Medellin
Quelle: BDK, blickpunkt (2006) 3:11-12
Insekten auf Leichen in Kolumbien
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VON MARK BENECKE
Medellin ist eine riesengroße Stadt, die in
etwa die Rolle Kölns hat: Man lässt sich
von “denen da oben” nix sagen, feiert
stattdessen lieber kräftig und nennt sich
stolz “Paisa”. Ein(e) Paisa ist bodenständig,
echt und gehört nicht zu den (angeblich)
Großkopferten aus Bogotá, der Hauptstadt
Kolumbiens.
Der Schatten des alten Medellin-Kartells
unter Pablo Escobar (er wurde nach einer
Jagd, die an die nach dem Räuber Kneißl
erinnerte, erschossen) ist mittlerweile
verweht. Allerdings weiss jeder, dass die
Stadt nicht so gute Straßen, Krankenhäuser und Supermärkte hätte, wenn Pablo damals
nicht das Drogengeld in Massen in die Region gebracht hätte. Das garantierte ihm auf
seiner Flucht Schutz, da er in wörtlich jede Wohnung in Medellin gehen konnte und man
ihm dort stets ein Dach bot. Die spätere Erschießung durch die U.S.-Amerikaner (sie
werden von allen Paisas geringschätzig als “Gringos” bezeichnet) war übrigens ein irrer
Rohrkrepierer. Es übernahm stattdessen einfach das Kokain- und Waffen-Kartell aus Cali
die Pfründe der Drogenhändler aus Medellin. Um das zu verwirklichen, halfen die Drogenhändler aus Cali sogar den
amerikanischen Häschern. So wurden sie ihre
Konkurrenz eben am wirkungsvollsten los.
Davon unbeirrt führe ich vor Ort (entweder
in Bogotá oder Medellin) mit der sehr guten
Insektenkundlerin Marta Wolff forensische
Kurse zum Thema “Insekten auf Leichen”
durch.
Sieht man einmal davon ab, dass kurz vor
dem letzen Kurs einer unserer Studenten
entführt wurde und erst ein Jahr später
(wohlbehalten) wieder auftauchte, und findet
man sich damit ab, im Urwald auch einmal Vogelspinnen und Geiern zu begegnen, so ist
das Training immer wieder Grund zu Staunen.
Nicht nur gibt es wunderschöne
Schmeißfliegenarten in Kolumbien - einem
der artenreichsten Länder der Erde -,
sondern die Staatsanwälte haben auch ihre
eigene Art von Humor. Die mitgebrachten
4711-Erfrischungstüchlein nahmen sie
beispielsweise mit der Frage entgegen, ob
das Kondome seien, und im Urwald ekelten
sie sich vor so ziemlich jedem Lebewesen,
das wir ihnen auf unseren verfaulenden
Schweinen zeigten. Und das, obwohl die
KollegInnen es dort mit bis zu dreihundert
(!) Tötungsdelikten pro Tag (!) zu tun
haben…
Wer übrigens einmal mit mir nach Kolumbien
will, soll es mir gerne sagen. Dort fand erstens
gerade eine interessante Umstellung des
Strafrechtssystems statt. Zweitens sitzt dort
Luis Alfredo Garavito ein, der über 200
Kinder umgebracht hat, aber vermutlich eines
Tages wieder frei kommt, da die Höchststrafe
um 30 Jahre beträgt und Sicherheitsverwahrung
bislang nicht vorgesehen ist.
Übrigens sind Kolumbianer äußerst coole,
nette und freundliche Menschen, was die Arbeit
dort zu einem echten Vergnügen macht.
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