2014 08 Spektaris Jahrbuch Anwendungsmarkt Forensik
Quelle: Spektaris, Jahrbuch 2014, Seiten 6 bis 7
Anwendungsmarkt Forensik
Interview mit Dr. Mark Benecke
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Dr. Mark Benecke ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. In seinem forensischen Labor in Köln bekommen er und sein Team die Fälle auf den Labortisch, an denen andere sich die Zähne ausgebissen haben.
1. Welche Laborgeräte benötigen Sie für Ihre tägliche Arbeit?
Mein iPhone! Im Ernst, wir fotografieren zunehmend
mit dem iPhone durch unsere Mikroskope, die Bilder
haben eine tolle Makroauflösung durch den Tubus.
Aber das ist natürlich nicht alles. Um Proben zu
untersuchen, benötigen wir zum einen Vergrößerungsgeräte,
in den meisten Fällen analoge Lichtmikroskope.
Dazu gehören aber auch UV-Licht und
monochromatische Lichtquellen, mit denen wir
die Proben beleuchten und Sekretspuren erkennen
können, die für das bloße Auge unsichtbar sind.
Für das Spurensammeln am Tatort habe ich meine
LEICA-Kamera mit dabei und meine Taschenlampe –
laut Hersteller kann ich mich damit sogar gegen
Feinde verteidigen. Für mich wichtig ist allerdings,
dass sie ein wirklich, wirklich helles Licht macht, mit
dem ich den Tatort untersuchen kann.
2. Wie kann man sich das Labor eines Forensikers also genau vorstellen?
Ziemlich leer! In der Mitte steht ein großer Tisch, auf
dem die Proben ausgebreitet werden. In Schränken
bewahren wir die Lichtquellen und Mikroskope auf,
die nach Bedarf hervorgeholt werden. Das ganze
Labor passt in Koffer. Als wir letztes Jahr in Palermo
die Mumien untersucht haben, hatten wir unsere
gesamte Laborausstattung dabei! Man muss aber
dazu sagen, dass meine Kollegin Tina und ich sozusagen
Sherlock Holmes und Watson der Forensik
sind. Wir bearbeiten Einzelfälle, haben also keinen
hohen Probendurchsatz. Die Forensik beim BKA sieht
anders aus als beim LKA und dort wieder anders
als bei uns – jeder kann was anderes.
3. Die Hersteller von Analysen-, Bio- und Labortechnik arbeiten an Geräten, die sich einfach und intuitiv über Touchscreens bedienen lassen. Sie haben vorhin das iPhone erwähnt – diese Entwicklung müsste Sie also begeistern!
Ganz ehrlich? Bitte keine Touchscreens, keine Gummitasten,
so wenig Software wie möglich, kein USBSchnickschnack!
Touchscreens gehen schnell kaputt,
besonders bei uns, die wir viel mit Säure, pappigem
Zeugs und farbigen Lösungen arbeiten. Standards für
Hardware-Schnittstellen ändern sich alle zwei Jahre,
Software gerne sogar alle halbe Jahre. Deswegen bin
ich ein Fan von Standalone-Lösungen. Wir sind für
die Hersteller ein zu kleiner Abnehmer, zu uns verirrt
sich kein Außendienstmitarbeiter. Wenn bei dem
Gerät was nicht funktioniert, haben wir ein Problem.
4. Worauf wird bei der Beschaffung der Geräte geachtet?
Wegen der Arbeit am Tatort und dem teilweise
aggressiven oder stinkigem Probenmaterial müssen
unsere Geräte und Utensilien wetter-, säure- und
stoßfest sein. Stabilität und Zuverlässigkeit sind deswegen
die wichtigsten Kriterien. Daraus folgt zwangsläufig,
dass wir im hochpreisigen Segment, vorzugsweise
„Made in Germany“, beschaffen. Das gilt auch
bei der Probenvorbereitung und dem „Kleinkram“
wie z. B. Probengefäßen und Pinzetten (übrigens mein
Lieblingslaborutensil neben der Taschenlampe). Wir
führen DNA-Analysen nicht selber durch, sondern
bereiten die Proben entsprechend vor. Wir verschicken
sie öfters und lassen sie in einem speziellen Labor
analysieren. Die richtige und sorgfältige Probenvorbereitung
ist das A und O für ein verlässliches Analysenergebnis
und wird deswegen von mir persönlich
durchgeführt.
5. Informieren Sie sich über Produktneuheiten? Wie und wo?
Wenn es sich ergibt, gehe ich über die einschlägigen
Messen und schaue mir neue Geräte an. Fast noch
wichtiger aber ist mir das Gespräch mit anderen Nutzern
von Laborgeräten in deren Labor, sozusagen in
vivo. Ich interessiere mich immer dafür, wieso sie dieses
oder jenes Gerät für eine bestimmte Anwendung
gewählt haben. Oft stoße ich dabei auf völlig neue
Ideen, ein Gerät zu nutzen, eine Anwendung, für die
es vielleicht auch gar nicht vorgesehen war, die aber
einen ganz bestimmten Zweck ganz prima erfüllt. Wir
müssen oft sehr hemdsärmelig vorgehen und sehen,
wie wir unser Ziel mit den vorhandenen Mitteln erreichen.
Da sind die Erfahrungen anderer Nutzer Gold
wert. Das Internet zur Informationsbeschaffung spielt
bei mir keine große Rolle. Ich spreche eher direkt
den Hersteller in der Zentrale an. Nur, wenn man da
nicht weiterkommt, bestellen wir auch schon mal im
Internet, zum Beispiel die Okulare für unsere Studenten.
6. Haben Sie Ideen für eigene Geräte oder Verbesserungen?
Ja, dauernd. Wir gucken dann aber erst mal, ob es
sowas schon auf dem Markt gibt. Oder ob wir eine
eigene Lösung finden. Dass wir so etwas mit einem
Hersteller diskutieren, kommt leider viel zu selten
vor. Das liegt aber daran, dass wir Exoten sind, die
keinen Umsatz generieren.
7. Welches Gerät verdient Ihrer Meinung nach einen „Nobelpreis für Laborgeräte“?
Geräte, die robust wie Springerstiefel sind und deren
Software zu Ende getestet ist. Schlecht ist zum Beispiel:
Wir haben ein Gerät mit einem älteren Firewire-
Anschluss, das wir mit einem Adapter und der neuen
Software angeblich weiterverwenden hätten können.
Der wichtigste Bildschirmteil blieb aber schwarz und
wir konnten unser sauteures, bewusst beim Binokularhersteller
gekauftes Kamerasystem nicht mehr verwenden.
Gut ist: Wenn ein Vertreter von seinem
Unternehmen den Rückhalt hat, auch kleine Abnehmer,
wie wir nun mal einer sind, zu unterstützen.
Und dass in so einem Gespräch ein echter Kompetenzaustausch
stattfindet, kein Verkaufsgespräch,
also mit einem Außendienstler, der zutiefst versteht,
wie die Geräte und die konkreten Anwendungen
im Alltag funktionieren.
8. Welche Wünsche haben Sie an die Gerätehersteller?
Aufrichtigkeit und Kompetenz. Ich möchte mit einem
Gerät ganz einfach nur arbeiten und auch nach Kaufabschluss
noch Support bekommen und nicht Teil
einer langweiligen – oder bei US-Firmen auch aggressiven
– Firmenstrategie sein.
Mit herzlichem Dank an Birgit Ladwig und dem Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e.V. für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.