2014 01 Yps: Der Herr der Maden
Quelle: Yps, Heft 1263 (01/2014), Seiten 34 bis 36
Der Herr der Maden
Dr. Mark Benecke im Interview
[Mehr von MB] [Artikel über MB]
Interview: Andreas Hock
Er gilt als „Herr der Maden“, untersuchte Hitlers Schädel und half mit, entsetzliche Gewaltverbrechen aufzuklären: Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke (43) ist Spezialist für forensische Entomologie, wie das Fachgebiet des 43-Jährigen eigentlich heißt, Experte für das Abwegige und erklärter Yps-Fan.
Yps:
Was
sind
Ihre
Erinnerungen
an
Yps?
MB: Dr.
Mark
Benecke:
Ich
bin
immer
zum
Kiosk
getigert
und
habe
mir
alle
Hefte
gekauft!
Nur
eine
Zeitlang
hatte
ich
einen
Groschen
zu
wenig
Taschengeld
und
konnte
nur
jedes
zweite
Yps
kaufen.
Ein
Drama!
Irgendein
Lieblings-Gimmick?
MB: Eigentlich
mochte
ich
alles.
Nur
manchmal
habe
ich
mich
geärgert,
wenn
etwas
nicht
funktionierte.
Etwa
der
Windmesser
fürs
Fahrrad.
Das
war
Plastik-‐Schrott.
Hat
Yps
Ihren
weiteren
Berufsweg
denn
irgendwie
beeinflusst?
MB: Ich
denke
schon.
Denn
alles,
was
ich
heute
gerne
mache,
kam
da
schon
vor:
messen,
tüfteln,
forschen.
Yay!
Sie
beschäftigen
sich
praktisch
ausschließlich
mit
den
extremen
Auswüchsen
der
menschlichen
Psyche
und
ihren
Folgen.
Woher
die
Begeisterung
fürs
Abgründige?
MB: Ich
arbeite
einfach
gerne
am
Rand
des
Randes,
dort,
wohin
keiner
mehr
gucken
mag.
Das
finde
ich
besonders
spannend.
Was
genau
macht
eigentlich
ein
„Kriminalbiologe“?
MB: Zweierlei
Sachen.
Einerseits
bin
ich
als
Spurenkundler
tätig
und
schaue
mir
vor
allem
die
Insekten
an.
Danach
kann
ich
beispielsweise
sagen,
wie
lange
das
Insekt
auf
der
Leiche
gelebt
hat,
was
den
Todeszeitpunkt
bestimmen
helfen
kann.
Oder
ich
stelle
fest,
dass
die
Leiche
zunächst
nicht
an
der
Stelle
gelegen
hat,
wo
sie
gefunden
wurde.
Der
Rest
des
Falles
ist
mir
dabei
vollkommen
egal.
Wenn
es
aber
um
den
Bereich
der
Tatortrekonstruktion
geht,
hole
ich
mir
wie
ein
Ermittler
alle
möglichen
Infos
heran.
Dann
rede
ich
mit
jedem,
der
irgendetwas
Relevantes
wissen
könnte.
Ich
notiere,
fotografiere
und
katalogisiere.
Dabei
glaube
ich
aber
erstmal
gar
nichts
–
nicht
einmal
mir
selbst.
Und
wie
kann
man
bei
all
den
furchtbaren
Dingen
noch
ein
halbwegs
normales
Leben
führen?
MB: Ich
betrachte
ich
das
Ganze
nicht
von
einem
emotionalen
Standpunkt
aus,
sondern
eher
rein
wissenschaftlich.
Wenn
ich
einen
Tatort
oder
eine
Leiche
untersuche,
dann
habe
ich
dabei
keine
Gefühle.
Schon
eher,
wenn
ich
bemerke,
dass
bei
der
Aufklärung
eines
Falles
Fehler
gemacht
wurden
und
etwa
die
falsche
Person
verurteilt
worden
ist!
Kriegen
Sie
denn
nach
Feierabend
die
Bilder
aus
dem
Kopf?
MB: Ich
hasse
Feierabend,
Urlaub
und
dergleichen.
Außerdem
habe
ich
zum
Glück
als
Bilder
nur
die
Räume
oder
Wege
der
Tatorte
im
Kopf,
weiter
nix.
Sonst
wäre
es
in
der
Tat
ein
bisschen
anstrengend.
Wenn
der
kleine
Yps-Leser
Mark
gewusst
hätte,
was
der
große
Dr.
Benecke
später
macht
–
was
hätte
der
gedacht?
MB: Et
is,
wie
et
is...
Wie
erklären
Sie
sich
die
wachsende
Faszination,
die
von
Gewaltverbrechen
ausgeht?
TV-Serien
wie
„Medical
Detectives“
oder
„Autopsie“,
wo
Sie
ja
auch
mitgewirkt
haben,
sind
Quotenrenner,
und
Ihre
Vorträge
sind
voll....
MB: Ich
schaue
selbst
nie
fern.
Insofern
kann
ich
nicht
beurteilen,
was
den
Erfolg
oder
den
Reiz
solcher
Sendungen
betrifft.
Aber
durch
sie
ist
natürlich
schon
die
soziale
Akzeptanz
für
Berufe
wie
meinen
gestiegen.
Und
was
die
so
genannte
Faszination
dafür
angeht:
Für
die
meisten
Menschen
fungiere
ich
wohl
als
Puffer,
indem
ich
an
einem
„neutralen“
Ort
von
meinen
Erlebnissen
berichte.
Mein
Publikum
freut
sich
wahrscheinlich,
dass
irgendjemand
den
Drecksjob
macht.
Oder
manche
Zuschauer
haben
selbst
einen
seltsamen
Todesfall
erlebt
und
wollen
wissen,
wie
dann
vorgegangen
wird.
Was
erwartet
denn
Ihre
Zuschauer
an
einem
solchen
Abend?
MB: Mark
Benecke:
Ein
Blick
auf
das
Ungeheuerliche.
Es
lohnt
sich,
das
Tor
zur
Hölle
mal
kurz
aufzureißen,
um
hineinzusehen.
Ich
mag
es
nicht,
wenn
die
Leute
zuhause
auf
dem
Sofa
sitzen,
Chips
in
sich
hineinstopfen
und
dabei
eine
bessere
Welt
fordern.
Man
muss
auch
mal
dorthin
schauen,
wo
es
stinkt
–
und
sich
fragen,
wo
die
eigene
Verantwortung
anfängt.
Nämlich?
MB: Mark
Benecke:
In
meinem
Fall
dort,
wo
Gewalttäter
etwas
tun,
das
nur
sie
selbst
erklären
können.
Bevor
dieses
Wissen
einfach
untergeht,
muss
ich
doch
die
Möglichkeit
ergreifen,
das
zu
erhalten
und
Schlüsse
daraus
ziehen.
Empfinden
Sie
selbst
noch
so
etwas
wie
Ekel?
MB: Nein,
sonst
könnte
ich
das
Ganze
ja
auch
nicht
machen!
Ich
arbeite
mit
menschlichen
Ausscheidungen
aller
Art
–
Kot,
Sperma,
Blut.
Ich
weiß
nicht,
was
daran
ekelhaft
sein
soll.
Den
Geruch
von
frischem
Fleisch
–
etwa
beim
Metzger
–
empfinde
ich
als
genauso
fies!
Und
Angst?
MB: Höchstens
vorm
Autofahren
oder
vor
einem
Hubschrauberflug.
Ich
bin
nicht
besonders
mutig,
aber
das
hat
mit
meiner
Arbeit
nichts
zu
tun.
Sie
haben
sich
zum
Beispiel
auch
mit
dem
kolumbianischen
Serienkiller
Luis
Garavito
Cubillos
befasst,
der
300
Jungen
zwischen
8
und
13
Jahren
getötet
haben
soll.
Haben
Sie
eine
Erklärung
dafür,
wie
jemand
so
böse
werden
konnte?
MB: Zunächst
gibt
es
genetische
Faktoren.
Dann
kommt
noch
die
Umwelt
hinzu.
Bei
manchen
Mördern
findet
man
wirklich
das
ganze
Programm
–
Gewalt
in
der
Familie,
Alkoholismus,
sexueller
Missbrauch,
geringe
Bildung.
Andere
sind
lupenreine
Schizophrene.
Eigentlich
ist
also
die
Tat
an
sich
das
Böse
und
nicht
der
Mensch,
der
sie
begangen
hat.
Wobei
ich
klarstellen
möchte,
dass
ich
kein
Mitleid
mit
diesen
Tätern
habe,
im
Gegenteil.
Ich
habe
viel
mit
traumatisierten
Kindern
und
Jugendlichen
zu
tun,
die
allesamt
schlimme
Dinge
erlebt
haben.
Jeder
einzelne
von
ihnen
hat
mehr
Mumm
in
den
Knochen
als
diese
Typen,
die
immer
alles
auf
ihre
schwere
Kindheit
schieben!
Man
hat
immer
die
Wahl.
Ist
die
Welt
böser
geworden?
MB: Eigentlich
ist
die
Welt
durch
die
ständige
Vernetzung
und
den
internationalen
Informationsaustausch
sogar
besser
geworden:
Je
mehr
kulturellen
Kontakt
die
Menschen
haben,
desto
toleranter
sind
sie
im
Grunde.
Einzig
durch
sozioökonomische
Umstände
wird
das
Aufkommen
von
Straftaten
gesteigert.
Sie
ernähren
sich
vegetarisch.
Aus
beruflichen
Gründen?
MB: Nicht
unbedingt.
Aber
ich
habe
ja
tatsächlich
viel
mit
den
detaillierten
Überbleibseln
von
Gewalt
zu
tun,
etwa
mit
Blutresten
und
verwestem
Fleisch.
Im
Klartext:
Bei
einem
Stück
Schinken
sehe
ich
das
gleiche
Leichengewebe
vor
mir
wie
an
einem
Tatort.
Das
kann
ich
offensichtlich
nicht
mehr
ausblenden.
Was
kurios
ist:
Ursprünglich
wollte
ich
eigentlich
Koch
werden!
Sie
wollten
also
niemals
mit
Maden
zu
tun
haben?
MB: Nein.
Aber
ich
war
schon
immer
der
kauzige
Junge
mit
dem
Chemie-‐,
Physik-‐
und
Detektivkasten.
Und
mit
Yps
natürlich.
Mit herzlichem Dank an Andreas Hock und die Yps-Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.