2012 09 26: Wer macht Koeln?
Wer macht Köln?
Dr. Mark Benecke - Der Wahrheitssucher
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Andreas Kersting (Hrsg.):
Macher, Promis, Immis und Individualisten. Wer macht Köln?
Die 100 wirklich wichtigen Kölner. 256 Seiten, Sept. 2012
ISBN 978-3-938813-40-9, € 24,95
In diesem Buch lernen Sie Köln menschlich kennen: 100 Macher, Immis, Promis und Individualisten, die sich in und um Köln einen Namen gemacht haben, deren Stern gerade aufgeht oder deren außergewöhnliche Leistung manchen sogar noch unbekannt sein mag. Eine Muse, Schauspieler, Musiker, Modedesignerinnen, ein Kriminalbiologe, Unternehmer, Architekten, ein Parfumhersteller, Intendanten, eine Tanzweltmeisterin, ein Kardinal, eine Nachrichtensprecherin, Karnevalisten, Banker, Galeristen, ein Adenauer und viele mehr erzählen ihre Geschichte, was sie tun und lassen, an Köln mögen oder auch nicht, wie sie es mit dem Karneval halten, oder verraten ihre Hobbys. Bei allem was sie trennt, verfügen sie über einen gemeinsamen Nenner. Sie bewegen sich und andere; „sie machen Köln“ und verleihen der Millionenstadt am Mittelrhein ihren unverwechselbaren Charme und diskussionswürdigen Liebreiz.
Dr. Mark Benecke
Geboren: 1970 in Rosenheim, aufgewachsen in Köln
Beruf: Kriminalbiologe, Spezialist für forensische Entomologie
Persönliche Rangliste: ...von Insekten: Bibio marci (Märzfliege), Syrphiden (Schwebfliegen), Piophila casei (aus der Familie der Käsefliegen), sowie eine noch nicht bestimmte grüne Motte aus Kolumbien, die sich auf meiner Hand sehr wohl fühlte.
Persönliches Motto: The dude abides.
Das mag er an Köln: Die Kölner Donaldisten und den in Köln allgegenwärtigen Größenwahnsinn, der zwar durch nichts gerechtfertigt, aber umso lustiger ist.
Und: Natürlich ist er Mitglied im Dombau-Verein.
Das mag er nicht an Köln: Die drohende Schließung des WEISSEN HOLUNDER, das prangere ich an!
Letztes Karnevalskostüm: Ein einlaminiertes Schildchen, auf dem steht „Grufti“. Stecke ich Karneval einfach an die Brusttasche. Funktioniert immer.
Hobbys: Mein Leben. Und das Leben der Anderen.
Persönlicher Blick in die Zukunft: Auf Regen folgt Sonnenschein.
Keiner redet so unterhaltsam über die hässlichsten Seiten des Todes wie er: Dr. Mark Benecke, Deutschlands bekanntester Rechtsbiologe, kann die Aussagekraft von Blutspritzern an Decken und Wänden erläutern oder die Lebenszyklen von Fliegenmaden auf einer Leiche, ohne dass die Zuhörer Ekel überkommt.
Seine Kindheit verbrachte Benecke in einem damals futuristischen Plattenbau in Köln-Zollstock, „der einen gigantischen Park mit Hunderten lieber Kaninchen, coolen Bäumen und gefühlten Millionen von Vögeln vor der Tür hatte.“ Der kleine Benecke hatte von seinem Vater (Beruf: Ingenieur), einen Physik- und einen Chemiebaukasten geschenkt bekommen, die hatten es ihm besonders angetan. Gern spielte und bastelte er mit seinem Bruder. Später, als Jugendliche, hatten die beiden, „dank unserer lässigen Eltern“, einen der ersten PCs zur freien Verfügung. „In Zollstock und dann zehn Jahre im damals noch türkisch-arabischen Nippes wurde ich für immer geerdet: „Normale Menschen mit normalen Fragen und normalen Leben. Sehr angenehm bei all dem Wahnsinn, den ich später erlebt habe.“
Heute wird Mark Benecke als international anerkannter Experte für Spurenkunde und forensische Insektenforschung zu schwierigen Fällen gerufen. Er bildet aus, hält weltweit Vorträge an Universitäten und konnte auch schon mal dem FBI mit einem Tipp helfen. Aber nicht nur Fachleute wollen hören, was der vereidigte freiberufliche Sachverständige zu sagen hat. Benecke findet sein Publikum auch bei Talkshows, über Bücher, Radiosendungen und Fernsehserien, in denen es um die Aufklärung echter Kriminalfälle geht.
Auf den Unterhaltungswert seiner Ausführungen würde man angesichts seines Ausbildungswegs nicht wetten: Studium der Biologie, Zoologie und Psychologie an der Universität zu Köln, eine Doktorarbeit über genetische Fingerabdrücke und mehrere polizeitechnische Ausbildungen im Bereich der Rechtsmedizin in den Vereinigten Staaten. Aber dieser Fachmann ist eben ein Entertainer – und zugleich auch Missionar in Sachen Bildung. „Die Leute denken, sie werden gut unterhalten, aber in Wirklichkeit reibe ich ihnen lauter kriminalistische Prinzipien unter die Nase, die zeigen, wie man Dinge prüft“, erklärte er jüngst in einem Interview. Chemie, Biologie, Physik stehen bei den Deutschen vielleicht nicht hoch im Kurs. Aber für sein Fachgebiet sieht das anders aus: „Diese Sherlock-Holmes-artige Anwendung von Naturwissenschaft ist einfach sexy.“
So oft, wie der 42-jährige in den Medien präsent ist, muss da etwas dran sein. Allerdings dürfte zur Begeisterung der Journalisten auch beitragen, dass der „Maden-Doc“ mehr zu bieten hat als die gerade höchst populäre Spurenkunde. Die ganze Person Mark Benecke präsentiert sich als Bündel von ungewöhnlichen Vorlieben, unbändiger Energie und Wortwitz. Schon das Äußere schürt Interesse, wie er selbst einräumt. Dazu gehört seine gut sichtbare Vorliebe für Tätowierungen und Grufti-Kleidung. [...]
Als überzeugter Vegetarier bezieht er entschieden Stellung gegen die Massentierhaltung, und er erzählt freimütig, dass er Gewalt hasst und „Bekloppte, die andere Menschen seelisch zerstören“. Über seine Bemühungen, für „Die PARTEI“ um Spitzenkandidat Martin Sonneborn auf Stimmfang zu gehen, erzählt er mit genauso augenzwinkernder Begeisterung, wie er die Sache der Donaldisten vertritt. Die wollen mit wissenschaftlicher Akribie belegen, dass das wahre Leben in Entenhausen stattfindet. Mit seiner Lieblingsfigur Donald Duck und den anderen Entenhausen-Bewohnern könne man sich gut identifizieren, findet der Kriminalbiologe, dessen Beruf recht weit entfernt ist von der bunten, unterhaltsamen Comic-Welt.
Aber anders als viele Menschen in „normalen“ Jobs reibt er sich nicht an seinem Alltag: „Ich führe exakt das Leben, das ich führen will. Es ist bis jetzt zum Glück noch nicht passiert, dass ich etwas gemacht habe, wozu ich keinen Bock hatte.“
Den Ausgleich durch Urlaub oder die abendliche Flucht vor der Mattscheibe braucht der Vielarbeiter deswegen nicht. Er hat nach eigener Aussage sowieso noch nie einen Fernseher besessen. Immerhin hat er sich mal zwei CSI-Folgen angeschaut und den Kopf darüber geschüttelt, dass die TV-Tatort-Beamten daanders als im echten Leben – fröhlich ermitteln. Nicht zuletzt das schicke Auftreten in Zwirn und Leder ist fern der Realität: Wer wirklich am Tatort arbeitet, bevorzugt wegen des Geruchs Polyester oder andere gut waschbare Materialien, erzählt Benecke.
Als öffentliche Person mit so vielen Ecken und Kanten lebt es sich gut in seiner Wahlheimat Köln, findet Benecke – der Stadt mit ihrer „fatalistischen Toleranz“, den „wahnsinnigen Kölnerinnen und Kölnern“ und „dem schönsten Bauwerk der Erde: dem ‚gothic‘ Kölner Dom“. Für ihn ist es keine Kritik, wenn er der Stadt bescheinigt, sie sei „schmutzig, korrupt, obrigkeitsscheu, geschwätzig, besoffen, opportunistisch und vollkommen irre“. Sein Köln-Fazit: „Obwohl ich auch in Medellin, Manhattan und Mannheim arbeite, fühle ich mich nur in Köln echt und menschlich. Ich bin aus tiefstem Herzen Kölner.“
Mit herzlichem Dank an Guido Krebs und das Team von edition-empirica für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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