2014 01 29 WAZ: Wie waere es mal mit Alien - Autopsie
Quelle: WAZ (Gladbeck), 29. Januar 2014
Wie wäre es mal mit Alien-Autopsie?
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Interview: Svenja Suda
Wo andere sich mit Schaudern abwenden, sieht er erst recht und ganz genau hin. Der Mann ekelt sich nach eigener Aussage vor nichts. Oder? „Doch, vor Leberwurst und überhaupt allen Sorten Hackfleisch, Würstchen & Co.“, ergänzt Dr. Mark Benecke, weltweit renommierter Kriminalbiologe und einem großen Publikum bekannt. Spitzname: „Herr der Maden“. Die Käsefliegenmaden erkor er sich zu seinen Lieblingsmaden. Denn er findet sie lustig, „weil die springen können und sich vorher wie ein Croissant zusammenkrümmen.“ Seine Zuhörer finden es hingegen fesselnd, wenn Benecke aus seinem Labor plaudert; denn er versteht es, auch komplizierte Zusammenhänge und Techniken verständlich zu vermitteln. Die WAZ sprach mit ihm . . .
Als ich mit Ihnen wegen eines Termins Kontakt aufgenommen habe, waren Sie im Zug unterwegs. Wohin ging’s?
MB: Dr. Mark Benecke: Ich war auf einer Vortragstour, und an diesem Tag hatte ich einen Termin in Schwerin.
Sie reisen viel durchs In- und Ausland. Zudem haben Sie Ihre Arbeit im Labor. Das klingt nicht nach einer 35-Stunden-Woche...
MB: Ich habe einen Zwölf-Stunden-Tag, auch am Wochenende.
Am 31. Januar sind Sie wieder einmal in Gladbeck zu Gast. Und wie immer gehen die Karten für diese Veranstaltung der Volkshochschule im Handumdrehen weg. Wie erklären Sie sich dieses enorme Interesse an Ihrer Arbeit?
MB: Ich denke, dass Menschen sich für die Dinge interessieren, mit denen sie in Berührung kommen, aber nur wenige Informationen erhalten können, eben auch Verbrechen. Sie wollen wissen, wie das funktioniert, einen Fall aufzuklären. Ich zeige auch, dass es oft klappt, aber eben nicht immer.
Manche Wissenschaftler halten überhaupt nichts davon, dass ihr Fach publikumstauglich aufbereitet wird. So hat beispielsweise Guido Knopp mit seinen historischen Beiträgen für das Fernsehen nicht nur Lob geerntet. Und auch Sie vermitteln ihre Arbeit populärwissenschaftlich. Der Wissenschaftler im Kittel, der abgeschottet von der übrigen Welt forscht, ist out?
MB: Den Stereotypen im verstaubten Kittel, der ex cathedra seine Erkenntnisse verkündet, gibt’s bei uns nicht mehr. Ehrlich gesagt: Manche wissenschaftlichen Kollegen kriegen es nicht auf die Reihe, etwas ohne Fremdwort zu erklären. Aber die Menschen wollen zu Recht Transparenz. Wissenschaftler können nicht hingehen und Wissen verwalten.
Ihr Publikum in Gladbeck darf selber Themen wählen, auf die es Antworten von Ihnen erwartet . . .
MB: Ja, ich zeige eine Liste von Themen. Da sind ein paar ganz obskure da- runter, die fast nie gewählt werden wie Alien-Autopsie. Die Untersuchung von Hitlers Schädel und Zähnen ist ebenfalls selten gefragt. Ich ermuntere die Leute, Fragen zu stellen. Jeder, der fragt, kriegt eine Belohnung, meistens Kölnisch Wasser. Eigentlich war bei jedem meiner Vorträge wenigstens eine unerwartete, ausgezeichnete Frage aus dem Publikum dabei.
Sie haben einmal in einem Interview gestanden, dass Sie leicht zwanghaft sind, unheimlich gerne Sachen sortieren. Würden Sie sich selbst als Kontrollfreak bezeichnen?
MB: Ich würde eher sagen, ich bin penibel, aber nur aus Effizienzgründen.
Was würden Sie als Hauptvoraussetzung für Ihren Beruf bezeichnen?
MB: Als Naturwissenschaftler an einem Tatort muss man wie ein zweijähriges Kind sein; für das ist alles mögliche interessant. Und man muss vor allem wirklich offen sein!
Sein größter Wunsch: eine Stiftung
Benecke würde gerne Infrastruktur zur Prävention sexueller Gewalt einsetzen
Wer in TV-Serien sieht, wie Kriminalfälle aufgeklärt werden, entwickelt eine Vorstellung von dieser Arbeit. Wie sieht die Realität aus?
Wer bezahlt Ihre Arbeit?
MB: Immer der Auftraggeber. Wenn also die Polizei etwas beauftragt, zahlt die Staatskasse, und die ist knauserig. Anderenfalls Privatleute oder Nebenkläger. Bei einer Sachverständigentagung habe ich von Kollegen gehört: „Nett, dass Du das machst. Wir würden’s nicht tun.“
Eine goldene Nase verdient man sich nicht als Kriminalbiologe?
MB: Nein, ich habe kein Auto, nichts.
Gibt’s da nicht ein großes Interesse von jungen Leuten, Berufe auf diesem Sektor zu ergreifen?
MB: Ja, erst sagen sie: Ich will das auch werden, total geil. Aber ich bin, glaube ich, der einzige freiberufliche Kriminalbiologe in Deutschland. Und seit 20 Jahren habe ich nicht einen Nachwuchskollegen auf der ganzen Welt gefunden. Ich kenne einen einzigen Kollegen in der Schweiz, und der ist Beamter.
Woran liegt’s, dass junge Leute abspringen? An der Bezahlung?
MB: Eindeutig ja! Das liegt nur am Geld. Die heutigen Studierenden haben Career-Planning im Kopf.
Wenn Sie sich mit einem Fingerschnippen einen Wunsch erfüllen könnten, welcher wäre das?
MB: Eine Stiftung! Ich würde eine Infrastruktur zur Spurensicherung und zur Prävention sexueller Gewalt einsetzen. In den USA gibt es schon Forensic Nurses. Sie sind speziell ausgebildet und können rechtzeitig Spuren sichern, sie stecken schon in der Notaufnahme beispielsweise den Slip eines Opfers in die richtige Tüte. So etwas aufzubauen, das würde ich gerne endlich mal umfassend machen.
Mit herzlichem Dank an Svenja Suda und die Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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