Der Donaldist: Blutengel
Quelle: MifüMi 123 (Mitteilungen für Mitglieder der D.O.N.A.L.D.). In: Der Donaldist 140 (2011), Seiten 4 bis 5
Blutengel
Der dunkle Donaldist - Mark Benecke trifft Chris Pohl
Das etwas andere Interview
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VON MARK BENECKE
Chris Pohl ist der mit Abstand bekannteste Schwarzkittel und größte Superstar der gruftigen Szenen (die meisten LeserInnen kennen vermutlich den „Grafen“ von „Unheilig“ -- Chris Pohl ist das kompromisslose, echte Vorbild, bei dem statt Tränen vorwiegend Blut fließt. Im März 2011 hatte seine Band „Blutengel“ mal wieder eine Platzierung in den Charts (Platz 12), was unglaublich cool ist -- besonders, wenn man, wie in seinem neuen Video, in erster Linie die düsterste Seite des Vampirseins und der blutigen Romantik besingt und nicht die blauen Berge, tiefen Seen und lustigen Wiesenblumen.
Für mich völlig unerwartet und mit fetter Fallhöhe ist der Band-Chef auch treuest möglicher Donald Duck-Freund. Grund genug für einen Studio-Besuch in Berlin-Kreuzberg, bei dem ihm zu seiner Freude neben dem frisch gedruckten Stadtplan von Entenhausen, Ehapa-Veriante, auch ein dickes Kompendium mit Carl-Barks-Geschichten überreicht wurde, siehe Fotos. Dies sollte mittelfristig auch eine Entfremdung von den LTB bewirken.
Mark: Wir sind hier im Studio namens „Fear Section“, und ... (es ertönt plötzlich fröhliches Vogelgezwitscher) ... äh ... draußen singen aus unerklärlichen Gründen die Vögel. Sind hier Backplaumen im Raum?
Chris: Vögel? Die waren noch nie da. Jetzt geht's aber ab hier.
Gruselig! Aber zum Thema. Ich habe in den aktuellen Ausgaben der extremgruftigen Szene-Organe Orkus oder Zillo in denen soeben ein fünftteiliges Interview mit Dir erscheint, gelesen, dass Du früher Donald-Fan warst und es immer noch bist.
Richtig.
Die Gothic-Szene ist ja überwiegend düster, Donald aber oft lustig. Ist er das für Dich auch?
In gewisser Weise, aber eher tragikkomisch. Als Kind liest Du das natürlich logischerweise eher als Belustigung. Aber es hat ja auch einen ersten Hintergrund: Er ist vom Pech verfolgt, was eigentlich dramatisch-traurig ist.
Er ist ein Pechvogel...
...der immer mit einem blauen Auge davonkommt. Ich lese das aber schon, weil ich es lustig finde.
Wann eigentlich? Abends im Bett?
Nein, da lese ich andere Sachen. Ich lese sehr oft auf dem Klo, und morgens beim frühstücken, beim Kaffee trinken. Ich habe das „Lustige Taschenbuch“ abonniert, seit ... kann ich gar nicht mehr denken. Ich habe sogar die Nummer Eins.
Du hast alle „Lustigen Taschenbücher“ so dass die Rücken im Regal ein Muster ergeben?
Dafür habe ich leider nicht den Platz. Die letzten Ausgaben stehen schon im Regal. Die ersten Ausgaben,
die ich als Kind gelesen habe, sind aber in einem Koffer verpackt im Keller.
Sind Dir irgendwelche der alten Donald-Geschichten im Gedächtnis geblieben? Viele waren ja in Wirklichkeit Stücke von Shakespeare und andere nur Quatsch, wo Donald dann als „Phantomias“ auftritt. Mit welcher Figur kannst Du Dich da am ehesten anfreunden?
Tja ... jetzt müsste ich eigentlich sagen, mit dem Superhelden. Aber in gewisser Weise eher nicht. Eher mit diesem Gestressten und den ganzen Einflüssen, denen er sich da Tag für Tag aussetzen muss. Mit seinen Neffen und seinem bösen Onkel, der ja gar nicht böse ist. Das bereitet ihm Stress.
Dagobert will eigentlich nur geliebt werden. Das wissen wir aus einer Weihnachtsgeschichte im U-Boot und von Dagoberts Jugendliebe Nelly, dem Stern des Nordens.
Eigentlich schon, richtig. Mit dem Identifizieren ist es bei mir vielleicht so: Morgens, wenn ich aufstehe, bin ich auch ein Niemand, und da fällt mir vielleicht auch schon mal die Kaffeetasse runter, und wenn ich dann auf der Bühne stehe, bin ich auch der Superheld, in gewisser Weise. Diese zwei Seiten finde ich ganz interessant.
Hast Du denn auch lästige Menschen in Deinem Leben, die Dir wie die Neffen vorkommen und denen Du auch gerne mal mit einer Gerte hinterher laufen möchtest, wie Donald am Ende vieler Geschichten?
Außer meinem Mitarbeiter eigentlich niemandem, haha. Wobei man sagen muss, dass die Kleinen ja nicht nur nerven, sondern sie sind ja auch recht intelligent. Genau das, was Donald abgeht an Intelligenz, das kompensieren ja dann die drei kleinen Neffen.
Wir unterscheiden ja zwischen den verschiedenen Zeichnern. Interessiert Dich so was?
Mich interessiert das ganze Universum, aber es gibt tatsächlich auch einige Zeichner, die ich nicht so mag. Es gibt auch gerade von den neueren einige Geschichten, die ich ziemlich gut finde. Ich mag aber eher diese weichen Sachen, also diesen Stil hier (Carl
Barks) finde ich optisch am ansprechendsten.
Meinst Du, es könnte Image-Probleme nach sich ziehen, wenn sich herumspricht, dass der düsterste und blutigste Held im Grufti - Universum Donald-Fan ist?
Nee. Wer sich mit mir beschäftigt, der weiß, dass ich zwei Seiten habe. Das, was ich auf der Bühne mache, betreibe ich schon sehr ernst. Aber genauso gibt es auch die andere Seite von mir, die total normal ist und eher lustig. Ich denke schon, dass ich Humor habe. Ich bin, wie ich bin. Wenn man mich nur von der Bühne kennt, bin ich natürlich der arrogante, böse Chris von Blutengel, aber Leute, die mich privat kennen, würden niemals sagen, dass ich dem entspreche. Wobei es auch ein Teil von mir ist. Aber so sehen mich die Leute, die mich privat kennen, nicht.
Bei Donald ist das ja auch so, nur dass er seine Geschicke nicht steuern kann, anders als Du.
Richtig. Das ist das Gute bei mir.
Dagobert ist Donalds Gegenpart, er ist immer geizig und schlecht gelaunt ...
... und hat große Probleme mit einem Groupie: Gitta ...
... sowie mit Gundel Gaukeley wegen dem Zehner. Hast Du auch so jemanden in Deinem Leben?
Wenn man von der Plattenindustrie ausgeht, würde ich Dagobert schon mit dem Chef von meinem Label gleichsetzen. Dort zählt natürlich eher das Geld als andere Sachen. Ich könnt da schon gewisse Parallelen ziehen.
Darf ich das schreiben?
Natürlich. Ich mag ihn ja. Er ist ja auch ein guter Kumpel, aber er ist auch fürs Geld zuständig. Als Künstler hast Du Deine Ideen, wo halt auch mal jemand gucken muss und sagen: Nee, das bringt wirtschaftlich gar nix, das ist eine doofe Idee.
Vielleicht doch ein positiver Aspekt an Dagobert.
In gewisser Weise schon. Er kann zumindest mit Geld umgehen.
Hast Du noch eine andere Lieblingsfigur?
Nö. Gustav sicher nicht, der hat zu viel Glück, das ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Neffen find‘ ich ganz klar ziemlich cool, weil die alles wissen, mit wandelndem Lexikon, die haben alles drauf, wissen auf alles eine Antwort. Das finde ich sehr p r a k t i s c h , das hätte ich auch gerne.
Im Grunde erschaffst Du ja auch Fantasie-Welten, das passt eigentlich gut ... hier Entenhausen, da Kreuzberg ...
Richtig, es gibt vielleicht nur die zwei: Entenhausen und Kreuzberg.
Super Schlusswort. Vielen Dank für Deine Zeit und die sehr nette Einladung. Das Interview erschien in Auszügen vorab in schwarzen Szene-Publikationen, wo es das erwartete Befremden nach sich zog. Hier sehe ich wie schon angedeutet einen Ansatzpunkt zur verstärkten Donaldisierung außerhalb von Schule und Schöngeistigem. Ich werde nach Möglichkeit weitere Stars outen. Grrkztrrtschrwzkaja!
In dieser Serie bisher dabei:
Lesetipps
- Schwule EntenhausenerInnen (Radio-Beitrag)
- Entenhausen Underground (U-Comix 2016)