1995 03 Die Zeit: Vom Schneck zum Schreck: Difference between revisions

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'''Eine Entdeckung: Der Gruselautor Edgar Allen Poe schrieb zuerst ein wissenschaftliches Schneckenbuch'''<br>
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Auf einer Buchauktion in Braunschweig
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Schriften aus vergangenen Zeiten ein
Büchlein auf, dessen Wert auf stolze 2800 Mark
geschätzt wurde. Zum Vergleich: Der "Atlas zu
Humboldts Kosmos" war für die Hälfte und Darwins
"Gesammelte Werke" von 1881 gar für ein
Siebtel dieses Betrages zu haben. Der enorme
Preis rührt von der unter Antiquaren bekannten
Regel her, daß sich ein Buch um so teurer verkaufen
läßt, je außergewöhnlicher es ist. Das Besondere
an dem Auktionsstück ist neben seiner Seltenheit
nichts anderes als der Name seines Autors.
Edgar Allan Poe, der zu Beginn des letzten
Jahrhunderts lebte, verfaßte 1839 dies malakologische
Buch mit dem Titel "The Conchyologist's
first book or, a system of testateceous malacology".
Die damals üblichen Erweiterungen des
Textkopfes münden im Versprechen, "so genau
als irgend möglich dem gegenwärtigen Stand der
Wissenschaft gerecht zu werden und zudem mit
einer großen Anzahl neuer Arten" aufzuwarten.
Diese selbstgestellten Anforderungen scheint das
Buch erfüllt zu haben: Bereits im folgenden Jahr
wurde eine weitere, nicht merklich veränderte
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Poe war bemüht, ein so anschauliches wie präzises
Werk zu verfassen. So erklärt sich auch der
umständliche Titel "Malakologie der Testazeen":
Der sinngleiche Begriff "Conchyologie" war Poe
zu sehr einer altertümlichen Vorstellung von
Schalentieren verhaftet, die beschalte Weichtiere (Mollusken) mit Krebsen zusammenlegt. Daß das
Buch trotz aller Sorgfalt mehrere zoosystematische
Fehleinordnungen enthält, darf ihm als zeitgebundener
Mangel nachgesehen werden.<br>


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Obwohl das Werk ein Schul- und Lehrbuch ist,
schlägtPoes Dichterseele durch. In der Einleitung
" etwa weist der Autor darauf hin, daß sich dem
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Pfad Einsichten über den göttlichen Plan und
das allmächtige Wohlwollen" ergeben würden.
Poe dramatisiert hier und führt zugleich einen Seitenhieb
gegen jene, die Schneckenkunde bloß als
Sammelleidenschaft verstehen. Sein Buch gibt
einen Überblick über wasserlebende Schnecken
und einige andere gehäusetragende Tiere wie Muscheln
oder Tintenfische. Unter den auf zwölf Tafeln
abgebildeten, gut zweihundert Gehäusen findet sich für jede Gattung mindestens ein charakte-
"ristisches Exemplar. Zusätzlich zu der früher" in
Lehrbüchern üblichen sturen Auflistung von Arten
liefert Poe zu jeder Gattung einige äußere Bestimmungsmerkmale
und gelegentlich systematische
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Wie kam Poe, der zu dieser Zeit bereits einige
Gedichtbände verfaßt hatte, zur Schneckenkunde?
Der junge Edgar Allan wurde 1831 wegen
Aufsässigkeit aus der Militärakademie entlassen.
Da er mit seinem Pflegevater gebrochen hatte und
sich zudem der Flasche zugewandt hatte, lebte
Poe lange in ärmlichen Verhältnissen. Er versuchte
nun als einer der ersten Amerikaner, seinen
Lebensunterhalt als freier Schriftsteller zu
verdienen. Frühe Projekte, darunter eine Zeitschrift,
waren jedoch nicht besonders erfolgreich.
Um sein Auskommen (und das seiner kränkelnden
Cousine, die er geheiratet hatte) zu sichern,
nahm Poe Auftragsarbeiten an, darunter das
"Schneckenbuch".<br>


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gelang ihm der erhoffte Durchbruch mit den "Tales of Grotesque and Arabesque", gefolgt von "Der Doppelmord in der Rue Morgue" und schließlich, im Jahr 1845, mit "Der Rabe". Dies erklärt, warum Poe zeitlebens nicht mehr mit der Schneckenkunde in Berührung kam: Er widmete sich in den folgenden Jahren seinen Kurzgeschichten und Novellen, die Baudelaire schließlich nach 'i Europa brachte. Ein einziges Mal noch, ein Jahr vor seinem Tod, streifte Poe die Naturwissenschaften. "Eureka", ein "phantastisch-naturphilosophisches Lehrgedicht in Prosa", wie es der Brockhaus von 1933 nennt, ist "mit großer Hochachtung Alexander von Humboldt" zugedacht.<br><br>
 
 
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Revision as of 17:07, 1 April 2016

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Quelle: Die Zeit, März 1995

Vom Schneck zum Schreck

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Von: Mark Benecke

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Eine Entdeckung: Der Gruselautor Edgar Allen Poe schrieb zuerst ein wissenschaftliches Schneckenbuch


Auf einer Buchauktion in Braunschweig tauchte im letzten Herbst iRmitten kostbarer Schriften aus vergangenen Zeiten ein Büchlein auf, dessen Wert auf stolze 2800 Mark geschätzt wurde. Zum Vergleich: Der "Atlas zu Humboldts Kosmos" war für die Hälfte und Darwins "Gesammelte Werke" von 1881 gar für ein Siebtel dieses Betrages zu haben. Der enorme Preis rührt von der unter Antiquaren bekannten Regel her, daß sich ein Buch um so teurer verkaufen läßt, je außergewöhnlicher es ist. Das Besondere an dem Auktionsstück ist neben seiner Seltenheit nichts anderes als der Name seines Autors. Edgar Allan Poe, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts lebte, verfaßte 1839 dies malakologische Buch mit dem Titel "The Conchyologist's first book or, a system of testateceous malacology". Die damals üblichen Erweiterungen des Textkopfes münden im Versprechen, "so genau als irgend möglich dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft gerecht zu werden und zudem mit einer großen Anzahl neuer Arten" aufzuwarten. Diese selbstgestellten Anforderungen scheint das Buch erfüllt zu haben: Bereits im folgenden Jahr wurde eine weitere, nicht merklich veränderte Auflage gedruckt.


Poe war bemüht, ein so anschauliches wie präzises Werk zu verfassen. So erklärt sich auch der umständliche Titel "Malakologie der Testazeen": Der sinngleiche Begriff "Conchyologie" war Poe zu sehr einer altertümlichen Vorstellung von Schalentieren verhaftet, die beschalte Weichtiere (Mollusken) mit Krebsen zusammenlegt. Daß das Buch trotz aller Sorgfalt mehrere zoosystematische Fehleinordnungen enthält, darf ihm als zeitgebundener Mangel nachgesehen werden.


Obwohl das Werk ein Schul- und Lehrbuch ist, schlägtPoes Dichterseele durch. In der Einleitung " etwa weist der Autor darauf hin, daß sich dem Schneckenkundigen "auf diesem selten begangenen Pfad Einsichten über den göttlichen Plan und das allmächtige Wohlwollen" ergeben würden. Poe dramatisiert hier und führt zugleich einen Seitenhieb gegen jene, die Schneckenkunde bloß als Sammelleidenschaft verstehen. Sein Buch gibt einen Überblick über wasserlebende Schnecken und einige andere gehäusetragende Tiere wie Muscheln oder Tintenfische. Unter den auf zwölf Tafeln abgebildeten, gut zweihundert Gehäusen findet sich für jede Gattung mindestens ein charakte- "ristisches Exemplar. Zusätzlich zu der früher" in Lehrbüchern üblichen sturen Auflistung von Arten liefert Poe zu jeder Gattung einige äußere Bestimmungsmerkmale und gelegentlich systematische Hinweise.


Wie kam Poe, der zu dieser Zeit bereits einige Gedichtbände verfaßt hatte, zur Schneckenkunde? Der junge Edgar Allan wurde 1831 wegen Aufsässigkeit aus der Militärakademie entlassen. Da er mit seinem Pflegevater gebrochen hatte und sich zudem der Flasche zugewandt hatte, lebte Poe lange in ärmlichen Verhältnissen. Er versuchte nun als einer der ersten Amerikaner, seinen Lebensunterhalt als freier Schriftsteller zu verdienen. Frühe Projekte, darunter eine Zeitschrift, waren jedoch nicht besonders erfolgreich. Um sein Auskommen (und das seiner kränkelnden Cousine, die er geheiratet hatte) zu sichern, nahm Poe Auftragsarbeiten an, darunter das "Schneckenbuch".


Bereits im Jahr der zweiten Auflage dieses Buches gelang ihm der erhoffte Durchbruch mit den "Tales of Grotesque and Arabesque", gefolgt von "Der Doppelmord in der Rue Morgue" und schließlich, im Jahr 1845, mit "Der Rabe". Dies erklärt, warum Poe zeitlebens nicht mehr mit der Schneckenkunde in Berührung kam: Er widmete sich in den folgenden Jahren seinen Kurzgeschichten und Novellen, die Baudelaire schließlich nach 'i Europa brachte. Ein einziges Mal noch, ein Jahr vor seinem Tod, streifte Poe die Naturwissenschaften. "Eureka", ein "phantastisch-naturphilosophisches Lehrgedicht in Prosa", wie es der Brockhaus von 1933 nennt, ist "mit großer Hochachtung Alexander von Humboldt" zugedacht.


Mit großem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.



Dr. rer. medic. Mark Benecke · Diplombiologe (verliehen in Deutschland) · Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung von biologischen Spuren (IHK Köln) · Landsberg-Str. 16, 50678 Köln, Deutschland, E-Mail: forensic@benecke.com · www.benecke.com · Umsatzsteueridentifikationsnummer: ID: DE212749258 · Aufsichtsbehörde: Industrie- und Handelskammer zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Deutschland · Fallbearbeitung und Termine nur auf echtem Papier. Absprachen per E-mail sind nur vorläufige Gedanken und nicht bindend. 🗺 Dr. Mark Benecke, M. Sc., Ph.D. · Certified & Sworn In Forensic Biologist · International Forensic Research & Consulting · Postfach 250411 · 50520 Cologne · Germany · Text SMS in criminalistic emergencies (never call me): +49.171.177.1273 · Anonymous calls & suppressed numbers will never be answered. · Dies ist eine Notfall-Nummer für SMS in aktuellen, kriminalistischen Notfällen). · Rufen Sie niemals an. · If it is not an actual emergency, send an e-mail. · If it is an actual emergency, send a text message (SMS) · Never call. · Facebook Fan Site · Benecke Homepage · Instagram Fan Page · Datenschutz-Erklärung · Impressum · Archive Page · Kein Kontakt über soziale Netzwerke. · Never contact me via social networks since I never read messages & comments there.