2015 Wissensdinge: Geschichten aus dem Naturkundemuseum
Quelle: Anita Hermannstädter, Ina Heumann, Kerstin Pannhorst (Hrsg.)
Wissensdinge - Geschichten aus dem Naturkundemuseum, Seiten 168 bis 169
Museum für Naturkunde Berlin
nicolai-Verlag Berlin
ISBN 978-3-89479-950-2
Mark Benecke & die Markusmücke: Schwarzer Glücksbringer
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AUFZEICHNUNG: KERSTIN PANNHORST
Bibio marci begleitet mich schon lange. Ich habe früher im Institut für Zoologie der Universität Köln gearbeitet, gegenüber lag ein uralter Friedhof, auf dem ich öfters spazieren ging. Dort flogen im Frühjahr seltsame Wesen herum, völlig abgefahrene Tiere, mit Augen, die wie bepelzt aussahen. Dazu noch in sehr elegantes Schwarz gekleidet, die Farbe, in der auch ich immer rumlaufe - Schwarz macht schließlich schlank. Bei meinen stillen Exkursen habe ich diese Tiere, die ich heute als Bibio marci kenne, lieb gewonnen. Auf Deutsch heißen sie auch Markusfliegen, was zwar taxonomisch gesehen Schmarrn ist, weil es Mücken sind, aber ich heiße auch Mark mit Vornamen, da wächst also schwarz und namentlich zusammen, was zusammengehört.
Seitdem begleiten mich diese Tiere. Vor einigen Jahren wurde ich als Kriminalbiologe zu einem spannenden Fall hinzugeholt. Erst sechs Jahre nach der Verurteilung des Mörders haben wir die Spuren, die er am Tatort in einem Haus hinterlassen hatte, untersucht und noch ziemlich viel gefunden. Der Mord hatte sich in einem geschlossenen Raum abgespielt, daneben lag ein großer alter Garten. Und dort saß auf einmal Bibio marci als Zaungast neben mir, wie ein Kumpel. Eine seltene Überraschung, denn in den Regionen, in denen ich mich aufhalte, von der Großstadt bis zum Dschungel, ist diese Mücke nicht häufig zu finden.
Als ich mich entschloss, Pate eines Insektenkastens am Museum für Naturkunde in Berlin zu werden, übrigens einem der coolsten Naturkundemuseen der Erde - und ich war in vielen- , habe ich mir natürlich diesen Kasten voller Markusmücken ausgesucht. Ich finde es richtig gruselig und traurig und wirr, dass manche Menschen Insekten eklig finden. Fliegen und Mücken sind einfach super - sie haben ein saugeiles, transformermäßiges Außenskelert, sind weder schleimig (was manche Menschen ja ekelt) noch sonst was. Sie sind völlig coole Lebewesen, die zudem perfekt an die Umwelt angepasst sind!
Seit ich in der Rechtsmedizin in einem alten Kellerraum gearbeitet habe, lassen mich Insekten nicht mehr los. Der Keller lag neben dem Sektionsraum, und da fand man an den faulen Leichen Insekten, vorwiegend Fliegen und Käfer, allerdings auch schrägere Arten wie Schwebfliegen oder vermeintliche Nahrungsmittelschädlinge wie Koprakäfer, Schinkenkäfer oder Teppichkäfer, die eben auch an Leichen gehen. Am coolsten von allen aber ist Bibio marci: Diese Mücke sirrt nicht, sie sticht nicht und ist immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Für mich ist sie ein Glücksbringer.
Mit großem Dank an Kerstin Pannhorst und die Verlags-Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
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