2012 10 11 Der Medienkonverter: Das Benecke Universum
Quelle: http://www.medienkonverter.de/interview-mark-benecke_2011-294.html
Der Medienkonverter
Das Benecke Universum
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Autor & Fotos: Mark Benecke / Rocksau / privat
Medienkonverter: Hallo Mark, zuerst eine kurze Frage für die Freunde aus der Generation - Too long; didn't read. Wird es "Das Benecke Universum" auch als Hörbuch, mit Stations- und mundartlich eingefärbten pseudoanglizistischen Entschuldigungs-Ansagen als background noise, geben?
Mark Benecke: Gerne - als Mundarten habe ich im Angebot kölsch und bayrisch (spreche icke) bzw. schlesisch mit deutschem Akzent (Jattin). Den Mix können dann wie schon bei den Baustellen-Unfällen mit den Brigadisten der Patenbrigade: Wolff machen, vielleicht mit brandenburgischen Einsprengseln. Multikulti olé! Wer diffamiert werden will: Bitte hinten anstellen.
Medienkonverter: Nachdem das geklärt ist... Dein druckfrisches Universum ist ein vielschichtiges Puzzle aus Urknall-Familien-Saga, Einblicken in die Welt des Kriminalbiologen nebst abenteuerlichen Reiseberichten und Episoden aus den elitärsten Einrichtungen modernen Networkings wie etwa den Donaldisten, der Transylvanian Society of Dracula oder der Partei DIE PARTEI geworden. Wie viel mehr an Zeit, im Vergleich zum Durchschnittsbürger mit seiner Einkommensteuererklärung, hast Du und dein Team in die Erstellung dieser Melange aus Autobiografie und forensischem Manifest investiert?
Mark Benecke: Es war eine Schweinearbeit, die ich aber allen bezahlt habe. Erstaunt war ich allerdings, mit welcher Leichtigkeit beispielsweise Kollegin Tina ihre Sichtung des von ihr verhassten Playboys Rolf Eden ("Ich will mich zu Tode lieben lassen") am Flughafen zum Verfaulende-Schweine-Training en detail beschrieb [...]. Man lernt nie aus, besonders, wenn man über sich selbst was liest, was Frauen schreiben.
Medienkonverter: Du hast mal in einem taz-Interview gesagt: "Normalerweise glaube ich Zeugen nichts...“ . Was hat dich dennoch bewogen, beispielsweise Klaus Fehling oder Martin Sonneborn hier zu Wort kommen zu lassen und deren Perspektive auf deine neuronalen Prozesse zu vertrauen? Erfährt man durch deren Distanz auch tatsächlich mehr über dich?
Mark Benecke: Ich schon, mehr wollte ich ja gar nicht. Abgesehen davon glaubt den beiden genannten Zeugen ja eh keiner was, schließlich handelt es sich um einen Theater-Autor und einen Satiriker bzw. Politiker. Dafür können sie gut schreiben!
Medienkonverter: Ich sage frei heraus, dass es sicher ein Bestseller wird. Allein schon deshalb, weil darin adäquat zu Charlotte Roche die Begriffe Blut, Haare, Sperma, Urin, Kot und Speichel eine Rolle spielen. Okay, Insekten kommen hier noch weitaus häufiger vor. Aber wer ist dann deiner Meinung nach die Zielgruppe dieses Buches? Wird es Marktführer bei denjenigen, die sich nie so richtig getraut haben dich im Notfall auch mal anzusprechen oder wohl eher das Evangelium für zahlreiche Fans?
Mark Benecke: Ich hoffe letzteres. Erstens muss ich dann nie mehr beantworten, "ob das nicht ekelig ist" und zweitens denke ich, dass es genügend Text-Stellen gibt, die sich beliebig auslegen und damit sektenhaft umformen lassen. Wir könnten das schöne Buch auch direkt als Apokryphe verkaufen, ich rede mal mit dem Verlag.
Medienkonverter: Biographien werden ja auch benutzt, schlicht um sich an seinem "Ideal" zu messen, zu reiben, und um sich eventuell darüber klar zu werden wie man selbst sein will... Gestern lief im ZDF eine 37°-Doku unter dem Titel "Mit Abitur zum Erotik-Job". Da stellt sich nun die Frage, ob dein Kapitel "Vom Praktikum zur Doktor-Arbeit: Zehn Jahre Arbeit mit Mark Benecke" so manche Sicht auf berufliche Perspektiven ändern oder sich dessen Studium gar als veritabler Karrierejoker entpuppen könnte. Was meinst Du?
Mark Benecke: In genanntem Text steht ja, dass unser Job brotlos ist. Die Autorin hat das auch konsequent vorgelebt und ist vor einigen Tagen nach elf Jahren als Kriminalbiologin konsequent in eine Art Makler-Büro gewechselt, "weil die mir wenigstens ein volles Gehalt zahlen." In der Tat also: Kriminalbiologie als Karriere-Joker mit allen Eigenschaften eines solchen, zumindest, wenn man den Joker aus "Batman" meint: Tragisch, verdreht und rätselhaft, aber gut drauf.
Medienkonverter: Man könnte dich beinahe für eine zeitgemäße Reinkarnation des alten Seneca halten. Wie er plädierst für lebenslanges Lernen und gemeinnütziges Engagement, und gleichermaßen eint euch das zuweilen dünkelhaft vorgebrachte Prädikat: Populärwissenschaftler / Edutainment-Star... Begleichen diesbezüglich jene Kapitel, in denen Tina dein Wirken an der University of Huddersfield, oder deine Tintenfischforschung beschreiben, auch alte Rechnungen mit Vorurteilen orthodoxer Kritiker? Muss man diese Kapitel etwa als sensible Kurskorrektur gegenüber dem medialen Erscheinungsbild bei MTV, VIVA, Stefan Raab, oder dem WGT verstehen?
Mark Benecke: Nö, ich werde auch weiterhin mit Raab Blutspuren auswerten, im privaten Frühstücksfernsehen Quatsch gegen homöopathischen Nonsens setzen, meine Kolumne im Tätowier-Magazin mit Tinte füttern und Kindern Adventskalender basteln, in denen der Weihnachtsmann mithilfe forensischer Spuren gerettet werden muss. Der sozusagen universitär-wissenschaftliche Teil ist ebenso im Buch, weil wir zeigen wollen, dass Forschen genauso viel Spaß macht wie quatsch machen, man dazu aber halt auch mal seinen verfickten Arsch vors Bio-Buch und Mikroskop bewegen muss anstatt CSI zu gucken und Chips zu fressen. Daher auch die Fall-Berichte, die zeigen, dass die Knackis genauso spinnen können wie der Staatsanwalt oder die Angehörigen.
Medienkonverter: Während sich andere in ihrer Biographie mühsam ein Image mit gebrochenem Charakter konstruieren, hast Du als Biologe die Stimmbänder schon längst als sinnliche Körperteile offenbart. Deine musikalische Karriere führte den zweidimensionalen Mann über diverse Bühnen bis ins Zweieck-Studio. So weit, so unterhaltsam. Aber warum zeugen deine bisher größten Hits, außer vom unumgänglichen Thema Frauen, auch stets von unverhohlener Verehrung für Staatsexamen-hinter-sich-Bringer? Vor den Blonden Burschen war's noch die Deutschlehrerin, gemeinsam mit Sara Noxx dann ein szenebekannter Biologe...
Mark Benecke: Ich verehre neben Frau Noxx auch die P:W, SITD, Welle:Erdball, Suicide Commando, Eskil, Agonoize, Lola Angst, Noisuf-X, Oswald Henke und viele andere, die ihr möglicherweise oder auch nicht vorhandenes Staatsexamen bisher nie raushängen ließen, sondern lieber Krach machen oder Zitronenfalter anlocken. Einige Fotos auf den Seiten 88-89 des Buches beweisen das in schönsten Tönen (= schwarzweiss).
Medienkonverter: Besten Dank für diesen Blick in dein geordnetes Chaos, und zum Abschluss dann doch noch die obligatorischen Fragen danach wie viele Seiten der Lektor hier womöglich rausgestrichen hat, und ob Du als Träger eines Doktor-Titels auf den Seiten 314 - 315 [Fußnoten] mit der inzwischen angebrachten Sorgfalt zu Werke gegangen bist?
Mark Benecke: Bin ich. Alle Lektoren dieser Erde kriegen einen Schlaganfall, wenn sie meine Korrekturen bearbeiten müssen (und sie müssen, harrharrharr!), die sich neben inhaltlichem auch auf stets doppelte Leerzeichen, Kommas, mir unschön erscheinende Wort-Trennungen und dergleichen beziehen. Ein aktuelles Video dazu hier: http://youtu.be/0dQbeGIcZnI
"Das Benecke-Universum, Mitstreiter, Oma und Opa erzählen..."
Mark Benecke (Hrsg.) // Militzke Verlag GmbH
320 Seiten // 14,90 Euro
ISBN 978-3-86189-845-0
http://www.forensicbox.de
http://www.militzke.de
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