2015 11 Lausitzer Rundschau: Serienmoerder und Kannibalen
Quelle: Lausitzer Rundschau, Hoyerswerda, 14./15. November 2015, Seite 17
In die abgründige Psyche eines Serienmörders geblickt
Kriminalbiologe Mark Benecke erzählt über Kannibalen
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TEXT: CATRIN WÜRZ
Mark Benecke ist nicht nur Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe und eine Koryphäe auf dem Gebiet der forensischen Entomologie, sondern auch ein ausgezeichneter Entertainer. Die schaurigen Erkenntnisse aus seinem Wissenschaftler-Alltag kann er so erzählen, dass das Publikum drei Stunden lang atemlos an seinen Lippen hängt.
Und genau das ist
am vergangenen Donnerstag
auch wieder in Hoyerswerda so
gewesen. Der Sparkassensaal in
Hoyerswerdas Altstadt platzt aus
allen Nähten. Schon seit Tagen ist
der Infotainment-Abend mit Dr.
Mark Benecke ausverkauft, mehr
als 300 Zuschauer sitzen im Saal.
Der Kölner Wissenschaftler, der
auch als "Herr der Maden" bekannt
ist, steht in seiner tiefschwarzen
Kluft, mit schweren
Karabinern am Gürtel und den
großen Tattoos auf den Armen
vor seinem Publikum.
Nein, der 45-jährige Kriminalbiologe
entspricht so gar nicht
dem Klischee eines Ermittiers
aus dem Fernseh-Tatort. Und das
ist er ja auch nicht. Benecke ist
ein international agierender Spezialist,
der der Polizei bei scheinbar
aussichtslosen Mordfällen
zur Seite steht. Maden, Würmer
und Insekten helfen ihm, Entscheidendes
über eine Leiche,
den Todeszeitpunkt, Tatort oder
den Täter herauszufinden. Am
Ende kann es sein, dass Fliegeneier
und Maden den Mörder entlarven.
Dann hat Mark Benecke
alles richtig gemacht - und dann
erzählt er davon auch in seinen
Büchern, Vorlesungen und
abendfüllenden Programmen.
In der Show in Hoyerswerda
geht es diesmal allerdings weniger
umdie verräterischen Maden,
um Bakterien auf Leichen, um
Blutspuren oder DNA. Denn
Mark Benecke lässt das Publikum
aus einer Liste von möglichen
Fällen abstimmen, welches Thema
im Fokus stehen soll. Das Ergebnis
ist nicht überraschend:
Die meisten Zuschauer entscheiden sich für die "Serienmörder".
Mark Benecke stellt gleich klar,
dass seine Arbeit über die bekanntesten
Mörder der Gegenwart
auf einer Ebene abläuft, die
moralische, ethische, soziale oder
juristische Bewertungen außen
vor lässt. "Im Krimi geht es ja immer
darum, wie fängt man den
Bösen. Doch das ist mir eher egal.
Meine Arbeit dreht sich darum:
Wie entsteht die Tat, wie entsteht
der Mord?", sagt er. Wenn die
Wissenschaft dies besser begreife,
könnte es auch eine bessere
Prävention geben, können potenzielle
Täter eher erkannt werden.
"Echte Serienkiller sind meist
komplett unauffällig. Sie haben
von Kind an gelernt, ihre abnormalen
Neigungen und Begierden
zu verstecken. Sie fallen durch
rein gar nichts auf und passen
sich ihrer Umgebung an wie ein
Chamäleon", berichtet Benecke,
der neben Biologie und Zoologie
auch Psychologie studiert hat.
Vor den Hoyerwerdaern erklärte
er drei total unterschiedliche Fälle.
Der Kannibale Armin Meiwes
tötete 2001 seinen von ihm geliebten
Partner, um ihn anschließend
zu verspeisen - als eine
Form der höchsten Vereinigung.
Ganz anders liege der Fall bei
dem pädophil und sadistisch veranlagten
Psychopaten Jürgen
Bartsch alias der "Kirmes-Mörder".
Dieser brachte in den 60erJahren
vier kleine Jungen im Alter
von acht bis elf auf bestialische
Weise um. Mindestens 300
kleine Jungen hat der Kolumbianer
Luis Alfredo Garavito auf
dem Gewissen. Den Serienkiller,
seine Psyche und das narzisstische
antisoziale Verhalten dahinter
erforschte Mark Benecke im
Gefängnis in Gesprächen mit
dem Mörder. Um Muster zu erkennen,
die für die Prävention
notwendig sind, müsse man dies
tun.
Am Ende war es ein schaurigspannender
Abend, den die Zuschaur
nicht nur mit einem mulmigen
Gefühl im Magen, sondern
auch mit viel Erkenntnisgewinn
verließen.
Mit großem Dank an Catrin Würz und die Redaktion für die Erlaubnis zum Abdruck.
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