2012 03 Kriminalistik: Silikon als Abformmittel in Extremsituationen: Difference between revisions

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• Frost, D. J. (2005) Clearly Superior Recovery. Evidence Technology Magazine 11/12 2005, S. 32-35.<br>
• Frost, D. J. (2005) Clearly Superior Recovery. Evidence Technology Magazine 11/12 2005, S. 32-35.<br>


• Loreille, 0., Parr, R. L., McGregor, K. A., Fitzpatrick. C. M., Lyon, c., Yang, D. J., Speiler, C. F., Grimm, M. R., Grimm, M. J., Irwin, J. A., Robinson, E. M. (2010) Integrated DNA and Fingerprint Analyses in the Identification of 60-YearOld Mummified Human Remains Discovered in an Alaskan Glacier. Journal of Forensic Sciences, Vol. 55, S. 813-818.<br><br>
• Loreille, 0., Parr, R. L., McGregor, K. A., Fitzpatrick. C. M., Lyon, c., Yang, D. J., Speiler, C. F., Grimm, M. R., Grimm, M. J., Irwin, J. A., Robinson, E. M. (2010) Integrated DNA and Fingerprint Analyses in the Identification of 60-YearOld Mummified Human Remains Discovered in an Alaskan Glacier. Journal of Forensic Sciences, Vol. 55, S. 813-818.<br>
 
<center>''Mit großem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.''</center><br><br>
 
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* [[2010-03 Kriminalistik: Der reverse C.S.I.-Effekt Teil 2 und 3|Der reverse C.S.I.-Effekt Teil 2 und 3]]<br>
 
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''Mit großem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.''
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Quelle: Kriminalistik, 66. Jahrgang, Seiten 162 bis 164

Silikon als Abformmittel in Extremsituationen

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VON MARK BENECKE und KRISTINA BAUMJOHANN

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Abb. 1: Abformung der Werkzeugspuren binnen fünf Minuten in vor Gericht gut präsentabIer, zum Transport sehr gut geeigneter sowie als Beweis verwertbarer Weise.

Eine viel zu selten in der Kriminaltechnik, Kriminalbiologie und Rechtsmedizin eingesetzte Methode der Spurenabformung ist die anhand von Poly(organo/vinyl)siloxanen (Silikon). Dabei kann buchstäblich jede Art von Oberfläche bis hin zu Hautleistenabdrücken und sogar gedruckte Schrift abgeformt werden. Die Zweikomponentenanwendung des Silikons (bspw. mit Mikrosil) erfordert normalweise etwas Übung, da das Silikon sehr schnell abbindet und daher aus zwei Tuben stets neu angemischt werden muss. Wir testeten ein neues Produkt (vermarktet bspw. als Reprocast und Accutrans), bei dem das Mischen entfällt, da die Komponenten automatisch, im richtigen Verhältnis und ziel gerichtet anhand von Einweg-Spitzen, auf die Spur gelangen. Zudem ist das Produkt in mehreren Farben erhältlich, so dass beispielsweise verschiedene Farben von Latentspurenpulver (weiss, silber, gelb usw.) kontraststark abgebildet werden können.


Abb. 2: Sogar die Abformung von gedruckter Schrift ist problemlos möglich.

In einer Versuchsreihe prüften wir die Eigenschaften eines Silikongemisches auf seine Qualität, Robustheit und besonders seine Anwenderfreundlichkeit im kriminaltechnischen Laborumfeld. Bei Raumtemperatur fertigten wir Abdrücke von verschiedenen Oberflächen, darunter auch gekrümmte Oberflächen und mehrfarbig tätowierte Haut, deren Feinstruktur auf Fotografien nicht abgebildet werden kann. Hier ist besonders an Bisspuren, Narben, heilende Wunden, Kratzer und ähnliches auch im Bereich der rechtsmedizinischen Dokumentation zu denken. Zum Abformen verwendeten wir beispielhaft:


• Hammer (Typenbezeichnung, Schlagfläche; Abb. 1)

• Ausweis mit eingedruckter Schrift und Prägepunkten (Abb. 2)

• tätowiertes Handgelenk mit Knöchel (krumme Fläche, Hautstruktur wegen der dunklen Farbverläufe nicht fotografierbar; Abb. 3)

• Fingerabdruck auf gekrümmtem Boden einer Sprühdose (Abb. 4). Als Trocknungszeit wählten wir fünf Minuten. Die Hersteller geben für 20°C vier Minuten, für 10°C acht Minuten an.


Ergebnis

Abb. 4: Abformung eines Fingerabdruckes von einem gebogenen Spraydosen-Boden. Beachte die anatomischen Merkmale in (d), die ohne digitale Bildverstärkung so auf dem Silikonabguss erscheinen.

In allen Fällen konnte die Oberfläche verlustfrei und vollständig dargestellt werden. Auch bei Vergrößerung mit einem Leica Mz 12.5-Binokular waren alle Merkmale, beispielsweise des Fingerabdruckes, bis ins Details sichtbar und konnten zudem problemlos in eine gerade Fläche gebogen werden (Abb. 4). Die Abformung von der Schlagfläche des Hammers erfolgte ohne dass die daran haftende biologische Spur mit abgezogen wurde (Abb. 1). Die Trocknungszeit genügte für dünne Schichten unter 1 mm, etwa auf Papier, Abb. 2) ebenso wie für dicke Schichten des Silikons (bis 5 mm, beispielsweise bei Typenbezeichnung des Hammers; Abb. 1b). Eine Mindestdicke von über 1 mm empfiehlt sich aber, um ein mögliches Zerreißen bei größeren Flächen (Ausweis) zu verhindern.


Abb. 3a (Ii.): Detailaufnahme der Hautabformung gebogener, tätowierter Haut (mit normalen Lichtbildern nicht möglich). 3b (Ii.): Knöchel und Biegungen problemlos abformbar; schwarzer Pfeil: Knöchelbereich. 3c (li.): Abformung desselben Bereiches, vergrößert. Beachte die Hautleistenabdrücke, die auf dem gesamten Bild als gebogene Linien zu erkennen sind (vgl. schwarze Pfeile).

Einzig wichtig ist, dass das Silikon sofort verstrichen wird, und zwar aus einer einzigen Auftragung heraus (Abb. 2), nicht aus spiral- oder bahnförmig aufgebrachtem Silikon. Dabei können sehr kleine Luftblasen entstehen, die hinterher blinde Stellen erzeugen. Einige Hersteller des Silikons bieten mittlerweile Aufsätze an, die das sofortige Verstreichen direkt mit einer verbreiterten Spritzenspitze oder zum Auftupfen für Fingerkuppen ermöglicht, so das Anwendungsfehler selbst für ungeübte Personen aus anderen Dienststellen unmöglich sind.


Abb. 5: Spritzpistole mit eingelegten Zweikomponenten-Kartuschen, zwei Spitzen und Reserve-Kartusche.

Versuche von Kollegen zeigen, dass auch problemlos Früchte, Blutspuren, Patronen, Münzen usw. abgeformt werden können (Frost, 2005), ebenso wie die Fingerkuppen einer Eisleiche mit Liegezeit von sechzig Jahren, die zum Zeitpunkt des Fundes praktisch keine erkennbaren Hautleisten mehr aufwies (Loreille et al. 2010). Die Unempfindlichkeit des Silikons gegen extrem verschiedene Oberflächen können wir bestätigen. Uns gelang es beispielsweise problemlos, auch die Oberfläche einer Schmeissfliegenmade abzuformen. Die Made blieb dabei, also auch beim Abziehen des Silikons, unbeschädigt.

Die Vorteile der Methode, auch gegenüber der Fotografie, sind diese:

  • kein Mischen nicht erforderlich,
  • Methode ohne Übung anwendbar,
  • vor Gericht vorzeigbares und anfassbares Probestück (Problem des blutigen Messers), ohne dass die Spur verändert wird,
  • gewölbte Flächen abformbar, auch bei Fingerspuren, was fotografisch schwierig sein kann,
  • Hautleisten auch von spiegelnden Oberflächen und teils auch von Haut des Opfers abformbar,
  • sehr kurze Trocknungszeit (maximal fünf Minuten), daher auch kein versehentliches Verschmieren,
  • sauberer schneller Austausch der Farbpistolen während der laufenden Arbeit beliebig oft möglich,
  • Verstreichen des Silikons mit jedem beliebigen Gegenstand (Handschuh, Kaffeerührer, Holz usw.),
  • sehr gute, rückstandsfreie Ablösbarkeit des Silikons, auch von Kleidung, Papier usw.,
  • sehr stabiles, biegbares, auch gegen Dehnung unempfindliches, robustes Beweismittel,
  • 1: 1-Abbildung,
  • keine Verfälschungen der Oberfläche,
  • schnelle Vorab-Vergleiche, ohne das Asservat hervorholen zu müssen (bspw. andere Dienststelle, Gericht, Altfälle),
  • Abformung von großen Automaten, Steinblöcken, Wänden, Böden, Schmuck usw. auch ohne Heraussägen des Spurenträgers möglich,
  • Abformung von lebenden Personen (Haut usw.) möglich und
  • bei transparentem Silikon entfällt die Spiegelung von Fingerabdrücken.
  • Die Spritzpistole ist leicht, aus stabilem, dickem Plastik gänzlich ohne zerbrechliche Teile gefertigt. Mit und ohne eingelegte Silikon-Patronen ist das System sehr platzsparend und auch in beengten Tatortfahrzeugen gut lagerbar; die Spitzen sind ebenfalls bruchfest (Abb. 5). Ein gesonderter Koffer ist zur Lagerung und Mitnahme nicht notwendig. Es handelt sich hier um ein ausgereiftes Produkt, das uneingeschränkt für den Routinebetrieb, besonders auch in Hinblick auf die Präsentation vor Gericht, zu empfehlen ist.
    Literatur
    • Frost, D. J. (2005) Clearly Superior Recovery. Evidence Technology Magazine 11/12 2005, S. 32-35.
    • Loreille, 0., Parr, R. L., McGregor, K. A., Fitzpatrick. C. M., Lyon, c., Yang, D. J., Speiler, C. F., Grimm, M. R., Grimm, M. J., Irwin, J. A., Robinson, E. M. (2010) Integrated DNA and Fingerprint Analyses in the Identification of 60-YearOld Mummified Human Remains Discovered in an Alaskan Glacier. Journal of Forensic Sciences, Vol. 55, S. 813-818.

    Mit großem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.



    Lesetipps



    Dr. rer. medic. Mark Benecke · Diplombiologe (verliehen in Deutschland) · Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung von biologischen Spuren (IHK Köln) · Landsberg-Str. 16, 50678 Köln, Deutschland, E-Mail: forensic@benecke.com · www.benecke.com · Umsatzsteueridentifikationsnummer: ID: DE212749258 · Aufsichtsbehörde: Industrie- und Handelskammer zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Deutschland · Fallbearbeitung und Termine nur auf echtem Papier. Absprachen per E-mail sind nur vorläufige Gedanken und nicht bindend. 🗺 Dr. Mark Benecke, M. Sc., Ph.D. · Certified & Sworn In Forensic Biologist · International Forensic Research & Consulting · Postfach 250411 · 50520 Cologne · Germany · Text SMS in criminalistic emergencies (never call me): +49.171.177.1273 · Anonymous calls & suppressed numbers will never be answered. · Dies ist eine Notfall-Nummer für SMS in aktuellen, kriminalistischen Notfällen). · Rufen Sie niemals an. · If it is not an actual emergency, send an e-mail. · If it is an actual emergency, send a text message (SMS) · Never call. · Facebook Fan Site · Benecke Homepage · Instagram Fan Page · Datenschutz-Erklärung · Impressum · Archive Page · Kein Kontakt über soziale Netzwerke. · Never contact me via social networks since I never read messages & comments there.