2014 02 Mens health: Draufhauen ist tendenziell maennlich
Quelle: Men's Health, Februar 2014, Seiten 84 bis 86
Draufhauen ist tendenziell männlich
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INTERVIEW: BJÖRN KRAUSE
Mark Benecke sieht viele Tote. Und er kann in ihnen lesen. Der Kriminalbiologe erklärt, warum ein Mann anders tötet als eine Frau und wie der perfekte Mord ausschaut.
Herr Benecke, es heißt immer, Mörder sind meist männlich, weil sie körperlich stärker sind. Wie tötet eine clevere Frau ihren Mann?
MB: Indem sie ihn mit ihren Brüsten
erstickt. Nachdem ich von einigen
Fällen gehört hatte, die auf so
eine Art abgelaufen sind, haben
wir Experimente gemacht. Das
Ergebnis: Je größer die Brüste,
desto mehr saugen sich Mund
und Nase des Mannes fest. Am
gefährlichsten ist es, wenn die
Frau auf dem Mann sitzt, etwa
beim Geschlechtsverkehr, und sie
dann mit ihren Knien seine Arme an seinen Körper presst. Durch
den erhöhten Herzschlag in der
Erregung geht es dann schnell.
Wir haben dieses Experiment jedoch
schon nach 20 Sekunden
abgebrochen, da der Proband in
die Sauerstoffunterversorgung
gekommen ist, ohne dass er es
bemerkt hätte. Der hatte schon
alle Anzeichen einer Erstickung:
rote Punkte, geplatzte Kapillaren,
rote Halskrause und so weiter.
Wenn man in so einer Situation
auch noch Alkohol getrunken
und Herz-Kreislauf-Probleme hat,
geht's vermutlich noch schneller.
Töten Frauen ihre bessere Hälfte aus anderen Gründen als Männer?
MB: Bei typischen Beziehungsmorden
gibt es da einen grundsätzlichen
Unterschied: Ein Mann bringt die
Partnerin in der Regel deshalb
um, weil sie ihn für einen anderen
verlassen hat. Dann sagt sich der
Mann: Ich will nicht, dass mein
Besitz, mein Eigentum und mein
Geld irgendein anderer kriegt.
Männern geht es also vor allem darum, dass sie viel Energie und
Ressourcen in etwas investiert
haben, das ganz plötzlich keinen
Nutzen mehr für sie hat. Frauen
dagegen machen so etwas nicht
wegen irgendwelcher Ressourcen,
sondern eher deshalb, weil
sie den Alten einfach loswerden
wollen. Wo wir gerade dabei sind:
Frauen gehen genauso oft fremd
wie Männer. Das wissen wir von
Privatdetektiven. In Statistiken
ist das aber verzerrt, weil sie oft
nicht erwischt werden. Weil sie's
ganz einfach schlauer anstellen.
Ist es möglich, dass ein Täter alle seine Spuren beseitigen kann?
MB: Nein. Jeder Mensch hinterlässt
immer unglaublich viele Spuren.
Ich arbeite mit so genanntem
monochromatischem Licht mit
unterschiedlichen Wellenlängen.
Das kann ich als Taschenlampe
oder als UV-Licht nutzen. Durch
Spezialbrillen, die ich trage, wird
das Licht zusätzlich polarisiert,
und damit kann ich alles sehen.
Auch dann, wenn an einem Tatort ordentlich geschrubbt wurde?
MB: Auch dann. Allerdings putzen
die Menschen auch schlecht, vor
allem die Männer - die kennen
nämlich keine Unterseiten von
Lampen, Waschbecken, Tischen.
Unten existiert für die nicht. Der
Durchschnittsmann schneidet
sich auch nicht die Zehennägel.
Ist irgendwie zu weit weg. Wie
oft ich männliche Leichen mit ungeschnittenen Zehennägeln
sehe, ist wirklich unvorstellbar.
Die sind meistens so lang, dass
davon die Socken kaputtgehen.
Stimmt es, dass Sie Ihre eigene Wohnung gerne mit Blut besudeln und dann scheintote Studenten durch sämtliche Zimmer zerren?
MB: Ich lade regelmäßig Studenten
zu mir nach Hause ein. Meistens
verteilen wir Schweineblut, das
wir vom Metzger besorgt haben.
Letztes Jahr haben Studenten
für eine solche Aktion sogar ihr eigenes Blut verwendet. Fanden
sie irgendwie gut. Und hinterher
putze ich dann, das macht mir
Spaß. Solche Experimente sind
wichtig, denn anhand der Blutspuren
lässt sich vieles ableiten.
Nennen Sie ein Beispiel, bitte!
MB: Die Blutspuren sind bei jeder
Tat einmalig, folgen aber einem
bestimmten Prinzip. Man kann
anhand von Experimenten, die
einer allgemeinen Regel folgen,
zum Beispiel den Auftreffwinkel
von Blutspritzern ausrechnen, ob sie also von schräg oben oder
von der Seite gekommen sind oder
um welche Menge es sich
handelt. Wir hatten einen Fall,
bei dem ein Mann heimtückisch
seine Frau in einen Neubau gelockt
und ihr da dann mit einem
Leitungsrohr auf den Kopf geschlagen
hat. Dabei entstanden
ganz feine Abrissspritzer, die
umherflogen. Die kommen nicht
von der Wunde, die reißen beim
Schwingen von der Waffe ab. Je
stärker zugeschlagen wird, desto
weiter fliegt das Blut. Berserkerhaftes
Draufhauen und auch die
Wahl des Tötungsinstruments
sind dabei tendenziell männlich.
Frauen sind also doch zu schwach?
MB: Mit Kraft hat das gar nicht so
viel zu tun. Biologisch können
die Frauen zwar nicht so schnell
so viel Kraft aus ihren Muskeln
aktivieren wie Männer. Frauen
können jedoch kurzzeitig ungeheure
Kräfte mobilisieren und
zum Beispiel ein Auto ein wenig
hochheben, wenn etwa ihr Kind
darunter liegt. Um jemanden zu
töten, würde es locker reichen.
Wenn Sie zu einem Tatort fahren, schauen Sie sich die Maden an.
Was verraten Ihnen die Viecher?
MB: Aus dem Alter vorgefundener
Maden kann ich errechnen, wie
lange ein toter Körper schon da
gelegen haben muss. Die Leiche
ist sozusagen die Totenuhr, und
die Larven darin sind so ähnlich
wie Stunden- und Minutenzeiger.
Die verschiedenen Arten geben
je nach dem Zustand der Leiche
die Stunden an, und die Größe
der Larven steht für die Minuten.
Sie können tote Tauben und Ratten aus größerer Entfernung riechen. Wofür ist das gut?
MB: Das kann in meinem Job schon
hilfreich sein. Ich hatte mal einen
Fall, da war Leichenflüssigkeit
von einem Mann in den Estrich
eingezogen. Ich habe dann am
Boden gerochen - und konnte
angeben, wie tief und wie breit
die Flüssigkeit gesickert war.
Das war für die Renovierungsarbeiten wichtig. Im Prinzip ist
es wie beim Weinkenner, nur dass
ich am Geruch unterschiedliche
Fäulnisstadien erkennen kann.
Unterscheidet sich der Geruch von toten Männern und Frauen?
MB: Nein. Wenn die Fäulnis einsetzt,
sich also das Gewebe auflöst,
das Fett ausläuft und die Eiweiße
sich zersetzen, dann entstehen
Substanzen, die relativ ähnlich
riechen. Was den Geruch angeht,
sind wir also im Tod alle gleich bis
auf eine einzige Ausnahme ...
Und welche wäre das?
MB: Wenn es nach totem Hähnchen
riecht, dann ist es meistens auch
eins. Menschen, Pferde, Kühe,
Ratten, Tauben, sie alle riechen
ähnlich. Nur das tote Hähnchen,
das riecht auch nach Hähnchen.
Beschreiben Sie uns doch bitte einmal den Geruch des Todes.
MB: Er ist auf jeden Fall nicht süsslich,
nie! Das gibt es nicht. Das steht
aber überall und das berichten
Menschen, die Leichen gerochen haben. Grundsätzlich kommt es
auf den Zustand des Leichnams
an. Bei frischen, zerstückelten
Leichen riecht es wie bei einem
Metzger. Ist ja im Prinzip auch
dasselbe: Muskeln, Fett, Haut,
Gewebe und Blut. Mumifiziertes
Gewebe hat eine muffige Note.
Wegen des Ammoniaks, der bei
der Eiweißzersetzung entsteht,
kann es auch stechend riechen.
Oder würgend, nach Essig- und
Buttersäure. Und dann gibt es
noch Noten von altem Käse oder
von Kot, wenn die Leiche etwa
in einer Tonne oder einem engen,
dicht verschlossenen Sack lag.
Wie werden Leichen üblicherweise von den Tätern entsorgt?
MB: Dazu ein Beispiel aus einem Fall,
in dem ein Ehepaar einen toten
Onkel wegschaffen wollte. Den
Kopf und die Hände hatten sie
in einen Kohleofen gesteckt und
verbrannt, die restlichen Körperteile
in Säcke gesteckt und rausgeschafft.
Als beide geschnappt
wurden, hat die Frau die Asche
aus dem Ofen in ein Säckchen getan, das sie an der Innenseite
ihres Rocks versteckte - weil sie
fürchtete, wir könnten sogar anhand
der Asche etwas erkennen.
Was lässt sich daraus ableiten?
MB: Wenn Männer ein Problem haben,
wollen sie immer gleich eine
Lösung. Ich habe es mehrmals
erlebt, dass jemand eine Leiche
in einem zusammengerollten
Teppich weggebracht hat. Frauen
handeln eher vorausschauend,
versuchen, was Intelligentes zu
machen. Das ist wohl ein Grund,
weshalb es sehr wenige Fälle
gibt, in denen Frauen eine Leiche
überhaupt beseitigen müssen.
Lässt sich daraus schließen, dass Männer eher im Affekt handeln?
MB: So wie wir Männer den Affekt
verstehen, schon - so wie Frauen
ihn verstehen, eher nicht. Eine
Frau würde zum Beispiel sagen:
Mein tiefes Empfinden, dass ich
jetzt in dieser Sache habe, ist so
groß wie Berlin-Brandenburg das
rechtfertigt diese Handlung,
und das muss jeder verstehen.
Ein Mann aber würde den Affekt
und den Impuls pragmatischer
formulieren. Er würde sagen: Die
hat mich immer mies behandelt,
und dann, an dem Tag, hat die
mir auch noch gesagt, dass ich
einen kleinen Schwanz habe, da
sind mir die Sicherungen durchgebrannt.
Das Emotionale trifft
auf das Pragmatische. Selbstverständlich
sind es beides tiefe
Emotionen und echte Affekte,
nur unterschiedlich empfunden.
Ist eine Frau in der Lage, einen Mann im Affekt zu erschlagen?
MB: Interessanterweise haben wir
erst vor Kurzem im Rahmen einer
Tagung in den USA eine Sitzung
mit Expertinnen gehabt, die dort
vor allem den Männern erklärten,
dass Frauen ebenso gewalttätig
sein können, wenn sie zu Waffen
den gleichen Zugang hätten.
Frauen sind nicht grundsätzlich
heimtückische Vergifter. Frauen
sind nicht nur genauso gute
Führungskräfte wie Männer, sie
sind auch ebenso gute Mörder.
Mit herzlichem Dank an Björn Krause und die Men's Health-Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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