Rechtsmedizin 3 2015: Zweites Symposium fuer Odorologie im Diensthundewesen
Quelle: Rechtsmedizin 3/2015, Seiten 255 bis 257
Zweites Symposium für Odorologie im Diensthundewesen
Hamburg, 24.-25. März 2015
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VON M. BENECKE UND K. BAUMJOHANN
Die Arbeitsgemeinschaft Odorologie
hatte unter der Leitung
von Dr. Christine Schüler
und Schirmherrschaft von
Prof. Klaus Püschel zu einer
umfangreichen, breit gefächerten
und konzentriert durchgeführten
Präsentation über den
Wissensstand der Leistungen
von Spürhunden geladen. Im
zum Platzen gefüllten Hörsaal
der "alten Pathologie" fanden
sich sowohl HundeführerInnen
aus den Bereichen Polizei,
privatem Mantrailing, WissenschaftlerInnen
und Angehörige
von Rettungshundestaffeln ein
und diskutierten während zwei
Tagen angeregt.
Der Zoologe Privatdozent
Dr. Udo Ganzloßer (Universität
Greifswald und Jena) wies
einleitend daraufhin, wie Konditionierungen
und das Lernen
bei Hunden funktionieren und
verwies unter anderem auf den
bei der Leistungsprüfung von
Spürhunden bekannten Klugen-
Hans-, also Versuchsleitereffekt,
der bei Hunden besonders
leicht zum Tragen kommt,
da diese starke Emotionsübertragungen
mit ihren FührerInnen
zeigen und "ihrem" Menschen
unbedingt gefallen wollen.
Auch für den "normalen"
Hundebesitzer war dieser
Ausflug in die Gefühlswelt der
Hunde unterhaltsam und anregend. Dr. Ganzloßer wendete
dabei Forschungsergebnisse
aus der Verhaltensbiologie auf
den Einsatz und die Ausbildung
von Spürhunden an.
Dr. med. vet. Barbara Schöning,
Fachtierärztin aus Hamburg,
stellte dar, dass Hunde die
Suchsituation eigenständig bewerten
und leicht unter Stress
geraten können, wenn die an
Störquellen gegenüber dem
Training gegebenenfalls reichere
Realität von der Erwartung
der Tiere abweicht. In Stresssituationen
zeige der Hund aber
nicht nur im Einsatz schlechtere
Leistungen, sondern schon
beim Trainieren. Stressfreies
Lernen sei aber ebenso sinnlos,
weil die tatsächliche Suche nie
ohne solchen ablaufe. Frau Dr.
Schöning riet daher, die Stresslevel
der Tiere sowohl im Training
als auch im Einsatz auszubalancieren,
um rein konditionierungs-
und stressbedingte,
falsch positive oder negative
Anzeigen zu vermeiden. Da die
vom Hund ausgehenden Stresssignale
vielfältig seien, müsse
der Hundeführer seinen Hund
gut kennen, um das individuelle
Stresslevel des Tieres richtig
einschätzen zu können, und
dem Hund das effiziente Lernen
zu ermöglichen.
Einen tiefen Einblick in
die Anatomie der Hundenase
gab Prof. Ronald Kröger (Universität
Lund, Schweden), der
unter anderem anhand von
eindrucksvollen Gefäßausgusspräparaten,
welche erst unmittelbar
vor der Tagung fertig gestellt
worden waren, die durch
einen regelrechten Spalt anatomisch
erkennbare, gute Trennung
der Nasen-Adern vom
restlichen Blutkreislaufsystem
bildlich darstellte. Seine Experimente
zeigten, dass Hunde
zur Verbesserung ihres Riechvermögens
bei Bedarf ihre Nase
erwärmen, diese aber zugleich
auch als reinen Temperatur-Sensor verwenden können.
Nicht immer wenden Hunde
also Objekten ihre Nase zu um
diese zu beschnuppern, sondern
oft auch um Temperaturunterschiede
zu orten. In Videosequenzen
einiger Trainingseinheiten
wurden von Prof. Kröger
fehlerhafte Durchläufe gezeigt,
in denen der Hund eine falsche
Wahl traf. Dabei zeigte sich der
Einfluss des menschlichen Versuchsteilnehmers,
der den Hunden
unbeabsichtigt Signale sendete
und so eine ungewollte Irreführung
des Hundes herbeiführte.
Aus Lebring in Österreich
angereist war Frau Dr. Gabriele
Sauseng, die über ihr Training
von Spürhunden für den Pflanzenschutz
sprach. Die Hunde
hätten bei der Suche aller Lebensstadien
der Holz zerstörenden
Käfer (Laub- und Citrusbockkäfer)
besser abgeschnitten
als Baumsteiger (Menschen
auf Hebeplattformen) und geübte
Fernglas-InspektorInnen,
so dass sich eine Kombination
aller Verfahren als optimal erweise.
Die aufKäfer spezialisierten
Hunde hätten eine Trefferquote
von 96% erzielt und im
"reallife" beispielsweise unter
tausenden von Ahorn-Zweigen
aus China die befallenen Zweige
herausgefunden. Die angesichts
der im Holz oft gut versteckten
Larven wären mit keiner anderen
Methode ans Licht gekommen.
In der Ausbildung ihrer
Hunde würden die chemischen
Kernsubstanzen bei der Geruchswahrnehmung
keine Rolle
spielen. Sie würde die Hunde
direkt an den Entwicklungsstadien
der Käfer ausbilden.
KHK Sebastian Wyschonke
(LKA Berlin) stellte die zahlreichen
Störfaktoren der Großstadt
vor, die der Hund bei
Trails in (stärker) bebauten Gebieten
filtern muss. Der Einfluss
der Großstadtfaktoren auf
die Trailleistung der Hunde solle schon bei der Ausbildung
unter Härtebedingungen trainiert
werden. Nicht wenige reale
Trails würden beispielsweise
in U-Bahnen enden, womit
ErmittlerInnen frustrierende
Erfahrungen begründen würden.
Daher empfahl Wyschonke,
mit den ErmittlerInnen vorab
genau abzuklären, welche
Wünsche und Fragen sie an das
Trailing-Team hätten, beispielsweise,
ob auch weggeworfene
Gegenstände (Messer, Kappen
usw.) bei der Suche von Interesse
seien. Da Hunde teils wesentlich
schneller als eine Funkzellenauswertung
auf tatbezogene
Orte verweisen könnten darunter
auch Zwischenaufenthalte
in Gaststätten und dergleichen
-, empfehle sich ggf. ein
früher Einsatz der Tiere, allerdings
unter der Maßgabe, dass
die Ermittler nicht beim Trailen
mitlaufen, um die Hunde nicht
zu irritieren. Dies sei wichtig,
da die Tiere dem Team gefallen
wollen und deren Emotionen
und damit auch Erwartungen
deutlich wahrnehmen können.
Polizeioberrat Leif Woidtke
(Rothenburg/O.L.) stellte seine
Erfahrungen und Trailleistungen
im Realeinsatz vor. Seine
Untersuchung zum menschlichen
Individualgeruch seien
noch nicht abgeschlossen; im
Ergebnis zeige sich jedoch, zur
Überraschung kritischer TeilnehmerInnen,
dass Hunde auch
mehrere Wochen alte Trails erfolgreich
aufspüren und verfolgen
können.
Die von der Hochschule
Rhein-Bonn-Sieg angereisten
Wissenschaftler Prof. Dr. Peter
Kaul (Physiker) und Christopher
Becher (Chemiker) sprachen
Probleme bei der Ausbildung
von Sprengstoffspürhunden
an. Doppelblindversuche
seien mit externen Auswertern
durchgeführt worden, welche
weder dem Hundeführer noch
dem Hund beeinflussende Impulse geben konnten; die Hunde
seien lediglich von einer Person
in den Versuchsraum hinein-
und wieder herausgeführt
worden. Die Hauptprobleme
im Einsatz von Sprengstoffspürhunden
lägen u. a. in der Auswahl
geeigneter Trainingsmittel.
So sei TNT nicht gleich TNT
und schon gar nicht eine chemische
Reinsubstanz. Dies führe
dazu, dass Hunde beispielsweise
im Afghanistan-Einsatz auf
dort üblicherweise verwendetes
und deponiertes TNT nicht
reagierten. Aufgrund dieser
Problematik sollten geeignete,
notfalls auch ,künstliche' Trainingsmittel
hergestellt werden,
die in der Ausbildung der Hunde
realitätsnah eingesetzt werden
könnten.
Ein weiteres eindrucksvolles
Cave veranschaulichte Dr. Tom
Middelmas (Großbritannien),
der das Beispiel eines Hundes
lieferte, den er auf angeschossenes
Federwild trainieren sollte.
Wie sich zeigte, habe die Konditionierung
in realitas nur funktioniert,
wenn auch der Geruch
von Schießpulver mitkonditioniert
wurde. Middelmas wies
zudem darauf hin, dass Hunde
etwa fünf Sekunden benötigen,
um einen Geruch aufnehmen
und umzusetzen. Diese Spanne
müsse abgewartet werden
und ließe sich nur dann auf etwa
2,5 s herabsetzen, wenn der
Hund die Spur zusätzlich ablecken
und mit dem Jacobschen
Organ prüfen könne, was natürlich
bei Drogen und Sprengstoff
keine Option wäre.
Bezirksinspektor Wolfgang
Schneider und Dr. Leopold
Slotta-Bachmayr (Wien und
Salzburg) stellten ihre umfangreichen
Versuche für das Bundesministerium
des Inneren in
Österreich dar. Dabei seien in
einem Geruchsparcours Leichenteile
(,Echtstoff-Präparate')
in verschiedenen Tiefen vergraben
(Erde, Schotter usw.) und doppelt verblindet gesucht
worden. Die freilaufenden Hunde
(kein Einfluss des Hundeführers
auf die Suchstrecke der
Hunde!) hätten teils an Orten
angezeigt, die den Leichengeruch
oberhalb der Vergrabungsstelle
aufgefangen hätten (Pflanzen,
Zäune). Außerdem hätten
sie bessereVersuchs-Ergebnisse
erzielt wenn vor der Suche höhere
Temperaturen geherrscht
hätten. Dies wohl wegen der dadurch
bedingten stärkeren bakteriellen
Aktivität. Leichengerüche
unter Schotter seien sogar
noch 150 Tage nach dem Vergraben
korrekt (und, wie gesagt,
doppelt verblindet) aufgespürt
worden.
Dipl.-Biol. Kristina Baumjohann
(Köln) stellte eine Studienübersicht
zur Identifizierung
leichenspezifischer Geruchssubstanzen
vor. Sie betont,
dass es nicht möglich sei, die
Vielzahl der bei der Verwesung
menschlicher und tierischer
Leichen und von Umweltfaktoren
abhängigen Geruchssubstanzen
auf wenige Gerüche zu
reduzieren, die für ein typisches
Leichenbouquet charakteristisch
seien. Zudem ließen sich
insgesamt zwei Hauptmängel in
der Arbeit mit (Leichen-)Spürhunden
erkennen: die missverständliche Kommunikation
zwischen Hund und
Hundeführer und die schlechte Ausbildung der Hunde mit
unzureichenden Trainingsmitteln
(Einzel- statt Misch-Gewebe,
künstliche Substanzen usw.).
Eine Schwierigkeit bei der effizienten
Ausbildung der Hunde
stelle dabei der ethisch konfliktbeladene,
aber eigentlich
sinnvolle Einsatz menschlicher
Leichen dar, der in Europa nicht
durchführbar ist.
Weitere interessante Vorträge
befassten sich mit Hunden
zur Diabetes- und Lungenkrebs-
Erkennung (Victoria
Körner (Gerolfingen), Dr.
med. Rainer Ehmann (Stuttgart),
Prof. Dr. Irene Nehls
(Berlin), welche allesamt mit
dem entsprechenden Echt-Material
arbeiteten und nicht mit
künstlicher hergestellten Gerüchen.
Für weitere Informationen
verweisen wir aus Platzgründen
auf die bald erscheinende
Buch-Publikation zum
Kongress, die wir allen am Fach
auch nur entfernt Interessierten
sehr empfehlen möchten.
Abschließend lässt sich sagen,
dass selten ein Kongress
- zumindest bei den Berichterstattern
- die Kenntnisse
über ein spurenkundliches
Verfahren so konstruktiv und
ruckartig emporgehoben hat
wie diese Veranstaltung.
Lesetipps