1995 : Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift DATZ: Hirudo medicinalis Linne 1758: Zucht und Biologie des Medizinischen Blutegels
Quelle: DATZ - Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift, Band 48, S. 168-171 (1995)
Hirudo medicinalis Linne 1758: Zucht und Biologie des Medizinischen Blutegels
(Breeding and Biology of the Medical Leech (Hirudo medicinalis L.))
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VON MARK BENECKE
Während Schlangen, Echsen und sogar Vogelspinnen von Laien mit neugierigem Staunen betrachtet werden, ist die erste Reaktion auf ein Blutegelgehege nach wie vor Abscheu. Die aus Hollywoodfilmen und Reisebrichten des vergangenen Jahrhunderts genährte Furcht ist natürlich ebenso unsinnig wie jede andere Phobie. Blutegel sind ausgesprochen liebenswerte und pflegeleichte Aquarienbewohner.
Bereits in einem mit Leitungswasser halbgefüllten Zehnliterbecken ohne jedes Zubehör lassen sich die Tiere halten. Obwohl sie vollkommen anspruchslos sind, empfinden Blutegel einen sandigen oder kiesigen Untergrund sowie einen Schlupfwinkel als angenehm. Ganz besonders schätzen sie mit Erde befüllte, leicht schräggestellte Tonblumentöpfe, durch deren auf der Unterseite befindliche Öffnung sie ein- und auskriechen.
Man darf weder den Kiesbelag des Bodens noch das Angebot an Versteckplätzen zu sehr ausweiten, sonst verkriechen sich die Würmer dauerhaft darin. Sie sind dann nur noch durch die Darbietung von Nahrung hervorzulocken. Da adulte Blutegel jedoch nur alle ein bis zwei Jahre eine Blutmahlzeit benötigen, gibt der Aquarianer einer schlichteren Einrichtung den Vorzug. Diese erlaubt die Beobachtung der vielgestalten Verhaltensmuster sowie der prächtig gefärbten Körper der Würmer.
Der Medizinische Blutegel bewegt sich auf zwei Arten. Er kann schwimmen, indem er seinen Körper abflacht und wellenförmige Bewegungen ausführt. Dies beobachtet man besonders dann, wenn die Tiere hungrig sind. Vielleicht ermöglicht das dabei herbeigestrudelte Wasser zugleich die Lokalisation der Beute über Chemorezeptoren auf der Hautoberfläche. Ich selbst habe wegen der mangelnden Größe meines Beckens (100 Liter) nicht mehr als etwa dreißig Schwimmschläge hintereinander beobachtet; vermutlich ermüden die Tiere aber auch in ihrer natürlichen Umgebung schnell.
Weitaus häufiger sieht man Hirudo "laufen", indem er seine Umgebung mit dem Kopf sondiert, den vorderen Saugnapf festsetzt und den hinteren nachzieht. Adulte Tiere erreichen auf diese Weise, auch an Land, beachtliche Geschwindigkeiten von fast 5 cm pro Sekunde. Da sie überdies kräftig genug sind, sich bis zu zehn Sekunden lang in die Höhe zu recken, während sie sich nur mit der hinteren Haftscheibe an der Vertikalen festhalten, muß das Aquarium lückenlos abgedichtet sein. Jüngere Tiere quetschen sich durch die dünnsten Spalten und sind hoffnungslos verloren, wenn sie außerhalb des Beckens nicht rechtzeitig vor dem Austrocknen gerettet werden. Meist verkriechen sich entflohene Hirudo-Individuen an den unglaublichsten Stellen, so daß sie erst beim Frühjahrsputz als verdörrtes, schwarzes Muskelwürstchen wieder auftauchen.
Im übrigen sind Medizinische Blutegel außerordentlich widerstandsfähig. Sie können problemlos einige Minuten aus dem Becken genommen werden und auf dem ausgestreckten Arm herumlaufen (einen etwaigen Sturz aus dieser Höhe verkraften sie ohne weiteres). Auch Kinder finden Vergnügen an den robusten Egeln, die sich sogar streicheln und hätscheln lassen.
Der zu den Ringelwürmern zählende Hirudo kann bei Ausflügen auf dem menschlichen Körper nicht ohne den Willen des Tierhalters Blut saugen. Erst nachdem der Wurm eine typische Freßhaltung angenommen und die Haut des Wirtes durchbissen hat, beginnt die Blutmahlzeit. Bis dahin hat man das Tier durch leichtes Schwenken des betreffenden Körperteiles längst abgeschüttelt. Wer von der Wirksamkeit dieser Methode nicht überzeugt ist, kann den Blutegel mit Salz bestreuen, wie es die alten Mediziner empfahlen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, denn zuviel Salz kann die Blutegel töten. Ein Massenbefall mit Blutegeln, derer man sich nicht erwehren kann, ist nur im Freien möglich und genauso unwahrscheinlich, wie Piranhas zum Opfer zu fallen.
Meist ist Hirudo nicht in Freßlaune, was besonders in Zuchten ein Problem darstellt, denn bevor sich die adulten, zwittrigen Würmer paaren, benötigen sie eine Wirbeltierblutmahlzeit. Die einfachste Fütterungsmethode ist, die Würmer am eigenen Körper anzusetzen; eine geeignete Stelle hierfür ist die dünnhäutige Innenseite des Unterarmes. Wenn die Tiere nicht ausgesprochen hungrig sind, wandern sie zunächst ziellos auf dem Wirt umher, um sich alsbald zu Boden fallen zu lassen. Die Wartezeit bis zum Saugakt verkürzt sich, wenn man einen auf der eigenen Haut kriechenden Egel von Zeit zu Zeit sachte mit kaltem Wasser betropft. Dies leitet häufig den Freßvorgang ein. Der Wurm setzt dann seinen Kopf im rechten Winkel auf, flacht den übrigen Körper ab und beginnt, mit seinen drei sternförmig angeordneten Kiefern die oberen Hautschichten Y-förmig etwa 1,5 mm tief aufzusägen. Der Mensch empfindet dabei ein kurzes Ziehen, was nach etwa einer Minute verschwindet; Blutegel betäuben die Haut des Wirtes an der Bißstelle. Dies läßt sich leicht prüfen, indem man die Wunde schmerzfrei mit Jod bestreicht (was aber keineswegs notwendig ist).
Beim Fressen sondert der Blutegel gerinnungshemmendes Hirudin und eine histaminähnliche Flüssigkeit ab, welche die Blutkapillaren erweitert. Daher sickert aus der Freßstelle noch ein bis zwei Tage lang etwas Blut, was durch einen stramm angebrachten Verband verhindert wird. Auf der immunisierenden, gefäßkrampfererweiternden und blutverdünnenden Wirkung des Hirudins sowie des erleichternden und entgiftenden Blutentzuges beruht der medizinische Einsatz von Hirudo. Die an der Saugwunde entstehenden, nur millimetergroßen Narben verblassen fürgewöhnlich innerhalb eines halben Jahres.
Eine alternative Fütterungsmöglichkeit besteht darin, einen Schweinedarm oder eine -blase mit auf etwa 40°C erwärmtem Blut (vom Schlachthof oder Metzger) zu füllen, zuzubinden und in das Aquarium zu hängen. Dem frischen Blut muß zuvor ein Gerinnungshemmer, z.B. einige Tropfen in Wasser gelöster Zitronensäure, zugesetzt werden. Nachteilig ist, daß die Blutblase oft an irgendeiner Stelle zu lecken beginnt und ausläuft.
Sehr bewährt hat sich die folgende, dritte Fütterungsart, die jedoch etwas Geduld erfordert. Ein Blutegel wird in ein kleines Glasgefäß, etwa ein Trinkglas, gebracht, dieses mit Wasser zu dreiviertel gefüllt und mit Parafilm aus der Apotheke oder dem Laborbedarfshandel bedeckt, den man zuvor auf der Unterseite mit wenig Achselschweiß bestrichen hat. Etwa 10 ml erwärmten Blutes werden in eine Plastikspritze ohne Kanüle aufgezogen und ein Tropfen davon auf die Oberseite des Films gegeben. Nach einiger Zeit beginnt der Egel, sich an den Parafilm anzusaugen und diesen zu durchbeißen. Nun tropft man allmählich soviel Blut nach, wie der Wurm imstande ist aufzunehmen. Nach Beendigung einer Mahlzeit dieser Art, bei der das Tier sich im Wortsinne vollaufen läßt, erbricht es manchmal nach wenigen Minuten einen Teil des zuvor aufgenommenen Blutes. Dies ist kein Anlaß zur Sorge, sondern ein normaler Reflex, der von Dehnungsrezeptoren der Magenwand ausgelöst wird.
Die Saugleistung der Egel ist erstaunlich hoch. Obwohl sie kein Skelett besitzen, welches den Muskeln Ansatzstellen böte, erzeugen adulte Hirudo-Exemplare einen Unterdruck von bis zu 0,2 at, was gut 2/3 der Saugkraft darstellt, die ein Mensch erreichen kann. Pro Minute vermag der Medizinische Blutegel bis 1,2 ml Blut in seinen reichverzweigten Magen aufzunehmen. Zugleich scheidet er über die Haut Wasser aus, so daß die gespeicherte Blutmenge nur etwa 60% des Volumens an Frischblut ausmacht.
Während des Saugaktes, der bei Frischgeschlüpften etwa 7 Minuten und bei Adulten bis zu einer halben Stunde dauert, besteht wegen der Wasserabscheidung keine Austrocknungsgefahr. Nach einer Blutmahlzeit können die Tiere gut das Fünffache ihres vorherigen Körpervolumens aufweisen.
Meine adulten Hirudo ebenso wie die meiner Kollegin Gabi Hübner erzeugen pro Sommer einen bis drei Schaumkokons auf einer feuchten sandigen oder erdigen Unterlage, welche über die Wasseroberfläche ragen muß (beispielsweise ein erdgefüllter Blumentopf oder ein aufgeschütteter ¯Sandstrand®). Im Freien können die Tiere innerhalb von 5-12 Tagen über 6 Kokons 10 bis 30 Eiern legen.
Die Aufzucht der frischgeschlüpften Blutegel ist schwierig. Wenn die winzigen Tiere auf das Eintippen der Fingerkuppen in die Wasseroberfläche nicht reagieren, das heißt, wenn sie sich nicht an jene ansaugen, hilft nur die Fütterung mittels eines kleinen Schnittes in die menschliche Haut. Durch einen solchen Ritzer nehmen die jungen Hirudo Blut auf, wenn man sie direkt darauf setzt. An einem einmal benutzten Saugplatz lassen sich nach und nach alle Jungen füttern. Wem diese Methode zu blutig ist, der kann versuchen, die Jungtiere mit kleinsten Insekten(larven) oder Fischlaich durchzubringen. Ungefütterte Tiere versterben innerhalb von etwa 10 Tagen.
Innerhalb von 3 Jahren nach dem Schlüpfen ist Hirudo geschlechtsreif und wird bei guter Pflege bis zu 20, selten sogar 27 Jahre alt. Während seines gesamten Lebens streift der Medizinische Blutegel etlichemale ein durchsichtiges Häutchen ab. Ein neugeborene Blutegel ist nicht einmal streichholzgroß und wiegt etwa 30 Milligramm, während ein adulter Wurm sich auf gut 15 cm Länge strecken kann und etwa 7 Gramm schwer wird.
Häufig äußern sich Mitmenschen bedenklich wegen einer möglichen Krankheitsübertragung durch das Füttern der Blutegel am eigenen Körper. In der Tat konserviert Hirudo das in seinem Magen befindliche Blut durch symbiontische Bakterien der Art Pseudomonas hirudinis. Der eingedickte Blutsaft bleibt dabei bis zu mehreren Monaten nahezu unverändert, bis es schließlich vollständig verdaut wird. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß Erreger, die durch infektiöses Blut in einen Egel gelangt sind, bei der nächsten Fütterung auf einen anderen Wirt übertragen werden. Daher sollte man sich versichern, daß die Bezugsquelle der Tiere (in der Regel die Apotheke) einwandfrei ist. Meines Wissens stammt der Großteil der in Deutschland verkauften Tiere aus zwei oder drei Zuchten, von denen eine in England liegt. Der Besitzer dieser Zucht versichert, daß er die Tiere mit seinem eigenen Blut großziehe.
Bis vor wenigen Jahrzehnten mußten Blutegel übrigens noch aus Kleinasien importiert werden, da sie in Mitteleuropa, namentlich der ehemaligen Tschecheslowakei und Rumänien, durch exzessiven medizinischen Einsatz ausgerottet waren.
Aus schlechter Erfahrung sei darauf hingewiesen, daß das Verfüttern aufgetauten Blutes den Egeln manchmal sehr schadet; meiner Kollegin wurde auf diese Weise sogar eine gesamte Population dahingerafft, und nur ein einziges Tier, welches nicht gefressen hatte, überlebte die Katastrophe.
Blutegel erkranken sonst so gut wie nie. Nur im heißen Sommer 1994 verlor ich ein Tier durch eine vermutlich bakterielle Infektion seiner Haut, wobei die vorherige Eiablage eine Rolle gespielt haben mag. Der betreffende Hirudo verstarb unrettbar innerhalb von zwei Wochen.
Möglicherweise ist in Hitzezeiten ein häufigerer Wasserwechsel, etwa einmal wöchentlich, ratsam. Direkte Sonneneinstrahlung ist stets zu vermeiden, da sich dadurch das Wasser aufheizt. Zudem stellt starke Helligkeit einen Streßfaktor dar, dem für die Blutegel nach Möglichkeit zu entfliehen versuchen. Es lohnt jedoch nicht, aufwendige Wasserreinigung und Sauerstoffzufuhr zu betreiben, da die Tiere im Freien durchaus in Tümpeln und dort in Bodennähe leben, wo sie sowohl eine hohe Bakteriendichte als auch Sauerstoffmangel klaglos ausstehen. Ein in Blumenerde eingegrabener Egel etwa, den ich ohne es zu bemerken samt Tontopf ins Trockene gestellt hatte, war quicklebendig, als ich ihn nach über einer Woche zufällig entdeckte. Er hatte sich ein körpergroße Höhle gegraben, die genügend Restfeuchte bot, um ihn am Leben zu erhalten.
Im Becken selbst heften sich besonders jüngere Egel gerne mit dem hinteren Saugnapf an der Wand fest, um mit dem freischwebenden Rest des Körpers langsame Schwimmbewegungen auszuführen. Ob dieses Verhalten ein Sauerstoffzufächeln darstellt oder die Körperumrisse gegenüber potentiellen Feinden verschwimmen lassen soll, ist unbekannt.
Beim Wasserwechsel (kaltes Leitungswasser) sind die Blutegel stets sehr aufgeregt und schwimmen eifrig umher. Dies liegt daran, daß Hirudo im Freien durch mäßig heftige, kurze Wasserwellen aktiviert wird. Solche Wellen gehen von Wirtsorganismen, aber auch Freßfeinden der Egel aus.
Besondere Vorsicht ist daher wenige Minuten bis eine halbe Stunde nach dem Wasserwechsel geboten, wenn die Tiere unweigerlich beginnen, ihre gesamte Behausung absuchen. Entdecken sie dabei eine Fluchtritze, auch weit oberhalb des Wasserspiegels, so schlüpfen sie durch diese nach außen. Wer sich nicht absolut sicher ist, daß sein Aquarium bündig mit dem Deckel schließt, sollte die Unterseite des Deckels mit einer dünnen Schaumstoffschicht bekleben, auf welcher die Haftscheiben der Egel keinen Halt finden.
Es ist bemerkenswert, daß Hirudo auf den beschiebenen Reiz hin reflexhaft seine Umgebung absucht, während er andererseits sehr schnell lernen kann, eine unsinnige Handlung zu vermeiden. So trainierte ich fünf Blutegel im Alter zwischen 2 und 5 Jahren darauf, sich in einer mit wenig Wasser gefüllten Schale nicht oberhalb einer gedachten Linie in etwa 1 cm Höhe an der Wand anzusaugen, indem sie sofort nach jeder Ansaugung einen leichten Schubs mit einem Metallspatel erhielten. Die Egel lernten bei nur einem Versuchsdurchgang pro Tag innerhalb einer Woche, den unangenehmen Reiz zu vermeiden.
Die hohe Lerngeschwindigkeit für unkomplizierte Aufgaben rührt von der einfachen Nervenorganisation der Blutegel her. Je ein Nervenring pro Saugnapf wird mit dem anderen Nervenring durch das Bauchmark verbunden, welches ca. 20 Nervenknoten aufweist. An das Nervensystem angeschlossen sind neben zahlreichen Berührungsrezeptoren noch einige Augenpaare, die vorne auf der Oberseite des Wurmes liegen. Ein Gehirn gibt es nicht. Die im gesamten Tierreich gültige Aussage, daß mit abnehmender Komplexität des Nervensystems auch die Anzahl der Lerndurchgänge sinkt, trifft auch auf Hirudo medicinalis zu.
Es gibt eine Reihe weiterer Egel, die sich im Aquarium halten lassen. Im Gegensatz zum Kieferegel Hirudo haben sie einen Stechrüssel und keine Zähnchen. Pisciola geometra zum Beispiel ernährt sich von Fischblut. Er ist, wie auch Hirudo, hübsch gezeichnet (grünweiße Fleckung) und eine Zierde für das Heim, kann aber selbstverständlich nicht mit Fischen in einem Becken gehalten werden. Andere Egel ernähren sich von Austern (Ostreobdella), Krebsen (Crangonobdella), Süßwasserfischen (Cystobranchus) oder Schildkröten (Ozobranchus).
Zuletzt ein Wort an diejenigen Leser, welche ihre Vorbehalte gegen den Medizinischen Blutegel als nützlichen und schönen Aquarienbewohner nicht ablegen wollen. Hirudo läßt sich als ein mit Augenzwinkern dargebotenes Kuriosum zur Schau stellen, indem man wenige adulte Individuen in einem größeren zylindrischen Gefäß, etwa einem Spaghettiglas, unterbringt, welches zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Mit ihren an beiden Enden befindlichen Saugnäpfen strecken sich die Egel an der vertikalen Seite des Glases aus und bieten durch ihre charakteristischen Bewegungen und die lupenartige Krümmung der Wand einen eigentümlichen Anblick.
Literatur
- Angermeier, W. (1983): Die Evolution des operanten Lernens. Basel
- Angermeier, W. & Dassler, K. (1992): Inhibitory learning and memory in the lesser octopus (Eledone cirrhosa). Bull. Psych. Soc. 30: 309-310
- Angermeier W. F., Benecke M., Göhlen, B. & Kolloch, V. (1993): Inhibitory learning and memory in the topshell (Monodonta lineata). Bull. Psych. Soc. 31: 529-530
- Benecke, M. (1993): Vom wunderlichen Treiben atlantischer Küstenschnecken unter besonderer Berücksichtgung von Monodonta lineata (Da Costa 1767). Club Conchylia 25(2): 57-61
- Einfache Darstellung des Nervensystems und weiterer Strukturen junger Blutegel (Hirudo medicinalis Linne 1758). Mikrokosmos 84: 311-313
- Gruner, H.E. (Hrsg.) (1993): Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Begründet von Alfred Kaestner. Band I, 3. Teil. Stuttgart, New York (G. Fischer)
- Harant, H., Grass‚ P.-P. (1959): Hirudinea. In: Grasse, P.-P. (edit.): Traite Zool 5(1), 471-593
- Herter, K., Schleip, W., Autrum, M. (1936-39): Hirudinea. In: Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreiches 4(3): 1-662
- Herter, K. (1968): Der medizinische Blutegel. Neue Brehm Bücherei, Band 381. Wittenberg-Lutherstadt, Ziemsen
- Keller, O. (1913): Die antike Tierwelt, Band 2. Leipzig (W. Engelmann)
- Storch, V., Welsch, U. (1991): Systematische Zoologie. Stuttgart, New York (G. Fischer)
Nachtrag von Andreas Weck-Heimann
Von Dipl.-Biol. Andreas Weck-Heimann erreichte uns im April 2016 eine Zuschrift mit dem Hinweis, dass der Medizinische Blutegel aktuell wieder verstärkt Forschungsgegenstand ist. Den Wortlaut der E-Mail geben wir im Folgenden sehr gerne wieder, damit die wertvollen Informationen ihre Verbreitung finden mögen. Andreas arbeitet am Senkenberg Dresden und lädt am Thema Interessierte herzlich zur Mitarbeit ein. Worum es geht und was ihr zum Projekt beitragen könnt, steht HIER und HIER:
Lieber Herr Dr. Benecke,
mit Begeisterung folgte ich bereits mehrfach Ihren spannenden Vorträgen - bei diversen Events. In Ihrem Wiki2.benecke.com haben Sie einen alten Artikel aus der DATZ (1995) aufbereitet. Zur Zeit als Ihr Artikel erschien, der sich mit Zucht & Biologie des Medizinischen Blutegels (Hirudo medicinalis) befasste, war noch nicht (nicht mehr) bekannt, dass es in Europa, Nordafrika und dem nahen bis mittleren Osten/Asien mehrere Arten von "medizinischen" Blutegeln gab und gibt, die mit dem Ende der medizinischen Massenverwendung der Blutegel alle in einen "Art-Topf" geworfen wurden. D.h. alle wurden als "Medizinische Blutegel" verkauft, unter der wiss. Bezeichnung Hirudo medicinalis.
Wie wir heute wissen, zeigen die Bilder in Ihrem Artikel den "Ungarischen Blutegel" (Hirudo verbana, Carena 1820), dessen Fund vom Lágo Maggiòre erstmalig beschrieben wurde. Man unterschied im 19. Jahrhundert viele Arten der damals meist in die Gattung "Sanguisuga" sortierten Tiere, meist nach der Färbung & Zeichnung sowie dem Fundort. Der weltweite und massenhafte Handel - über Jahrhunderte - sowie unzählige Versuche der Nachzucht der medizinisch verwendeten Blutegel - in vielen Regionen - dürfte die natürlichen Populationen in Europa sehr durcheinander gebracht haben.
Heute haben wir, nach Untersuchungen einiger Kollegen, ein ungefähres Bild der "natürlichen Verbreitung" und nach genetischen, wie morphologischen Studien eine Abgrenzung verschiedener Arten. (Die man jedoch aufgrund ihrer Fähigkeit zur Hybridisierung auch als Art-Komplex betrachten könnte). Auf der Iberischen Halbinsel und im westlichen Nordafrika (Maghreb) gibt es Hirudo troctina. In Mitteleuropa (auch England - für Irland gibt es keinen Nachweis mehr, Skandinavien auf Höhe der Stadt "Bergen" in Norwegen) bis weit in die Ukraine, Finnland, Russland und bis in den Balkan, sowie in die Alpen hinein, ist die klassische Art "Medizinischer Blutegel" Hirudo medicinalis nachgewiesen - durchsetzt mit ausgewilderten H. verbana (s.u.).
Über eine Hybridisierungszone - westliche Variante - in Italien mit Sizilien und ab dem mittleren Balkan nach Osten, weit in die Türkei hinein, dann als östliche Variante, ist die Art Hirudo verbana ("Ungarischer Blutegel") verbreitet. H. verbana ist die Art, die sich in Gefangenschaft gut vermehren lässt und auch noch in nennenswerten Zahlen aus Rumänien, Bulgarien oder der Türkei importiert werden kann. Deshalb dominiert diese Art den Handel in unseren Regionen und Nordamerika. Unser Medizinprodukthandel hat sich auch auf H. verbana spezialisiert, über jede Apotheke beziehbar - als "Medizinischer Blutegel“.
Weiter nach Osten (Armenien, Irak, Iran etc.) kommt dann die Art Hirudo orientalis ins Spiel. Auf Märkten im osmanischen bzw. arabischen Raum werden Blutegel in verschiedenen Größen für den Heimgebrauch verkauft (auf Türkisch gerne "Dr. Sülük" genannt). Der Blutegel-Handel im asiatischen, pazifischen und mittel- wie südamerikanischen Raum vertreibt meistens die Art Hirudinaria manillensis (Lesson, 1842), die ihren Ursprung in Asien hat.
Für einen Großteil von Publikationen zu Wirkstoffen aus und der medizinischen Verwendung von "Hirudo medicinalis" ist wegen dieser Art-Unterscheidung heute nicht mehr nachvollziehbar, aus welcher Art untersuchte Wirkstoffe isoliert wurden. Wegen der nachlässigen Darstellung in Online-Datenbanken und im Handel werden vermutlich noch immer Publikationen aus dem medizinisch-pharmazeutischen Umfeld veröffentlicht, die sich nicht sicher auf den Medizinischen Blutegel zurückführen lassen - obwohl dieser als Quelle der Wirkstoffe angegeben wird. In den meisten taxonomischen Datenbanken habe ich inzwischen für Abhilfe gesorgt ;-))
Die ganze "Blutegel"-Historie hat mich schon seit langer Zeit gepackt - selbst veröffentlicht habe ich noch nichts dazu ... es gibt "größere" und "ältere" Fachleute ;-). Die kritische Durchsicht existierender Datenbestände zeigt jedoch, dass es durchaus einen Aktualisierungsbedarf gibt.
Aktuell habe ich ein Primerset für die Detektion der Hirudo-DNA in Wasserproben entwickelt, d. h. man versucht den Nachweis in Gewässern über Umwelt-DNA (eDNA), erst wenn dieser Test positiv ausfällt wird die Population in Augenschein genommen. H. medicinalis steht im Anhang V der FFH-Richtlinie wird also als schützenswert betrachtet. In einen "altehrwürdigen" Kröten - und Froschteich gehören nämlich auch Blutegel, gesunde Amphibien-Populationen sind die "Überlebensversicherung" für den Blutegel, wenn die warmblütigen Tiere ausbleiben.
Meine Primer für den Nachweis von H. medicinalis-DNA habe ich auf der Basis der CO1-Sequenz (GenBank) des in Schweden registrierten Neotypus - der Holotypus (Hirudo medicinalis Linne, 1758) ist nicht mehr vorhanden - zusammengestellt und in vitro gegen Proben der wöchentlich mehrfach abgestreiften äußeren Hautschicht getestet. Mal schauen was in diesem Jahr die Felduntersuchungen mit der eDNA erbringen. Wird die eDNA-Methode eigentlich schon zu Nachsuche von menschlichen Überresten in stehenden Gewässern genutzt, oder ist humane DNA in unserer Umwelt so überpräsent, dass man immer Spuren finden würde? Da brauchen ja nur ein paar Leute im Teich gebadet zu haben ... obwohl der Abbau der DNA sehr schnell erfolgt.
Grüße in die alte Heimat am Rhein,
Andreas Weck-Heimann
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