2015 08 Taetowiermagazin: Bis ueber den Tod hinaus
Quelle: Tätowiermagazin 08/2015, Seite 92
Bis über den Tod hinaus
Tattoos halten im Idealfall ein Leben lang.
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TEXT: HEIDE HEIM
Der Kriminalbiologe und Experte für Forensische Entomologie Dr. Mark benecke erklärt, was mit Tattoos nach dem Tod passiert.
Wie lange ist eine Tätowierung an
einem Leichnam sichtbar? Welche
Faktoren begünstigen den Verfall,
welche wirken eher konservierend?
M.B.: Konservierend ist alles, was vertrocknend
wirkt, ohne die Haut stark zu schwärzen also
das, was wir »Mumifizierung« nennen,
das heißt, die recht schnelle Austrocknung
durch Wärme oder vorbeistreifende Luft.
Ich hatte den Fall einer mumifizierten
Leiche nur zwei Mal: Einmal war die
Person vor einem Heizlüfter gestorben,
bei dem anderen Fall lag die Leiche an
einer Türritze, wo die Luft durchzog.
Schlecht sind Wasserleichen, die auch
noch am Boden des Gewässers im Sand
vorbeistreifen. Der Sand schleift die Haut
beziehungsweise das Tattoo ab. Besonders,
wenn das Wasser warm ist, ist eh alles
schon faulig und erweicht.
Wie lange bleiben denn die Tattoos unter
normalen Raumbedingungen sichtbar?
M.B.: Wenn es trocken ist, Jahrtausende, wenn
es feucht und warm ist, nur wenige Tage.
Was passiert beim Verwesungsprozess
der Leiche mit der Haut und demzufolge
dem Tattoo?
M.B.: Vor allem löst sie sich ab. Es ist ein bunter
Strauß von Fäulnismöglichkeiten, je nach
Umweltbedingungen: von bakteriellen
Verfärbungen über Ablösung, Vertrocknung
bis zu vielem mehr.
Mumien sind heute wichtige Quellen
zur Praxis des Tätowierens vergangener
Kulturen. Wieso sind ihre Tätowierungen
noch heute sichtbar?
M.B.: Die Haut von Wirbeltieren ist superstabil.
Wenn sie vertrocknet, wie bei der
Herstellung von Leder, hält sie extreme
Belastungen aus, und das geht eben auch
ohne Gerbung, vorausgesetzt, man reibt oder
schürft nicht groß daran herum. Solange
die Haut erhalten ist, sind auch automatisch
die Tattoos in der Haut erhalten. Hinzu
kommt, dass früher beim Tätowieren ja nur
dunkle Farben verwendet wurden, die aus
Tinte oder auch Ptlanzenmaterial gewonnen
wurden. Diese dunklen Farben sieht man
wegen des starken Kontrasts natürlich auch
länger.
Spielen Tattoos an Leichen auch bei deiner
Arbeit als Kriminalbiologe eine Rolle?
M.B.: Bei den Ermittlungen werden
natürlich die Tattoos fotografiert und
zur Kontrastverstärkung
gephotoshopped - was hier
unstrittig sinnvoll ist - und mit
in die Akten gegeben.
Diese Bilder spielen womöglich
dann eine Rolle,
wenn Zeugen zur Identifizierung
befragt werden.
Meiner Erfahrung nach legt
man den Zeugen oder der
Öffentlichkeit aber lieber
Bilder der gereinigten Kleidung
oder Schmuckstücke vor, weil
das offebar weniger gruselig
aussieht als Fotos von Haut.
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