2015 01 Taetowiermagazin: Maden made by Madendoktor
Quelle: Tätowiermagazin 1/2015, Seite 144
Maden made by Madendoktor
Kolumne mit Mark Benecke
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Von Mark Benecke
Dass die Welt wundervoll ist, weiß jeder, der diese von Tätowier-Urgestein Herbert
Hoffmann geerbte Kolumne hin und wieder liest. Für Jüngere: Herbert tätowierte bis zu seinem Tod im Alter von 90 Jahren auf Conventions seinen typischen Anker. Zuletzt ging das nur noch mit etwas krakeligen Linien, aber er wollte auf die Haut der »Tattoo-Fans oder Tätowierer«, wie er vor jedem Tattoo freundlich lächelnd fragte, seine von tätowierter Freundschaft erfüllte Spur hinterlassen.
Vier Jahre nach Herberts Tod stehen meine Gattin Ines und ich mit drei Rotary-Tattoo-Maschinen und jeder Menge Nadeln und Einmal-
Griffstücken (letztere gesponsert von Premier Products) auf der Tattoomenta in Kassel in einem winzigen Quadrat, das für Olli Loniens
Studio reserviert war: nahe der Bühne, bei Freulein Fux, sozusagen am mittensten drin. Aaaargh! Unsere Idee: Wir tätowieren täglich zwei Stündchen Quatsch-Anker, Vampir-Smileys und Käferchen als »Autogramm«. So machen es die Studierenden und ich manchmal
im Forensik-Kurs (TM 11/2012, S. 144).
Doch haha: Fast alle Fragenden – das »Vorlagenbuch
« war die Rückseite eines gebrauchten
Briefumschlages – wollten kleine Souvenirs.
Einfach so, ohne dicke Story: Herzchen
hinterm Ohr, Mini-Sternchen am Handgelenk,
Smileys am Knöchel. Was echte TätowiererInnen
am Sinn des Daseins zweifeln
lässt, stemmten wir auf vier Quadratmetern
sechzehn Stunden lang weg. Unsere coolen
Standnachbarn, zunächst noch etwas skeptisch,
mussten schließlich selbst lachen: Zwei
Gruftis im Kampf für Liebe und Gerechtigkeit
mit dem endlos wiederholten Hinweis, dass
mit »Trash« die ursprüngliche und nicht die
Coole-Sau-Bedeutung gemeint ist.
Also knallten wir verliebten Pärchen
Glücksspielkarten auf die Finger, einem harten
Jungen »Fuck« in die Lippe sowie einen
Vampir auf den dicken Onkel. Eine frankophile
Lady erhielt den Umriss Frankreichs, denn
den »wollte mir keiner stechen, weil dann
nix Großes mehr hinpasst«. Es gab Herzchen
mit »Mama« drin (yes!) und Maden mit der
Zusatzbeschriftung »Made«, damit man das
Bild auch erkennt. Zwei chefmäßige Brothers,
von denen einer trotz sofortigem 4711-Einsatz
umkippte, erhielten ein New-York-Hardcore-
Logo (Agnostic Front & Co.), und die bezaubernden
Tattoomenta-Garderobieren wollten und kriegten je einen Kleiderbügel. Einer besonders
mutigen Lady verzierte ich ein zuvor
lupenrein geiles Tattoo mit einem versteckten
Krakel-»221B« – Sherlockianer wie ich wissen
so was zu schätzen.
Ines und ich haben geschwitzt, gelacht und uns saumäßig gefreut, dass wir statt eines Fan-Aufl aufs (»sind Leichen nicht ekelig und wie kann ich ein Praktikum machen?«) fast nur Menschen trafen, die ums Verrecken keinen Tätowierer für ihre Mini-Wünsche gefunden hatten. Die Kohle – nicht alle konnten zahlen ;) – geht an Peta, bei denen man Kindern unter anderem erklärt, warum es Insekten gibt und weshalb man Kühe und Schweine streicheln, aber nicht essen soll. Gelernt haben wir: Für manchen kann das Herzchen hinterm Ohr so schön und bewegend sein wie für andere ein japanischer Sleeve. Auch, wenn viele normalere Menschen nicht so sehr auf die Kacke hauen, sind sie doch eines: Tattoo-Fans. Das hätte Herbert gefallen, und es gefällt auch uns. Sogar sehr.
Mit einem friedlichen »Ahoi« ins Jenseits und lächelnden
Grüßen an unsere Tattoo-Fans der anderen
Art – die Euren: Marky Mark und Ines