MifueMi: Sarah Burrini
Quelle: MifüMi 135 (Mitteilungen für Mitglieder der D.O.N.A.L.D.), geliefert ohne "Donaldist", 2015, Seiten 7 bis 9
Sarah Burrini
Aus der Serie „Begeisterte, aber nicht voll donaldisierte DonaldistInnen” (Teil 11)
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VON MARK BENECKE
Sarah Burrini ist Preisträgerin des ICOM - Independent-Comic-Preises (Comic - Salon Erlangen 2014) und ihr Nachname heißt zu deutsch “Bütterchen”. Dass Ihre “Ponyhof”- Comics beim Verlag “Kleines Brot” - a.k.a. Panini - erscheinen, ist vielleicht Zufall. Noch berühmter ist sie jedenfalls für Ihre seit 2009 erscheinenden Bildergeschichten gleichen Namens im Zwischennetz (http:// sarahburrini.com/wordpress/). Carl Barks ist für die kluge und schöne Königin der Netzcomic-Kultur ein Selbstverständnis.
Mark: 11. September 2015, K.D. - Stammtisch: Die ehemalige Präsidente hat eben zu dir gesagt, du befändest dich in einer Wohlfühl-Runde. Wie kam es zu dieser Feststellung?
Sarah: Ich glaube, weil es heute abend so schön gesellig ist. Es gibt Kuchen, es gibt Comics, es gibt nette Leute, es ist direkt um meine Ecke - um die Ecke von meinem Atelier -, es gibt eigentlich keinen guten Grund, hier nicht hinzukommen.
Mark: Und der Kuchen hatte auch ganz besondere Streusel. Hattest du mitbekommen, was es damit auf sich hat?
Sarah: Waren das eingearbeitete Wespen?
Mark: Hier bordet die Fantasie über.
Sarah: Die Angst bordet über.
Mark: Hast du Angst vor Kuchenwespen?
Sarah: Letzteres ja. Vor Kuchen nicht so.
Mark: Hast du öfter das Problem, dass Fantasie-Intrusionen dich in deinem Alltag, z.B. beim Kuchenessen stören? Oder ist das eher eine gute Sache, wenn man so viel Fantasie hat?
Sarah: Manchmal ja, manchmal nein. Man kann ja auch von schön überbordenden Fantasien springen auf Angstvorstellungen.
Mark: Und dieses Problem kennst du?
Sarah: Leider ja, das ist ein bisschen wie: „Denk nicht an den rosanen Elenfanten” - „Ah, verdammt, jetzt denke ich nur noch daran.”
Mark: Wo du gerade Elefanten sagst, in deinem Comic kommt ja ein grauer Elefant vor, der wird als Mini-Elefant beschrieben.
Sarah: Zwerg.
Mark: Zwerg-Elefant. Woher weiß man, dass das ein Zwerg-Elefant ist?
Sarah: Zum einen weiß man, dass ein ausgewachsener afrikanischer Bulle nicht so sehr in meine Wohnung passen würde, da ist die Comicsammlung doch dominierender. Einer von beiden müsste gehen, die Comicsammlung oder der Elefant. Ngumbe ist tatsächlich ein Wald-Elefant. Die sind kleiner als Savannen-Elefanten, weil die eben in den Wald passen müssen. Das habe ich mir nicht ausgedacht.
Mark: Es ist also kein Mini-, sondern ein Wald-Elefant.
Sarah: Wald-Elefanten sind quasi Zwerg-Elefanten.
Mark: Das wusste ich auch noch nicht. Du hast eine große Comicsammlung. Wie viel Barks fin- den wir darin, wenn wir heute Abend mit dir - was sicher mehrere hier am Tisch tun würden - mit dir nach Hause fahren?
Sarah: Von den Klassikern der Barks Library habe ich, glaube ich, alles. Dann habe ich aber auch einzelne Hefte, deutsche und amerikanische, es ist ein bisschen diffus.
Mark: Diese Interviewserie heißt ja entweder “begeisterte Donaldisten” oder “nicht zu Ende donaldisierte Donaldisten” - bist du überhaupt Donaldistin? Begeistert bist du ja von Comics sowieso, aber wie stark schlägt dein Herz, abgesehen von den kauzigen Menschen hier um dich herum, für den Donaldismus an sich?
Sarah: Ich finde den Ansatz, das wissenschaftliche kritische Denken zu übertragen auf Entenhausen, auf die Barks’sche Welt, fantastisch, weil ich sehr gerne sachlich argumentiere und an Themen so herangehe. Insofern schlägt mein Herz schon dafür. Ich muss allerdings sagen, ich bin kein Purist. Es darf neben Barks auch noch andere für mich geben, aber ich weiß, das sind alles nur Abbilder von Entenhausener Geschichten.
Mark: Seit wann weißt du das? Wie viele von uns, schon seit sie Kinder sind, oder ist dir das durch den Donaldisten und ähnliche wissenschaftliche Veröffentlichungen kund geworden?
Sarah: Das sind schon ein paar Jahre her. Unterbewusst war es schon immer da, dass Barks quasi den Grundstock, das Gerüst, liefert, um das sich die anderen Chronisten drehen. Die Donaldisten haben es für mich ausformuliert.
Mark: Wie sehr spielt denn Comic-Geschichte für dich eine Rolle? Da gäb es ja noch Al Taliaferro und Winsor McCay, und du hast ein sehr emotionales Abschieds- Panel zu Moebius’ Tod gezeichnet. Jetzt bist du aber Vorreiterin für Web-Comics und für An-der-Front-sein. Was bedeuten für dich comicgeschichtliche Sachen? Hast du die große Winsor McCay-Coffeetable-Book-Ausgabe?
Sarah: (lacht): Hab ich! Hab ich allerdings gewonnen. Ich interessiere mich sehr für Comicgeschichte. Es gibt so viele Aspekte an Comics, die mich faszinieren und das Historische ist für mich ein Punkt. Der Kreative ist ein anderer, aber tatsächlich muss ich sagen, es interessiert mich so ziemlich alles an Comics.
Mark: Jetzt hast du den Ponyhof mal in den Print gebracht, und gleichzeitig ist es ein Webcomic. DonaldistInnen sind häufig dem Printmedium verhaftet; erklär’ doch mal die Vorzüge, die du - egal, ob für dich oder die Konsumenten - erkennst am Webcomic.
Sarah: Das kann man von verschiedenen Ansätzen aus sehen. Zum einen veröffentlichen viele, wenn nicht sogar die meisten, Webcomicer ihre Comics öffentlich und kostenlos. Das heißt, wenn du einen Internetanschluss hast, kannst du die Comics im Internet kostenlos lesen. Zum anderen, wenn man das von Hersteller- oder Macher-Seite aus sieht, kann ich sagen, dass ich quasi unabhängig bin mit dem, was ich ausprobiere. Es ist für immer eine Spielwiese, die ich gestalten kann, wie ich will. Man ist verlagsunabhängig und man erreicht einfach viele, alle, vielleicht auch ein jüngeres Publikum.
Mark: Aber man verdient nichts.
Sarah: Es geht. Da muss man natürlich vergleichen, wieviel verdient man denn im Print. Es setzt sich aus unterschiedlichen Quellen zusammen.
Mark: Wodurch verdient man denn etwas, wenn man gratis etwas ins Netz stellt?
Sarah: Ich habe so gut wie alles schon ausprobiert, was es an Möglichkeiten gibt, im Netz zu verdienen. Es gibt die Paypal-Spendenmöglichkeit. Dann habe ich mich zuletzt sehr an Patreon gewagt, das ist eine Plattform aus den USA bei der man wie man ein Mäzen einen Künstler seiner Wahl unterstützen kann, und zwar mit Minibezahlungen, also Micropayment. Es kommt gar nicht darauf an, dass man irgendwie einmal große Summen spendet, es setzt sich daraus zusammen, dass man möglichst viele Unterstützer hat, die durch Summen, die ihnen am wenigsten weh tun, also z.B. ein Dollar, den Künstler seiner Wahl unterstützt, und bekommt dafür im Gegenzug z.B. Zugang zu Extra- oder Bonusmaterial. Viele rufen ihren Extra-Inhalt gar nicht ab, die machen das nur so. Es funktioniert allerdings nicht von einem Tag auf den anderen, man muss schon - womöglich Jahre - daran sitzen und sich erstmal Leser aufbauen, und dann wird es auch belohnt. Aber man braucht schon einen langen Atem.
Mark: Das ist ja schon sehr anders als früher. Früher haben die in den Studios Comics gezeichnet, wahrscheinlich fünfzig Stunden die Woche. Barks hat zuhause gezeichnet, aber es war immer deren Vollzeitjob. Siehst du dich denn überhaupt noch in der Tradition von so etwas oder hast du einen anderen Beruf?
Sarah: Ich glaube, die goldene Ära war vielleicht irgendwann in den Zwanziger Jahren in den USA, und das ist vielleicht schon lange in der Form vorbei. Vielleicht gab es das in Deutschland auch nie so richtig. Es gab hier schon Zeichenstudios, die haben aber dann als Kollektiv eher gearbeitet für einen Auftraggeber, für Auftragscomics, wie jetzt für Kauka, der hatte seine spanischen Studios oder selber Studios aufgebaut, aber die haben dann Serien verwirklicht, die gemeinsam geschaffen wurden. Insofern funktioniert das für mich nicht wie für fest Angestellte. Ich bin Freiberufler, natürlich habe ich auch Auftragscomics, aber ich habe das Gefühl, ich kann mich mehr mit Webcomics ausleben.
Mark: Deine innere Einstellung ist aber immer noch die eines dem Comic verpflichtenden Arbeiters.
Sarah: Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, woher das kommt, dass Comiczeichner so ungern von sich sagen, dass sie Künstler sind. Ich kenne keinen Comiczeichner, der das sagt, ich sehe mich schon als jemanden, der ein Handwerk beherrschen muss, der das gelernt hat und natürlich hat mich irgendein Impuls dazu angetrieben, so viel zu lernen, aber ich sehe mich auch eher als Handwerker, manchmal auch als Dienstleister aber auch als Kreative.
Mark: Du hast mir erzählst, dass du dich bei Marvel bewerben und für die zeichnen möchtest. Ist das ein Schritt in die klassische amerikanische Tradition zurück oder eine Fortentwicklung oder einfach mal was anderes?
Sarah: Es wäre eher ein Experiment. Ich würde total gerne längere Geschichten erzählen, ich würde total gerne in den USA veröffentlichen bzw. dort, wo es einen Markt gibt. Es könnte Marvel sein, es könnte DC sei, ich würde mich auch bei Dark Horse bewerben. Ich würde mich auch bei kleineren Verlagen bewerben; ich würde einfach hauptsächlich gerne etwas veröffentlichen, wo es eine Industrie gibt und wo ich auch an andere Stoffe käme.
Mark: Schwelt das in dir, weil du die amerikanischen Zeichner schon lange kennst und gelesen hast oder schwelt es in dir, weil der Ponyhof seine sprachlichen, kulturellen und verlagstechnischen Begrenzungen hat? Ist es der Geist von Barks und Co. der in dir kocht oder nicht?
Sarah: Es ist beides so ein bisschen. Einerseits sollte der Ponyhof immer eine kleine Sache nebenbei sein. Ich will eigentlich schon ganz lange längere Sachen schreiben und zeichnen und komischerweise war es immer so der angloamerikanische Raum, der mich fasziniert hat, und Barks war schon immer dabei. Diese Form, Geschichten zu erzählen...ich bin gar nicht mal so sehr Superheldenleser, ich mag schon viele Formen von Comics, aber ich stehe schon mehr auf die Independent-Sachen, wenn ich ehrlich bin. Ich würde gerne mehr längere Sachen ausprobieren.
Mark: Wie hast du dich gefühlt als hier am Stammtisch - du warst ja schon einmal hier -, die Hymne gesungen wurde? Was für Gedanken schossen dir durch den Kopf?
Sarah: Einerseits war ich beeindruckt, aber irgendwie war es für mich auch nicht so exotisch, weil ich immer das Gefühl habe, als Comiczeichner sieht man eh immer abstrakte Sachen. Es passte irgendwie zu meiner Wahrnehmung. Ich glaube, es gibt Leute, die das total bekloppt fänden, aber weil ich alles durch meine kleine Sarah-Comicbrille sehe, wundere ich mich gar nicht so. Ich find’s charmant.
Mark: Comics und Stammtische als Möglichkeit, die Wirklichkeit weniger bizarr, aber gleichzeitig auch bizarrer zu machen.
Sarah: Ja.
Mark: Danke schön.
In dieser Serie bisher dabei:
Lesetipps
- Entenhausen Underground (U-Comix 2016)