2013 04 Lausebande: Was ist schon pädagogisch wertvoll
Quelle: Lausebande, April 2013, Seiten 29 bis 30
"Was ist schon pädagogisch wertvoll?"
"Interview mit Kriminalbiologe Mark Benecke"
[Weitere Interviews mit MB]
[Weitere Artikel von MB]
Interview: Coline Erdmann (zwei helden)
Mark Benecke ist Deutschlands bekanntester
Kriminalbiologe. Der coole Familienvater
hat im vergangenen Jahr das ebenso coole
Experimentierbuch "Das haut dem Frosch die Locken
weg" veröffentlicht. Mit dem zugehörigen Showprogramm,
aber auch seiner Show für die "Großen",
kommt er im Oktober nach Cottbus.
Viele Leute können sich unter Ihrem Beruf kaum etwas vorstellen. Wie sieht Ihre Berufsrealität aus?
Ich untersuche Fälle, die andere, Privatleute oder
staatliche Stellen und andere, sehr merkwürdig oder
schräg finden und die in irgendeiner Sackgasse ge·
landet sind. Wir sehen uns Akten und Spuren an und
versuchen, mit Leuten zu reden, die noch irgendet·
was wissen. Dann versuchen wir zusammenzuführen,
was da passiert sein könnte, welche Alternativen
möglich wären.
Ihr spannendster Fall?
Ich finde alle Fälle gleich spannend.
Sie sind Kriminalbiologe und haben schon ziemlich üble Sachen gesehen. Haben Sie Ihr Experimentierbuch für Kinder zum Ausgleich geschrieben?
Nee, das hat damit gar nichts zu tun. Das Wichtigste
bei unserer Arbeit ist ja, wie ein Kind zu denken und
alles auf das absolut Grundlegende herunterzubrechen.
Kinder können das direkt, da sie automatisch
an die einfachste und sinnvollste Lösung denken. Ich
habe als Kind auch gerne experimentiert. Gute Experimentierbücher
gibt es nicht viele. Also, doch, es gibt
viele, aber die sind so pädagogisch. Das mag ich nicht
so sehr. Deswegen habe ich das aus Spaß gemacht,
als der Verlag mich gefragt hat. Das Buch ist zum
Rumprobieren da und soll nicht künstlich Fröhlich
keit oder gesteuertes Interesse erzeugen.
Wird bei Ihnen zu Hause auch experimentiert?
Ja, na klar, die ganze Zeit.
Ist Ihre Arbeit zu Hause Thema? Ekeln sich Ihre Kinder vor Maden, Fliegen, Würmern?
Nein, die finden das alle ganz gut. leh habe Fauchschaben
als Haustiere. Das sind Schaben, die fauchen
können. Das ist ungewöhnlich, aber soweit ich das
beurteilen kann, finden das alle gut.
Kinder sind leicht zu begeistern - wie kann man EItern zum Experimentieren bringen?
Kinder sind aber auch schnell gelangweilt und finden
schnell Sachen bescheuert. Sie sind leicht zu begeistern,
wenn man etwas cooles macht und sie ernst
nimmt. Wenn man das pädagogisch macht, sind sie
schnell gelangweilt. leh bin jemand, der sagt, "So, wir
machen das jetzt. Egal, ob es Quatsch ist oder stinkt."
Eltern machen mit, wenn die Kinder mitmachen.
Ihr Lieblingsexperiment?
Ich habe kein Lieblingsexperiment. Die Fliegen anlocken,
finde ich cool. Aber ich finde die alle gut. Für
das Buch haben wir ja aus einer riesigen Auswahl
ausgesucht. Gestrichen wurde, wie man eine Atombombe
baut und wie man LSD synthetisiert. Es geht
bei dem Buch darum, rumzufummeln und zu probieren.
Ob das pädagogisch wertvoll ist? Das weiß man
doch vorher nicht, was hinterher wertvoll ist, wer
etwas daraus lernt. Ob später jemand Forscher wird
und mit seinen Kindern selber coole Sachen macht.
Mir ist das scheißegal, was wertvoll ist und was nicht..
Warum ist Haut magnetisch?
Das sollen die Kinder mal ausprobieren, dann werden
sie sehen, warum das so ist oder so zu sein scheint.
Und unter welchen Bedingungen das funktioniert.
Das ist zum Rumspielen.
Was denken Sie, warum wird in der Schule und im Kindergarten so wenig praktisch Wissenschaft vermittelt, wo es doch augenscheinlich mit einfachen Mitteln unterhaltsam gemacht werden kann?
lch kann das gar nicht beurteilen. Ich habe schon lange
keinen Schulunterricht mehr gesehen. Aber die Ge·
räte, die ich da gesehen habe, waren schon sehr geil.
Zum Beispiel Pendel, wo man sehen kann, dass die
Pendelbewegungen schnell chaotisch werden.
Da fragst du auch den Falschen. Wir haben bei uns in der
Schule mal eine Umfrage gemacht, wer Chemie gut
findet und ich war der Einzige, der sich gemeldet hat.
Aber ein Problem ist, dass Naturwissenschaftler sich
mehr mit Dingen beschäftigen, als mit Menschen und
deren Gefühlen. Das kann im Unterricht vielleicht trocken
wirken. Ich weiß nicht, ob das auch für LehrerInnen
noch gilt. Vielleicht liegt das in der Natur der
Sache, vielleicht ist der Unterricht an vielen Schulen
aber auch wirklich gut.
Sie haben auch ein Bilderbuch für Kinder herausgebracht ("Wo bleibt die Maus"), in dem man sehen kann, wie aus einem toten Tier Maden werden. Gab es negative Reaktionen von Eltern?
Bis jetzt nicht. Das war auch relativ unproblematisch
mit dem Verlag (Sauerländer, Anm. d. Red.), ein sehr
guter Kinderbuchverlag. Deshalb gab es bei Buchhandlungen
kein Problem. Es stand nicht im Verdacht,
sich lustig zu machen. Bis jetzt hat sich noch
keiner beschwert - oder die Leute sagen es uns nicht.
Sie kommen im Oktober nach Cottbus. Hier wurden Sie als Terrorist niedergeknüppelt - freuen Sie sich trotzdem auf den Kinderquatsch?
Ja, äh, es ist immer spannend. Also am Bahnhof. An
sich finde ich die Stadt super. Ich kenne dort mittlerweile
auch mehrere Leute, die sind alle total cool.
Deswegen passt das schon, aber am Bahnhof ist mir
immer etwas mulmig.
Was können die kleinen und großen Zuschauer von ihrem Experimentierprogramm erwarten? Gibt es einen direkten Bezug zwischen Show und "Das haut dem Frosch die Locken weg"?
Ich räume immer das zusammen, worauf ich gerade
Bock habe. Da sind ein paar Experimente aus dem
Buch dabei, aber auch welche, die nicht drin stehen.
Ich will nicht die Sendung mit der Maus machen.
Die Kinder sollen sich das anschauen und können
zu Hause selbst probieren. Ich will zeigen "Nur Mut,
macht was, notfalls mit euren Eltern, fummelt einfach
mal rum." Ich erkläre auch nicht viel. Wer Lust
hat, darf gleich mitmachen. Die Kinder kloppen sich
da normaler Weise drum, wer mitmachen darf, aber
wenn keiner will, mache ich das auch alleine. Ich
habe da auch alleine Spaß dran.
Ein Themenwechsel zum Ende: Sie sind ein Freund von Körperschmuck - dürfen Ihre Kinder sich tätowieren lassen?
Ganz ehrlich? Mir ist das egal. Piercen ist ein Thema,
Tätowieren ein anderes. Tattoos sind für Erwachsene.
Da sollte eine Bedeutung dahinter stecken, zu der
man auch den Rest des Lebens stehen kann. Das ist
wohl besser, wenn man das als Erwachsener macht.
Als Kind und Jugendlicher entwickelt man sich noch
stark. Man sollte innerlich erwachsen sein. Das ist in
der Regel mit 18, bei anderen mit 80.
Mit herzlichem Dank an Coline Erdmann und die Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.