grundannahme – dass der Raum verschlossen war – auf der das Urteil beruht, können Benecke und sein Team durch Recherche und Spurenanalyse widerlegen. Dasselbe gilt für weitere Annahmen über den Tathergang und das Mordmotiv. Zu einer Wiederaufnahme des Falls wird es laut Benecke, trotz dieser Erkenntnisse wohl nicht kommen.
Während seines Auftritts gibt Benecke einen spannenden und detaillierten Einblick in die kriminalistische Arbeitsweise, bei der allein der wissenschaftliche Nachweis zählt. "Es geht darum Dinge aus Spuren abzuleiten, unabhängig davon, was als logisch wahrscheinlich erscheint. Bei meiner Arbeit geht es nicht um Gerechtigkeit, dafür sind andere zuständig. Es geht um die Wahrheit", erklärt der 48-jährige.
In den drei Stunden räumt der Kölner auch mit so manchem Hollywood-Mythos über seinen Beruf auf. "Bei mir kommt kein Hubschrauber. Es gibt in dem Job auch keine Wochenenden oder Feiertage. Ich muss rund um die Uhr erreichbar sein", sagt Benecke. Der Kriminalbiologe agiert weltweit und hat unter anderem beim FBI gelernt. Er schreibt Fachund Kinderbücher, ist NRW-Landesvorsitzender bei der Partei "Die Partei", Tierschützer und – wie man an diesem Abend wieder merkt – Kultfigur. Vor dem Auftritt, nach dem Auftritt und in der Pause stehen die Leute Schlange für Fotos und Autogramme vor seinem Rednerpult.
Die drei Stunden mit Dr. Mark Benecke waren nicht lang – im Gegenteil, von dieser einzigartigen und charmanten Art Wissen zu vermitteln wünscht man sich mehr.
Lesetipps