1996 Sueddeutsche Zeitung: Urinproben auf der Spur
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe 223/1996, Seite 37
Urinproben auf der Spur
Neue Methode macht Doping-Sündern das Mogeln schwer
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VON MARK BENECKE
Seit kurzem ist es möglich, der dreist geübten Notwendigkeit zu begegnen, mit der Sportler ihr eigenes Urin gegen dopingsubstanzfreies vertauschen. Am Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaften in jahrelanger Kleinarbeit eine neue Reaktion erarbeitet, die die Herkunft einer Urinprobe eindeutig festzustellen erlaubt.
Dazu wird aus den wenigen in einer Urinprobe enthaltenen Epithelzellen die Erbsubstanz DNA gewonnen und an ausgewählten Stellen vervielfältigt. Innerhalb eines Tages können die Kölner Forscher dann das entstehende Muster mit demjenigen vergleichen, das in anderen Körperzellen (beispielsweise aus Speichel oder Blut) der betreffenden Sportler vorliegt. Stimmt das Muster in Urin und Verleichszellen überein, so stammt das Urin von dem Spender, andernfalls handelt es sich um eine vom Sportler vertauschte Probe.
Als Fortentwicklung der Polymerasekettenreaktion werden bei der Multiplex-PCR mehrere nichtkodierende DNA-Abschnitte nicht mehr einzeln, sondern gemeinsam vervielfältigt. Die Methode ist dadurch nicht nur besonders schnell, sondern sie spart auch sehr teure Ausgangschemikalien ein. In einer Flüssigkeitmenge von nur 50 µL - so viel wie ein kleiner Tropfen aus dem Wasserhahn - entstehen die DNA-Fragmente, die nach der elektrophoretischen Auftrennung in einem Gel ein Bandenmuster ergeben, dessen Zusammenstellung mit hoher Wahrscheinlichkeit für nur eine Person charakteristisch ist.
Außer dem eigentlichen Bandenmuster liefert der rechtsmedizinische Zugriff aufs Erbgut keine zusätzlichen Auskünfte, etwa über Krankheiten oder Charakterzüge: Die bei der DNA-Typisierung vervielfältigten Bereiche liegen außerhalb der informationstragenden Gene.
Die eigens für Urinuntersuchungen entwickelte Kölner Methode wird im Detail erstmals auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (24.-28. September 1996) in Zürich vorgestellt. Der kriminalistische Teil der Dopinganalytik kommt damit einen großen Schritt voran. Fortan ist der Aufwand, den die SportlerInnen zur Vertauschung ihrer Urine betreiben, doppelt unsinnig. Erstens erlaubt die DNA-Typisierung jetzt die sichere Herkunfstsbestimmung jeder Urinprobe aus Dopingkontrollen. Zweitens ist das Doping schon seit langem eine nicht nur ehrabschneidende, sondern oft auch ungelenke Unterstützung des tatsächlichen sportlichen Könnens. Der Grund: Einen Großteil der putschenden Tropfen und Pillen schlucken die SportlerInnen, ohne die Zusammensetzung der Arzneien, geschweige denn ihre Wirkungen zu verstehen. Andernfalls würden sie wohl auf Wundermittelchen wie verschiedene Wachstumshormone verzichten. Denn in vielen Fällen bewirken fragwürdige Dopingsubstanzen wie diese - abgesehen von einer veränderten Körperbehaarung - rein gar nichts.
Mit großem Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
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