2014 04 09 Allgemeiner Anzeiger Ein Mann fuer alle Faelle
Quelle: Allgemeiner Anzeiger (Erfurt und Ilm-Kreis), 9. April 2014
Ein Mann für alle Fälle
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Interview: Jana Scheiding
Mark Benecke ist Kriminalbiologe, einer der besten seines Fachs. Sein Spezialgebiet ist die forensische Entomologie, also die Insekten, die sich auf Leichen finden. Er wird gerufen, wenn Gewalttaten als nahezu unlösbar gelten. Dann versucht er mithilfe von Fliegen und Maden Antworten zu finden.
Bei der Polizei ist er auf allen Kontinenten gefragt. Auch der russische Geheimdienst griff schon auf Beneckes Fachwissen zurück und ließ die mutmaßliche Schädeldecke und das Gebiss von Adolf Hitler untersuchen. Am 16. April hält der gefragte Wissenschaftler 19.30 Uhr einen Vortrag in der Stadthalle Arnstadt.
Was macht ein Kriminalbiologe?
MB: Kriminalbiologische und
kriminalistische Kurse und
Vorträge geben, als öffentlich
bestellter und vereidigter
Sachverständiger herangezogen
werden, um biologische
Spuren bei vermuteten Gewaltverbrechen
mit Todesfolgen
auszuwerten. Leichenbesiedlung
durch Insekten
untersuchen, um Hinweise
auf die Leichenliegezeit,
Todesursache und Todesumstände
zu geben. Wissenschaftliche
Beiträge verfassen,
an Büchern arbeiten.
Tote und das große Krabbeln - brauchen die Zuschauer am Mittwoch einen robusten Magen?
MB: Nein, ist ja keine Mutprobe,
sondern verständliche Wissenschaft.
Wenn es eklig wird,
sag ich Bescheid. Ich habe
ein paar Themen zusammengestellt,
die mal mehr und
mal weniger mit Leichen,
aber immer mit Kriminalistik
zu tun haben: Serienmord,
Insekten, Blutspuren, Gerüche.
Die Zuschauer können
sich aussuchen, was sie hören
wollen.
Wovor fürchten oder ekeln Sie sich?
MB: Leberwurst, Bratwurst,
Gulasch, Gänsebraten-Haut, Fleischwurst mit lustigem
Gesicht drin und so weiter.
Auch sonst bin ich voll die
Sissy. Ich kann nicht Auto
fahren, im FBl-Hubschrauber
musste ich mich fast übergeben.
Und geschossen habe ich
nur einmal im Leben, da war
dann mein Monitor kaputt,
weil ich das Teil falsch rum
gehalten habe.
Gibt es den perfekten Mord?
MB: Spuren zu fälschen, ist
kniffelig. Wenn man eigene
gefälschte legen will, dann
hat einen unverhofft doch
jemand beobachtet. Selbst ich
könnte keine Insektenspur so
legen, dass sehr gute Kollegen
nicht was ahnen würden.
Übrigens: Je dümmer die
Vorgehensweise, je näher am
Ziel war der Täter. Dann spielt
höchstens der Zufall mit. Für
mich ist perfekt, gar nicht
gewalttätig zu sein.
Sie waren schon fast überall auf der Welt. Haben Sie ein Lieblingsland?
MB: Ich war noch nicht in
Zentralafrika und Australien.
Besonders mag ich Kolumbien.
Die Menschen sind
freundlich, offen und sehr
sozial. Das gefällt mir.
Ist bei Ihrem Arbeitspensum noch Zeit für Privates?
MB: Über einen Aprilscherz
nachzudenken, zum Beispiel?
Aprilscherze sind nicht mein
Ding, weil ich nicht ausstehen
kann, wenn jemand
dumm da steht. Es sei denn, er
hat es sich selbst ausgedacht
und eingebrockt.
Was bedeutet für Sie Glück?
MB: Wenn ich meinen Kram erledigt
bekomme. Oder wenn
ich lange schlafen und dann
ein stinknormales Frühstück
genießen kann. Ich bin 320
Tage imJahr nicht zu Hause.
Das passiert also selten.
Was ist für Sie Verschwendung?
MB: Wenn Luxus keinem Ziel
dient, dann kann ich mich
daran erfreuen. Ich habe
etwas dagegen, Lebensmittel,
Zeit und Geld zu verschwenden.
Wenn beispielsweise
ein Oligarch aus Russland,
nun im Exil in Israel, nichts weiter tut, als zu warten, bis er
Milliarden wiederbekommt,
obwohl er schon Milliarden
besitzt. Das ist für mich
Lebenszeit-Verschwendung.
Kriminalklischees: Stirbt man, wenn man Luft in die Adern gespritzt bekommt?
MB: Nur wenn es viel ist. Eine
kleine Spritze reicht nicht
aus. Die Frau aus "Goldfinger"
stirbt, weil sie komplett mit
Gold überzogen wird und
keine Stelle zum Atmen frei
bleibt. Das ist Quatsch, aber
eine super Story. Ich bekomme
öfter Anrufe von Drehbuchautoren.
Wachsen die Nägel nach dem Tod weiter?
MB: Nein. Das sieht nur so aus,
weil die Haut darunter vertrocknet
und die Nägel
vor dem Tod auch
nicht mehr unbedingt
geschnitten
werden. Das gilt
auch für Haare.
Die größte Fehleinschätzung über Tote?
MB: Dass Leichen
giftig sind.
Mit herzlichem Dank an Jana Scheiding und die Redaktion des Allgemeinen Anzeigers für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.