2013 11: Comoedien - Zeitung
Quelle: Comoedien-Zeitung Fürth, November 2013, Seite 4
Obacht!
Der "Herr der Maden" lässt die Comödie gruseln
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VON ANDI HOCK
Er gilt als „Herr der Maden“, untersuchte Hitlers Schädel und half mit, entsetzliche Gewaltverbrechen aufzuklären: Mit Deutschlands bekanntestem Kriminalbiologen kommt am 6. Februar der wohl außergewöhnlichste Gast der vergangenen Jahre in die Comödie. Wir sprachen mit dem Spezialisten für forensische Entomologie, wie das Fachgebiet des 43-Jährigen Dr. Mark Benecke eigentlich heißt.
Sie beschäftigen sich von Berufswegen ausschließlich mit extremen Auswüchsen der menschlichen Psyche und den Folgen. Woher die Begeisterung fürs Abgründige?
MB: Ich arbeite gerne am Rand des Randes, dort, wohin keiner mehr gucken mag. Das ist besonders spannend.
Und was genau macht ein „Kriminalbiologe“?
MB: Einerseits bin ich als Spurenkundler tätig und schaue mir vor allem die Insekten an. Danach kann ich etwa sagen, wie lange das Insekt auf der Leiche gelebt hat, was den Todeszeitpunkt bestimmen helfen kann. Oder ich stelle fest, dass die Leiche zunächst nicht an der Stelle gelegen hat, wo sie gefunden wurde. Der Rest des Falles ist mir dabei vollkommen egal. Wenn es aber um den Bereich der Tatortrekonstruktion geht, hole ich mir wie ein Ermittler alle Infos. Ich notiere, fotografiere, katalogisiere. Dabei glaube ich aber erstmal nichts – nicht mal mir selbst.
Wie kann man bei all den furchtbaren Dingen, die Sie beobachten, ein normales Leben führen?
MB: Ich bin emotional ohnehin etwas stumpf. Daher betrachte ich das Ganze auch nicht von einem emotionalen Standpunkt aus, sondern rein wissenschaftlich. Wenn ich einen Tatort oder eine Leiche untersuche, habe ich keine Gefühle. Schon eher, wenn ich merke, dass bei der Aufklärung Fehler gemacht wurden und etwa die falsche Person verurteilt worden ist!.
Wie erklären Sie sich die wachsende Faszination, die offenbar von Gewaltverbrechen ausgeht? TV-Serien wie „Medical Detectives“ oder „Autopsie“, wo Sie ja auch mitgewirkt haben, sind Quotenrenner, und Ihre Vorträge sind alle voll....
MB: Ich schaue selbst nie fern. Insofern kann ich nicht beurteilen, was Erfolg oder Reiz solcher Sendungen betrifft. Aber durch sie ist natürlich die soziale Akzeptanz für Berufe wie meinen gestiegen. Und was die so genannte Faszination dafür angeht: Für die meisten Menschen fungiere ich wohl als Puffer, indem ich an einem „neutralen“ Ort – wie der Comödie Fürth – von meinen Erlebnissen berichte. Mein Publikum freut sich wahrscheinlich, dass irgendjemand den Drecksjob macht.
Was erwartet uns an Ihrem „Infotainment-Abend“ nun genau?
MB: Ein Blick auf das Ungeheuerliche. Es lohnt sich, das Tor zur Hölle mal kurz aufzureißen, um hineinzusehen. Ich mag es nicht, wenn die Leute zuhause auf dem Sofa sitzen, Chips in sich hineinstopfen und eine bessere Welt fordern. Manmuss auch mal dorthin schauen, wo es stinkt – und sich fragen, wo die eigene Verantwortung anfängt.
Empfinden Sie selbst noch so etwas wie Ekel?
MB: Nein, sonst könnte ich das ja auch nicht machen! Ich arbeite mit menschlichen Ausscheidungen aller Art – Kot, Sperma, Blut. Ich weiß nicht, was daran ekelhaft sein soll. Den Geruch von frischem Fleisch empfinde ich als genauso fies!.
Sie haben sich mit unfassbaren Fällen befasst wie dem des kolumbianischen Serienkillers Luis Garavito Cubillos, der bis zu 300 Jungen zwischen 8 und 13 Jahren getötet haben soll. Haben Sie eine Erklärung dafür, wie jemand so bösewerden konnte?
MB: Zunächst gibt es genetische Faktoren. Dann kommt die Umwelt hinzu. Bei manchen Mördern findet man wirklich das ganze Programm – Gewalt in der Familie, Alkoholismus, sexueller Missbrauch, geringe Bildung. Andere, wie etwa der norwegische Massenmörder Anders Breivik, sind lupenreine Schizophrene. Eigentlich ist also die Tat an sich das Böse und nicht der Mensch, der sie begangen hat. Wobei ich klarstellen möchte, dass ich kein Mitleid mit diesen Tätern habe. Im Gegenteil. Breivik etwa ist ein Langweiler und Totalversager, der niemals diese siebenundsiebzig Menschen hätte umbringen müssen. Ich habe viel mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu tun, die allesamt schlimme Dinge erlebt haben. Jeder einzelne von ihnen hat mehr Mumm in den Knochen als diese Typen, die immer alles auf ihre schwere Kindheit schieben! Man hat immer die Wahl.
Sie ernähren sich vegetarisch. Aus beruflichen Gründen?
MB: Nicht unbedingt. Aber ich habe ja tatsächlich viel mit Blutresten und verwestem Fleisch zu tun. Bei einem Stück Schinken sehe ich das gleiche Leichengewebe vor mir wie an einem Tatort. Das kann ich offensichtlich nicht mehr ausblenden.
Und der kleine Mark wollte niemals mit Maden zu tun haben?
MB: Nein. Aber ich war schon immer der kauzige Junge mit dem Chemie-, Physik- und Detektivkasten.
Mit herzlichem Dank an Andi Hock und die Comödien-Zeitung-Redation für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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