2015 09 Taetowiermagazin: Gesichtstattoo im Knochenjob
Quelle: Tätowiermagazin 09/2015, Seite 128
Gesichtstattoo im Knochenjob
Kolumne mit Mark Benecke
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VON MARK BENECKE
Hamburg wirkt auf Fremde schon mal versnobt. Nachdem ich neulich mit einem universitätstypischen Riffelplastik-Kaffeebecher im Foyer des Institutes für Zoologie saß, schlenderte allerdings mit völliger Selbstverständlichkeit ein Mensch mit fettem Gesichtstattoo durch den Flur ins Uni-Museum. Wtf?
»Ich arbeite freiberuflich hier«, erklärt mir Lars. »Hauptberuflich leite ich ein Tattoostudio in Hamburg, das ›Lars Vegas Tattoo- Studio‹ in Altona. Angefangen habe ich vor siebzehn Jahren auf dem Hamburger Berg – die schlimmste Gegend bei uns. Ich habe meinen Lehrmeister dort vollgetextet, dass ich supertoll sei. Meine Zeichnungen waren grottenschlecht, aber er hat irgendwas in mir gesehen. Ich habe dann zwei Jahre lang eine Tätowierlehre gemacht, richtig oldschool mit Müll rausbringen, mit dem Hund Gassi gehen, Kaffee kochen. Mit fünfzehneinhalb habe ich meinen ersten Kunden tätowiert.
Hier im Museum habe ich zunächst Präparate gezeichnet. Von Anfang an fanden die Kinder bei Rundgängen meine Tätowierungen ziemlich faszinierend. Bei meiner ersten Führung alleine, habe ich aber trotzdem Blut und Wasser geschwitzt - mir lief der Schweiß aus dem Hemd raus, das war total peinlich. Nach einer halben Stunde hatte ich aber drei Jungs und drei Mädchen an den Händen, die alles total toll fanden.
Ich musste die Kinder danach zum Parkplatz begleiten, wo die Eltern warteten, und die sahen nur diesen zutätowierten Freak – damals noch mit Glatze – und dachten, ich wolle die Kinder entführen. Ein Riesengeschrei ... Das war herrlich.
Universitäten sind ganz, ganz konservativ, aber mein Chef im Museum ist cool gewesen. Ich hatte hier schon elf Monate ehrenamtlich gearbeitet, 240 Stunden im Monat ohne Bezahlung, weil es einfach unglaublich viel Spaß gemacht hat, und dann ist was ganz Lustiges passiert. Ich habe ein paar Freunden eine Führung im Museum angeboten und zufällig hat jemand aus dem Unipräsidialamt die Führung begleitet. Am nächsten Tag haben sie gesagt, dass sie mich als Pädagogen haben wollen.
Ich war nie ein guter Schüler in Biologie, aber das Team hier im Museum ist so genial, dass es mein Interesse geweckt hat. Jetzt ist es für mich die Hauptaufgabe, es auch bei den Kindern zu wecken. Die Begeisterung, die man in mir hervorgerufen hat, gebe ich jetzt weiter an die nächste Generation.
Beim gemeinsamen Mittagessen mit den Professoren und Doktoren rutschen mir öfter Begriffe aus dem Milieu raus, aber auch das wurde immer akzeptiert. Das ist in Hamburg auf jeden Fall einmalig und wäre in Köln oder München wohl nicht so.«
Genau so isses. Für mich ist Lars’ Story ein waschechtes Wunder. Und die gibt’s dann hoffentlich immer öfter und immer wieder.
Hofft stets der Eure: Marky Mark
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