2017 04 Jule Moeller: Interview zu forensischer Entomologie
Name: Jule Möller
Schülerinnen-Arbeit
Friedrich Anton von Heinitz Gymnasium
Fach: Chemie
Rüdersdorf, April 2017
Interview mit Dr. Mark Benecke zu Forensischer Entomologie
Jule: Was hat sie dazu bewogen, diesen nicht gerade alltäglichen Berufsweg einzuschlagen?
Mark: Das kann ich selbst nicht so genau sagen, aber ich habe schon als Schüler sehr viel gelesen und experimentiert. Mir war also relativ früh klar, dass ich gerne etwas Naturwissenschaftliches machen möchte.
Jule: Was fasziniert Sie am meisten an Maden und Insekten?
Mark: Dass es sie schon lange vor uns gab und noch lange nach uns geben wird. Und dass es für fast jede ökologische Nische eine cool angepasste Art gibt.
Jule: Welche Erkenntnisse, die die forensische Entomologie heute noch nicht liefern kann, erwarten sie sich für die Zukunft?
Mark: Seit einigen Jahren werden Bakterien auf Leichen verstärkt untersucht. Das geht, weil die DNA- Methoden jetzt preiswerter werden. Also erwarte ich, dass wir in Zukunft noch mehr Infos dadurch gewinnen können.
Jule: Sie persönlich haben ja auch ziemlich viele Tattoos. Da stellt sich mir die Frage, ob die bei Tattoos eingebrachte Farbe irgendeinen Einfluss auf die Besiedlung einer Leiche durch Insekten hat?
Mark: Das hat noch keiner untersucht. Die Farben sammeln sich vor allem in den Lymphknoten und vielleicht auch den Organhäuten, es macht also nur einen winzigen Teil des Gewebes aus. Ich denke daher, dass es wurscht ist.
Jule: Wie alt war das älteste Objekt, das Sie bisher untersucht haben? Und konnte man da noch, mit den Möglichkeiten der forensischen Entomologie, wichtige Erkenntnisse über z.B. die Todesursache etc. herausfinden, oder mussten dafür andere Methoden angewandt werden?
Mark: Das Älteste, denke ich, waren ca. 1600 Jahre alte Gebeine und Tücher eines Kölner Erzbischofs, die wir nach einer Schreinsöffnung in der Kölner Kirche St. Severin, im Jahr 1999, untersucht wurden. War eine harte Nuss. Oder leere Puppenhüllen von einer archäologischen Grabung.
Jule: Mit welchen Erkenntnissen überraschen Sie Ihrer Zuhörer regelmäßig am meisten?
Mark: Dass wir glauben, jenseits des Tellerrandes denken zu können, aber es meist nicht schaffen.
Jule: Als Person die sich ständig mit Leben und Tod beschäftigt. Was denken Sie? Wie alt kann der Mensch in Zukunft noch werden? Wo vermuten sie die biologische Grenze?
Mark: Die bisherige biologische Grenze ist gut bekannt (Milliarden von Experimenten) — Menschen werden ungefähr höchstens 120 Jahre alt. Das mag sich ändern, es wird ja viel dran geforscht.
Jule: Können sie bei der Untersuchung einer Leiche erkennen, ob der Verstorbene sich zum Beispiel Vegan oder vegetarisch ernährt hat? Bzw. hat die Ernährung einen Einfluss auf den Verwesungsprozess?
Mark: Bislang nicht; auch Fleischesser*innen essen ja mal länger Pflanzen. Es wird sich wohl an den Darmbakterien zeigen; das können wir dann sicher eines Tages feststellen. Die Verwesung ist aber so überwältigend, dass da einfach alles auseinanderfällt und recycelt wird…da kommt es nicht so sehr auf den Darminhalt an, zumindest nicht in der Kriminalistik.
Mit herzlichem Dank an Jule Möller und das Anton von Heinitz Gymnasium für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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