1997 Rechtsmedizin: Forensische Nutzbarkeit und Populationsdaten der beiden short tandem repeat-Systeme D8S306 und PKLR

From Mark Benecke Forensic Wiki
Revision as of 21:29, 18 May 2017 by Benecke (talk | contribs)
(diff) ← Older revision | Latest revision (diff) | Newer revision → (diff)
Jump to navigation Jump to search
Remedlogo.jpg

Quelle: Rechtsmedizin (1997)
(angefertigt am Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln)

Forensische Nutzbarkeit und Populationsdaten der beiden

short tandem repeat-Systeme D8S306 und PKLR

[Weitere Artikel von MB] [Artikel über MB]

VON MARK BENECKE, CORNELIA SCHMITT, MICHAEL STAAK


Abstract
Examining the properties of the two short tandem repeat (STR) loci PKLR and D8S306 for forensic applications we found both suitable for identification purposes and paternity cases. Due to its high sensitivity (lower detection limit) of down to 30 pg, D8S306 should be useful in stain analysis. The lower detection limit for PKLR is 250 pg. For both systems, population data of inhabitants of the Rhine area in and around Köln (in the western part of Germany) show minor differences to the data given in the original papers; allele distributions shows Hardy-Weinberg equilibrium as confirmed by the Exact Test. Discriminating power for any person (stain analysis) is 0.96 for D8S301 and 0.94 for PKLR; exclusion chance in paternity cases is 0.68 for D8S306 and 0.54 for PKLR. Combining DNA amplification in a Perkin Elmer 2400 PCR machine with the Pharmacia A.L.F. Sequencer allowed DNA typing in one day.


Key words
STR, PCR, D8S306, PKLR, DNA typing


Zusammenfassung

Um die statistische Ausschlußwahrscheinlichkeit der PCR-gestützten DNA-Typisierung durch zusätzliche STR-Systeme weiter zu erhöhen, stellen wir die zwei neuen Genorte D8S306 und PKLR vor. Besonders das hochsensitive System D8S306 sollte bei der Bearbeitung von geringen DNA-Mengen aus Spurenmaterial hilfreich sein. Die von uns gewonnenen Populationsdaten aus dem Rheinland in und um Köln stehen für beide Systeme weitgehend in Einklang mit den Daten der Originalveröffentlichungen; der Exact Test bestätigt, daß die Allelverteilungen im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht sind.


Die discriminating power liegt für D8S301 bei 0.96 und für PKLR bei 0.94, die exclusion chance für Vaterschaften bei 0.68 für D8S306 und 0.54 für PKLR. Folgt der DNA-Amplifikation mittels der Perkin Elmer 2400-Maschine eine Auftrennung der Produkte auf dem A.L.F.-Sequenziergerät (Pharmacia), ist die DNA-Typisierung innerhalb eines Tages möglich.


Schlüsselworte

Short Tandem Repeat, Polymerasekettenreaktion, D8S306, Pyruvatkinase L-Gen (PKLR), DNA-Typisierung


Einleitung

Um die Ausschlußwahrscheinlichkeiten der PCR-gestützten DNA-Typisierung weiter zu erhöhen, kann neben den häufig benutzten und erprobten STR-Systemen wie HUMVWA31/A, HUMFES, HUMACTBP2, HUMTHO1 (e.g. [4], [11] and others) der Einsatz zusätzlicher STR-Systeme nützlich sein (z.B. HUMDHFRP2/HUMFOLP23 [1]). Neue STR-Systeme können auch bei der gleichzeitigen Vervielfältigung mehrerer DNA-Loci, der Multiplex-PCR [4], eigesetzt werden. Besonders bei der Konstruktion von Multiplexsystemen, bei denen nur ein einziger Fluoreszenzfarbstoff als Marker der PCR-Produkte dient (z.B. bei der von uns durchgeführten Detektion mittels des A.L.F. Sequencers, Pharmacia Biotech), werden STR-Loci benötigt, deren PCR-Produkte sich nicht überlappen. Aus diesem Grund untersuchten wir Sensitivität, DNA-Mischungen und die Allelverteilungen in einer westdeutschen Population zweier neuer STR loci, D8S306 (Chromosom 8p [8]) und PKLR (Chromosom 1q [6]).


Material und Methoden

Von phenolextrahierter DNA einer Zufallsstichprobe von Blutspendern wurden Verdünnungsreihen (10 ng, 1 ng, 100 pg, 10 pg) einiger Genotypen hergestellt und mit dem QuantiBlot Human DNA Quantitation Kit (Perkin Elmer, Foster City, Ca.) und der Schleicher & Schuell Minifold Dot Blotting unit nach den Originalprotokollen der Hersteller quantifiziert. Als DNA-Mischungen dienten verschiedene Konzentrationen zweier Genotypen, die vor der Amplifikation in verschiedenen Verhältissen miteinander gemischt wurden (Mengen: 200 pg bsi 5 ng; Verhältnisse: 2.2:1, 2.5:1, 3.5:1, 7:1, 11:1, 13.5:1). Zur Bestimmung der Allelfrequenzen wurde DNA von <100 unverwandten Personen aus dem Kölner Raum mit Perkin Elmer GeneAmp 2400-Maschinen amplifiziert. Der PCR- Ansatz (Endvolumen 25 µL) enthielt 10 ng DNA, 37,5 mM MgCl2, 3,75 µM dNTP mix, 50 µM primer each und 1 U Taq-Polymerase (Promega, Madison) in 1x Promega PCR-Puffer. Mineralöl zur Abdeckung wurde nicht benutzt. Die Primersequenzen und die Nomenclature der DNA-Loci entsprechen den Originalveröffentlichungen, der Buchstabe X symbolisiert für Floureszenzmarkierung. Die Primersequenzen:


D8S306:
5´- AGA GAA AGA GAG ACA GAA AGA GAG A - 3´
5´- X GTT GAA CAG GAG CAG TGA GAG AG - 3´

PKLR:
5´- X GGC TGG TTC TCG TTA CAG - 3´
5´- CTG AGG TCA GGA GTT TGA G - 3´
Die fluoreszenzmarkierten PCR-Produkte (FITC, Pharmacia Biotech, Uppsala, Sweden) wurden in vertikalen, 0,5 mm dicken 5% Polyacrylamidgelen (Hydrolink Long Ranger, Serva, Heidelberg, Deutschland) mit der Laserdetektionseinheit des A.L.F.-Sequencers (grüner Laser; Pharmacia Biotech) [10] vorgenommen; die Trennstrecke von der Ladetasche bis zu den Detektoren betrug 19 cm. Laufbedingungen: 1500 V, 38 mA, 34 W, Wassertemperatur in den Thermostatisierplatten: 40 °C, Laserleistung: 2 mW.
Die Darstellung und Auswertung der Fragmente wurde mit der A.L.F. Fragment Manager-Software durchgeführt. Als Referenzleiter dienten Referenzfragmente (100 bp + 300 bp-Mix (je 2 µL) und der 50-500 bp ladder (0,8 µL) - beide von Pharmacia Biotech).
PCR-Bedingungen: 29 Zyklen; PCR program: 30 sec 94°C (Anfangsdenaturierung); 20 sec 94°C, 20 sec 60,5 °C (D8S306) bzw. 58°C (PKLR), 50 sec 72°C; 30 sec 72°C (Schlußextension).


Statistik: Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht wurde mittels des exact test ermittelt [3]1[ask1], der im Softwarepaket "DNA View" (Charles Brenner, Berkeley, Ca.) integriert ist. Der Chi2-Test wurde nicht benutzt, weil er eine Gaussverteilung der Allele voraussetzt, die nicht in allen STR-Systemen gegeben ist. In der Veröffentlichung von Guo & Thompson finden sich zwei Ungenauigkeiten. In Formel 1 muß k als m gelesen werden; im Nenner derselben Formel muß das <-Zeichen durch oder ersetzt werden.


Die discriminating power wurde als 1- (erwartete Phänotypenfrequenz)2 gemäß Fisher 1951 ermittelt (nach [5]). Die expected exclusion chance für Vaterschaftsfälle wurde wiederum mit dem DNA View- Softwarepaket errechnet.


Ergebnisse und Diskussion

Für PKLR konnten in der von uns untersuchten Population 18 von 21 rechnerisch möglichen Genotypkombinationen nachgewiesen werden, bei D8S306 traten 29 von 45 möglichen Genotypen auf. Beide STR-Systeme lieferten auch mit höheren Mengen von Ausgangs-DNA (bis zu 20 ng) noch Ergebnisse. Gegenüber der Erstbeschreibungen der primer fanden wir in der von uns untersuchten Population für PKLR aund D8S306 nur geringe Abweichungen zu den dort genannten Allelhäufigkeiten (Tabelle 1).

D8S306: Kölner Raum, n=159 Nelson et al. 1994, n=192

Allel 1 (290 bp) 5 2
Allel 2 9 12
Allel 3 16 17
Allel 4 20 15
Allel 5 22 26
Alle 6 17 15
Allel 7 6 7
Allel 8 4 4
Allel 9 0,6 3
Allel 10 (244 bp) 0,3 1
PKLR:

Allel Kölner Raum, n=165 Lenzner et al. 1994, n =82

1 (331 bp) 6 7
2 17 10
3 32 13
4 39 46
5 10 4
6 (316 bp) 11 20

Tab. 2: Allelhäufigkeiten für D8S306 und PKLR (in Prozent)

Die Fluoreszenzmarkierung von D8S306 sollte an der angegebenen Stelle erfolgen, da die Markierung des anderen Stranges zu einer deutlichen slippage-Bande in den PCR-Produkten führt. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die weiteren Eigenschaften der beiden von uns untersuchten STRs.

Lokus
D8S306
PKLR

Kernsequenz
(AAAG)n
(ATT)n

Repeatstruktur
Tetranukleotid-repeat
Trinukleotid-repeat

Länge (in bp)*
244-290
316-331

Allele
10
6

Heterozygosität
(Angabe in Originalveröffentlichung)
79% (78%)
76% (72%)

discriminating power für beliebige Personen (Spurenanalyse)
0.96
0.94

exclusion chance in Vaterschaftsfällen
0.68
0.54

Untere Detektionsgrenze (Sensitivität) für Heterozygoten
30 pg
250 pg

Unterschiedbare DNA-Mischungen (Verhältnisangaben)
2:1, 3.5:1, 2:1, 3.5:1, 7:1

Hardy-Weinberg- Gleichgewicht (p-Wert)
+
(0.29054)

+
(0.00035)

Tabelle 2: Eigenschaften der STR-Systeme PKLR und D8S306

  • aus den Originalveröffentlichungen übernommen


Die beiden STR-Systeme D8S306 und PKLR können in der forensischen DNA-Diagnostik sowie bei Vaterschaftsuntersuchungen eine hilfreiche Ergänzung zu den Untersuchungen mit den Standard-STRs bieten. Besonders D8S306 ist wegen seiner hohen Sensitivität sowohl in Spurenfällen als auch bei der Konstruktion von Multiplexsystemen [3] gut einsetzbar.


Literatur

  • 1.Benecke M, Prinz M, Schmitt C: Forensic efficiency and german population data for the <A HREF="santiago.html">tetrameric STR polymorphism DHFRP2 (HUMFOLP23)</A>. Advances in Forensic Haemogenetics 6, 229-231
  • 2. Benecke, M, Schmitt C, Staak M., <A HREF="develop.html"> Development of a fast new STR triplex system for identification of urine</A> samples. Proceedings of the First European Symposium on Human Identification, Toulouse, 29.-31.5.1996 (Promega Corp.), in Druck
  • 3.Guo SW, Thompson EA (1992) Performing the exact test of Hardy-Weinberg proportion for multiple alleles. Biometrics 48: 361-372
  • 4.Kimpton CP, Gill P, Walton A, Urquhart A, Millican ES, Adams M (1993) Automated DNA profiling employing multiplex amplification of short tandem repeat loci. PCR Meth Appl 3: 13-22
  • 5.Klintschar M (1995) Validation of the STR system FES/FPS for forensic purposes in an austrian population sample. Int J Leg Med 108: 162-164
  • 6.Lenzner C, Jacobasch G, Reis A, Thiele B, Nürnberg P (1994) Trinucleotide repeat polymorphism at the PKLR locus. Hum Mol Gen 3: 523
  • 7.Lygo JE, Johnson PE, Holdaway DJ, Woodroffe S, Whitaker JP, Clayton TM, Kimpton CP, Gill P(1992) The validation of short tandem repeat (STR) loci for use in forensic casework. In J Leg Med 107: 77-89
  • 8.Nelson L, Riley R, Lu J, Robertson M, Ward K (1993) Tetranucleotide repeat polymorphism at the D8S306 locus. Hum Mol Gen 2: 1984
  • 9.Schmitt C, Schmutzler A, Prinz M, Staak M (1994) High sensitive DNA typing approaches for the analysis of forensic evidence: camparison of nested variable number of tandem repeats (VNTR) amplification and a short tandem repeats (STR) polymorphism. For Sci Int 66: 129-141
  • 10.Schmitt C, Prinz M (1996) Anwendbarkeit eines DNA-Sequenzierautomaten für die PCR-Typisierung von forensischen Spuren. Rechtsmedizin 6: 45-48
  • 11.Wiegand P, Budowle B, Rand S, Brinkmann B (1993) Forensic validation of the STR systems SE33 and TC11. Int J Leg Med 105: 315-320



Danksagung

MB wird vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften (BISP), Köln, unterstützt (Projektnummer VF 0407/08/03/95). MB dankt Dr. Plewe (Math. Inst. d. Univ. zu Köln), Dr. Brenner (Berkeley, Ca.) und Dr. Klintschar (Inst. f. gerichtl. Med. der Univ. Graz) für die Diskussion mathematischer Fragen. Dr. Edelmann (Inst. f. gerichtl. Med. d. Univ. Leipzig) hat freundlicherweise die exact test-Werte und die expected exclusion chance in Vaterschaftfällen berechnet.


Annnotation

In Guo & Thompsons original paper two minor errors were detected. In fomula (1) k is m; in the nominator of the same formula, < has to be substituted by "greater than/equal" or "lesser than/equal".


Lesetipps


Dr. rer. medic. Mark Benecke · Diplombiologe (verliehen in Deutschland) · Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung von biologischen Spuren (IHK Köln) · Landsberg-Str. 16, 50678 Köln, Deutschland, E-Mail: forensic@benecke.com · www.benecke.com · Umsatzsteueridentifikationsnummer: ID: DE212749258 · Aufsichtsbehörde: Industrie- und Handelskammer zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Deutschland · Fallbearbeitung und Termine nur auf echtem Papier. Absprachen per E-mail sind nur vorläufige Gedanken und nicht bindend. 🗺 Dr. Mark Benecke, M. Sc., Ph.D. · Certified & Sworn In Forensic Biologist · International Forensic Research & Consulting · Postfach 250411 · 50520 Cologne · Germany · Text SMS in criminalistic emergencies (never call me): +49.171.177.1273 · Anonymous calls & suppressed numbers will never be answered. · Dies ist eine Notfall-Nummer für SMS in aktuellen, kriminalistischen Notfällen). · Rufen Sie niemals an. · If it is not an actual emergency, send an e-mail. · If it is an actual emergency, send a text message (SMS) · Never call. · Facebook Fan Site · Benecke Homepage · Instagram Fan Page · Datenschutz-Erklärung · Impressum · Archive Page · Kein Kontakt über soziale Netzwerke. · Never contact me via social networks since I never read messages & comments there.