2012 Seminarfacharbeit Bach, Rauh Voelker: Difference between revisions

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Mitglied in der Sherlock-Holmes-Gesellschaft. Bitte nicht wundern, wenn ich ihn schon zum
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zweiten Mal erwähne.) Allerdings untersuche ich auch angeblich paranormale Fälle. Find ich
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auch super, guckt mal unter http://skeptiker. de/
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'''<font color=orange>Schüler: Gab es im Laufe der Geschichte einen Kriminalfall, den Sie besonders interessant
'''<font color=orange>Schüler: Gab es im Laufe der Geschichte einen Kriminalfall, den Sie besonders interessant

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Die Forensik - Eine unerlässliche Wissenschaft für die Verbrechensbekämpfung

[Weitere Facharbeiten über Insekten] [Weitere Facharbeiten über DNA] [Mehr zu Crime & Co.] [Über MB]


VON Kathrin Bach, Elisa Rauh, Marie-Luise Völker

Staatliches Gymnasium Sonneberg
Jahrgangstufe 13
Abgabedatum: 15. Oktober 2012
Seminarfachlehrerin: Frau Kerstin Dietrich
Fachbetreuer: Herr Burghard End

[Hier gibt es die Facharbeit als .pdf]



Einleitung

„Es ist ein Mord verübt worden, und der Mörder ist ein Mann. Er ist über sechs Fuß groß, im besten Alter, hat für seine Größe kleine Füße, trägt grobe Stiefel, die vorn viereckig enden, und hat eine Trichinopoly-Zigarre geraucht“. Diese Worte legte Sir Arthur Conan Doyle dem Detektiv Sherlock Holmes in seinem Debütroman Eine Studie in Scharlachrot in den Mund. Was für den Leser ebenso wie Dr. Watson verblüffend klingen mag, war schon damals und ist heute selbstverständlicherweise keine pure Fantasie. Vielmehr besaß Sherlock Holmes nicht nur eine genaue Beobachtungsgabe, sondern wendete auch naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden in der Kriminalistik an. In der Tat ist es schon lange nicht mehr die Ermittlungsarbeit von Miss Marple und Co allein, die Kriminalfälle löst; Erkenntnisse aus der Physik, der Biologie, der Chemie und der Medizin spielen inzwischen genauso eine essentielle Rolle bei der Verbrechensaufklärung. Polizeiliche Ermittlungen ohne die Arbeit der Kriminaltechnischen Untersuchung oder der Gerichtsmedizin sind mittlerweile unvorstellbar geworden. Doch nicht nur bei der Polizei, auch in den Medien ist die Forensik stets präsent. Tatsächlich war neben unserem Beschluss, eine Seminarfacharbeit mit naturwissenschaftlichem Charakter zu verfassen, unser Interesse für Kriminalromane und -filme sowie die Vorkenntnisse, welche wir aus diesen gewannen, ausschlaggebend für unsere Themenwahl.

Jedoch mussten wir feststellen, dass trotz der endlosen Stapel an Büchern von Simon Beckett, Kathy Reichs oder Patricia Cornwell in den Buchhandlungen und den hohen Einschaltquoten bei Tatort, CSI oder Bones der Begriff Forensik im deutschsprachigen Raum weitestgehend unbekannt ist. Deshalb setzen wir uns das Ziel, mit unserer Seminarfacharbeit einen Einblick in die Möglichkeiten der forensischen Wissenschaft zu geben sowie ihre Bedeutung bei der Lösung von Kriminalfällen hervorzuheben. Da die Forensik jedoch ein sehr breites Spektrum an Teilgebieten aufweist und vielfältige Einsatzmöglichkeiten (etwa auch in der Archäologie) besitzt, beschränken wir uns auf ihre wesentlichen Aspekte für die Verbrechensaufklärung. Die Bearbeitung aller forensischen Disziplinen wäre zu umfangreich für eine Seminarfacharbeit.

Um den Wahrheitsanspruch unserer wissenschaftlichen Arbeit gerecht zu werden, liegen ihr vor allem Fachbücher und ein Interview (s. Abb.1) mit Deutschlands bekanntesten Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke (Autor mehrerer kriminalistischer Bücher) sowie ein Vortrag desselben als Informationsquelle zugrunde. Aufgrund des bereits erwähnten allgemeinen Interesses an der Forensik, bildet ebenso das Internet eine Recherchegrundlage für unsere Arbeit. Zusätzlich basiert unsere Seminarfacharbeit auf einigen Experimenten, die einer selbstständigen Überprüfung der in Erfahrung gebrachten Erkenntnisse dienen. Speziell durch diese praktischen Anwendungen sowie einen Besuch in der Gerichtsmedizin Erlangen erhoffen wir uns, einen Einblick in die wirkliche Arbeit eines Forensikers zu erhalten.


Begriffsklärung Forensik und ihre Teilgebiete

Der Begriff Forensik stammt von dem lateinischen Wort forum (deutsch: Marktplatz, Forum). Dies lässt sich darauf zurückführen, dass im antiken Rom auf dem Marktplatz Gerichtsverfahren, Untersuchung, Urteilsverkündung sowie der Strafvollzug durchgeführt wurden. Heute werden unter diesem Begriff alle Arbeitsgebiete zusammengefasst, welche zur Identifizierung, Analysierung und Rekonstruktion krimineller Handlungen beitragen. Dazu zählt als ein wichtiger Punkt der Analysierung die Traumatologie (griechisch für Wundenkunde). Diese ist genauer definiert ein „Teilbereich der Medizin, d[as] sich mit der Prävention, Entstehung, Diagnose und Therapie von Verletzungen und Wunden beschäftigen".

Die Toxikologie „ist die Lehre von den Giften, das heißt die Lehre von den schädlichen Wirkungen chemischer Substanzen auf lebende Organismen“. Auch die Ballistik, die Lehre von geworfenen Körpern, fällt unter die Sachgebiete der Forensik. Mit ihrer Hilfe werden Zusammenhänge zwischen Geschoss, Ausstoßlastung und Abschussvorrichtung einer Schusswaffe analysiert.

Durch die Entomologie, die Lehre von Insekten, erlangt man durch die Leichenbesiedlung der Insekten wichtige Hinweise über die Liegezeit, Todesursache und Todesumstände.

Weiterhin gehört auch die Osteologie zu den Teilgebieten der Forensik. Der Begriff Osteologie stammt aus dem Griechischen (osteon = Knochen; logos = Lehre) und bedeutet übersetzt die Lehre von Knochen bzw. Lehre von Skelettsystemen. In der Forensik werden mithilfe der Osteologie überwiegend bis nahezu vollständig skelettierte Leichen, vollständige oder unvollständige Skelette, einzelne Knochen und sogar Knochenfragmente identifiziert. Zu diesem Zweck werden Geschlecht, Alter, eventuelle Krankheiten oder Verletzungen sowie die Liegezeit bestimmt.In Deutschland erfolgen die wissenschaftlichen Untersuchungen meist durch Rechtsmediziner oder Anthropologen. Während Rechtsmediziner für Leichen mit kürzerer Liegezeit zuständig sind, untersuchen Anthropologen häufig historische Skelettfunde.

Als weitere Disziplin der Forensik beschäftigt sich die forensische Odontologie beschäftigt sich hauptsächlich mit der Identifikation unbekannter Leichen. Aufgrund verschiedenster Kombinationsmöglichkeiten aus zahlreichen zahnärztlichen Behandlungen entsteht bei jeden Menschen ein praktisch einmaliger Zahnstatus, an welchen man Personen identifizieren kann. Eine weitere Aufgabe der Odontologie ist z.B. die Altersschätzung unbekannter Leichen. Außerdem können auch Bissspuren untersucht werden, um den Täter in einem Gewaltverbrechen zu identifizieren.

Weiterhin gehört auch die Daktyloskopie zur Forensik. Der Begriff Daktyloskopie stammt aus dem griechischen (daktylos = Finger, skopein = schauen) und bedeutet wörtlich übersetzt Fingerschau. Diese Wissenschaft untersucht die verschiedenen Muster der Papillarlinien (s. Glossar und Abb. 2) an den Fingern. Dieses ist bei jedem Menschen anders und bleibt während der gesamten Lebenszeit unverändert. Aufgrund dieser Eigenschaften eignen sie sich sehr gut zur Identifikation von Personen.

In der Forensik findet auch die Serologie, ein Teilgebiet der Immunologie, das sich vor allem mit dem Blutserum beschäftigt, Verwendung. Untersucht werden hier vor allem Reaktionen von Antikörpern und Antigenen mit dem Zweck, bestimmte Stoffe, Krankheitserreger oder vom Körper gebildete Antikörper nachzuweisen und somit möglicherweise eine Person identifizieren zu können.

Doch wohl eine der bekanntesten Disziplinen der Forensik ist die DNA-Analyse. „Alle Körperflüssigkeiten – vor allem Blut – enthalten Substanzen, die essenziell für die Aufklärung von Verbrechen sind“, denn in diesen Substanzen ist DNS (Desoxyribonukleinsäure, engl. DNA) vorhanden. Diese unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Der Vergleich der genetischen Spuren kann deshalb als ein wichtiger Schritt in der Verbrechensaufklärung bezeichnet werden. Voraussetzungen für die DNA-Analyse sind vorhandene Proben vom Tatort (z.B. Blut, Haare, Speichel, Samenflüssigkeit und kleine Hautschuppen) und eine vorhandene DNA-Probe des Verdächtigen zum Vergleich. Bei Menschen und Tieren sind viele Gene identisch (sie steuern z.B. die Ausbildung von zwei Beinen und zwei Armen). Wahrscheinlich sind 99,5% der DNA bei allen Menschen ähnlich. Nur die übrigen 0,5% sind interessant für die forensischen Wissenschaftler. Diese können mithilfe der spezifischen Gene Aussagen über Geschlecht, Haar-, Augen- und Hautfarbe treffen.

Andere Disziplinen der Forensik sind die forensische Psychiatrie und die Computer- Forensik. Auf diese werden wir allerdings aufgrund des begrenzten Umfangs unserer Seminarfacharbeit nicht weiter eingehen. Die Forensik ist eine unerlässliche Wissenschaft zur Verbrechensaufklärung, denn „[s]ie ist die einzige, die objektiv sein kann - und das entlastet viele Menschen. Die anderen Techniken dienen eher zur Belastung. Das ist schon mal ein Riesen- Vorteil. Abgesehen davon sind die Spuren nicht in erster Linie von Meinungen, hoffen, wollen und wünschen abhängig, sondern stehen zunächst einmal für sich selbst“.

Die Geschichte der Forensik

Zwischen Aberglaube und Kriminallabor - die Entwicklung von Tatortuntersuchungen und der Autopsie seit dem Altertum

Ähnlich wie bei anderen Wissenschaften lassen sich auch die Wurzeln der Forensik bis zu den antiken Hochkulturen zurückverfolgen, denn „[b]ereits im Altertum beurteilten Sachverständige die Tödlichkeit einer Wunde oder die Wirkung eines Giftes“. Beispiele hierfür finden sich im alten Ägypten oder in Griechenland, wo zwischen 5. Jh. (=Jahrhundert) v. Chr. und 3. Jh. n. Chr. staatlich bezahlte Ärzte (allerdings nur nebenberuflich) Autopsien (Begriffsklärung s. 5.1) durchführten. Im antiken Rom war eine gerichtsmedizinische Obduktion (s. Glossar) sogar seit den Zwölftafelgesetzen (451/450 v. Chr.) vorgeschrieben, wobei um die Zeitenwende selbst die Anzahl und Lage der Wunden auf Formularen festgehalten wurden. Andererseits prägten auch falsche Beobachtungen und Aberglaube die Anfänge der Forensik im Römischen Reich: Jahrhunderte lang galten beispielsweise normale Leichenerscheinungen wie blauschwarze Flecke, Luftansammlungen unter der Haut oder ein übler Geruch ebenso wie das Fernbleiben von Aasfressern als Zeichen für eine Vergiftung.

Indes beschränken sich die Ursprünge der Forensik nicht nur auf Europa, sondern reichen bis in den fernen Osten. Altertümliche und mittelalterliche forensische Handbücher aus Indien oder China, etwa das Lehrbuch Hsi-yüan-lu (Aufzeichnungen über das Wegwaschen von Unrecht) des Juristen Sung Tz´u aus dem 13. Jh., enthielten u.a. Untersuchungsmethoden am Tatort (s. Abb. 3) oder die Bestimmung des Todeszeitpunktes anhand des Leichenzustandes sowie erste forensische Fälle. Die damaligen Kenntnisse, welche vor allem auf genauen Beobachtungen und ersten Experimenten mit Tierkadavern basierten, fanden aufgrund ihrer Fortschrittlichkeit selbst noch Jahrhunderte später Anwendung.

Doch auch in Europa ließ sich der Fortschritt der Forensik nach der Antike nicht aufhalten; ein ausdrückliches Sektionsverbot der katholischen Kirche im Mittelalter, welches mit dieser Zeit oft als Hindernis für die Wissenschaft in Verbindung gebracht wird, bleibt in der Fachliteratur umstritten. Tatsächlich fand 1302 in Bologna eine der ersten gerichtlichen Leichenöffnungen statt. Wenngleich mit dieser die tatsächliche Todesursache des angeblich Vergifteten nicht geklärt werden konnte, erkannte man immerhin, dass die Schwarzfärbung des Toten (entgegen des römischen Aberglaubens) auf Blutansammlungen in den Venen zurückging.

Die wissenschaftliche Ermittlung der Todesumstände gewann jedoch erst in der Neuzeit zunehmend an Bedeutung. Grundlagen hierfür finden sich beispielsweise 1532 im Gesetzestext Carolina Criminalis, der die Einbeziehung von Ärzten bei Mord und Körperverletzung in ganz Deutschland vorschrieb, oder 1594 in Padua, wo der erste Seziersaal, das Anatomische Theater, entstand. Im Prinzip nahm Italien zu Beginn der Neuzeit auf dem Gebiet der Forensik eine Art Vorreiterrolle ein, z.B. haben viele forensisch bedeutsame Schriften der damaligen Zeit dort ihren Ursprung, die „[a]bgesehen von manchem zeitbedingtem Irrtum und Vorurteil […] durchaus fortschrittliche Auffassungen“ enthielten. So wurde in ihnen u.a. die Vorstellung, Wunden Ermordeter begännen in Gegenwart des Mörders zu bluten, widerlegt. Vor allem ab dem 18. Jh. verschwand aber auch in Mitteleuropa zusehends alter Aberglaube und machte den Weg für die objektive Wissenschaft frei. Nun scheute man nämlich weniger Experimente und Untersuchungen an Leichen, um sich konkretes, forensisches Wissen anzueignen. Kenntnisse über Leichenstarre, Totenflecke oder Abkühlungsgeschwindigkeit zur Festlegung des Todeszeitpunktes (s. 5.2.2) waren etwa nur derart zu erlangen. Außerdem ermöglichten genaue Beobachtungen von Insekten auf Leichen den Todeszeitpunkt mit deren Hilfe, anstatt wie bisher mit der Wachstumsgeschwindigkeit von Wurzeln (was oft daran scheiterte, dass es auch im Freien liegende, nicht von Wurzeln durchwachsene Leichen gab), zu bestimmen (s. 5.2.2). Ebenso verdrängte das heutige Wissen über Ertrinken oder Ersticken (s. 5.2.1) nach unzähligen Tierversuchen und Leichenuntersuchungen mehrerer europäischer Wissenschaftler im 19. Jh. bis dato gültige, veralte Ansichten; so die Auffassung des griechisch-römischen Arztes Galen, Ertrinken würde durch eine Überfüllung von Magen und Darm verursacht werden. Dennoch herrschte bei den Wissenschaftlern bezüglich bestimmter Ansichten manchmal Uneinigkeit; einerseits, weil Konservative Neuerungen vehement ablehnten, andererseits, weil es oft mehrere neue Methoden auf dem gleichen Gebiet gab (z.B. existierten im 19. Jh. drei verschiedene Sektionstechniken → s. Abb. 4), die miteinander konkurrierten.

Vor allem profitierte jedoch die forensische Toxikologie von dem Fortschritt während der Neuzeit. Die Zahl der Giftmorde war damals sehr hoch; nachweisen konnte man die vielen verschiedenen Gifte anfangs aber nur mit einer eher einfachen Methode: Das Erbrochene des Vergifteten (bzw. der Mageninhalt des Toten) wurde an Tiere verfüttert und anschließend die äußeren Symptome begutachtet, um das Gift zu klassifizieren. Dies änderte sich zu Beginn des 18. Jh., als der niederländische Gelehrte Hermann Boerhaave eine erste chemische Giftanalyse entwickelte: Er legte das verdächtige Material auf glühende Kohlen und versuchte anhand des sich ausbreitenden Geruchs das Gift zu identifizieren. Wie zuverlässig diese Methode war, ist allerdings nicht bekannt; jedenfalls konnte sie sich nicht durchsetzen. Als Grundstein der forensischen Toxikologie gilt daher auch das um 1814 erschienene Werk Traité des poisons (Lehrbuch über Gifte) des französischen Chemikers Mathieu Joseph Bonaventure Orfila, der die Wirkung von Giften genau studiert und sich an Methoden zu ihrem Nachweis versucht hatte. Trotzdem gehen damals wichtige Giftnachweise auf andere europäische Chemiker zurück, z.B. erfand der Engländer James Marsh 1836 den bis dato modernsten Nachweis für das damalige Modegift Arsen (s. 7.1). Natürlich waren diese Methoden aber noch nicht mit den heutigen Hightech-Verfahren vergleichbar (s. 5.2.1).

Im Gegensatz dazu blieb die Forschung auf dem Gebiet der forensischen Ballistik lange sehr lückenhaft; die Werkgartnersche Stanzverletzung (s. 5.2.1) wurde beispielsweise erst 1924 durch den Wiener Gerichtsmediziner Anton Werkgartner beobachtet. Tatsächlich kam der forensischen Ballistik ursprünglich eine eher stiefkindliche Behandlung zu, da sie sich keinem Wissenschaftszweig richtig zuordnen ließ. Erst Ende des 19. Jh., als Schusswaffen zunehmend an Bedeutung gewannen, sah man sich zu genauen Forschungen gezwungen und begann z.B. mithilfe der Röntgenfotografie den Weg von Geschossen im Körper nachzuvollziehen.

Allerdings scheiterte die Klärung von Kriminalfällen zu dieser Zeit oft noch an der Vernichtung von Beweisen am Tatort und der fehlenden Spurensicherung. Die erste Tatortfotografie, welche den Tatort unverfälscht festhielt, stammt zwar bereits aus dem Jahr 1867, doch damals waren Fotografien einfach zu kostspielig, um sie zum Standardverfahren in der Kriminalistik zu machen. Bücher über dieses Thema, die Polizisten als Leitlinien für richtiges Verhalten am Tatort dienen sollten, erschienen erst Ende des 19. / Anfang des 20. Jh., verfasst u.a. von dem französischen Forensiker Edmond Locard, dem Schöpfer der Locard´schen Regel („Jede Berührung hinterlässt eine Spur“.) oder dem deutschen Kriminologieprofessor Hans Gross, der betonte, „dass die unwahrscheinlichsten Orte in Betracht gezogen werden müssten“29, um Beweismaterial sicherzustellen. Damals entstanden auch die ersten Kriminallabore zur sorgfältigen Untersuchung der gesicherten Spuren. Wie steinig der Weg dorthin jedoch war, lässt sich gut am Beispiel der Entwicklung von Blutnachweisen nachvollziehen: Lange Zeit existierte noch keine hinreichende Möglichkeit, an Tatorten oder der Kleidung von Tatverdächtigen Blut festzustellen. Meist wurde alles, was wie Blut aussah oder sich beim Anfeuchten mit Wasser rötlich färbte, schlichtweg als Blut klassifiziert. Erste zuverlässige, chemische Blutnachweise entstanden erst Mitte des 19. Jh., z.B. der Nachweis mit Wasserstoffperoxid (s. Abb. 5) oder die nach ihrem Erfinder, dem Anatom Ludwig Teichmann-Stawiarski, benannte Teichmannsche Probe (s. Abb. 6). Zwar funktionierten diese auch ganz gut, da nach ihrer Durchführung aber die DNA-Stränge im Blut zerstört werden und somit eine moderne DNAAnalyse unmöglich wäre, ist heutzutage der Blutnachweis mit Luminol des Jenaer Chemikers Walter Specht aus dem Jahr 1936 in der Forensik üblich (s. 4.2).

===Vom Leichenschauhaus bis zur Gesichtsrekonstruktion - die Identifikation unbekannter Toter im Laufe der Geschichte===

Bis in das 19. Jh. hinein berief man sich auf eine eher konventionelle Methode zur Opferidentifikation: Leichenschauhäuser, in denen die Toten samt Kleidung auf Wagen geschnallt hinter Glas ausgestellt wurden (s. Abb. 7). Dieses Wiedererkennen durch die Besichtigung des Leichnams gilt als „das älteste Verfahren, um unbekannte Tote zu identifizieren“. Über mangelnden Zulauf konnte sich die Polizei angesichts der Neugier in der Bevölkerung auch nicht beschweren; dennoch wandte man sich zu Beginn des 19. Jh. vermehrt naturwissenschaftlichen Identifikationsmethoden zu, weil diese mehr Zuverlässigkeit als menschliche Aussagen versprachen. Ganz neu war dieser Gedanke allerdings nicht: Bereits im 1. Jh. n. Chr. vergewisserten sich Mutter und Gattin des römischen Kaisers Nero der Ermordung ihrer Rivalinnen, indem sie das Gebiss der Leiche mit Aufzeichnungen oder Erinnerungen zu Lebzeiten verglichen. Obwohl diese Vorgehensweise recht einfach und bis heute das Grundprinzip der forensischen Odontologie ist (s. 6.2), geriet dieses Teilgebiet der Forensik lange in Vergessenheit. Tatsächlich erlebte es erst Ende des 19. Jh., als mehrere Brandkatastrophen europäische Städte erschütterten (z.B. der Brand des Wiener Ringtheaters 1881), eine Renaissance. Die stark verkohlten Opfer konnten nämlich oft nur durch Goldfüllungen, fehlende Zähne, Zahnersatz oder andere Besonderheiten des Gebisses identifiziert werden. Da dieses Verfahren sehr schnell zum Erfolg führte, „fand der odontologische Vergleich als Identifizierungsmethode rasch Verbreitung und allgemeine Anerkennung“.

Bei einer anderen Methode zur Opferidentifikation, der forensischen Osteologie, lässt sich das späte Aufleben dagegen leichter erklären, denn hier waren erst langwierige und genaue Untersuchungen sowie Messreihen für die ersten Anwendungen notwendig. Zu den Pionieren auf diesem Gebiet zählen u.a. die französischen Gerichtsmediziner Mathieu Joseph Bonaventure Orfila und Octave Lesueur, die 1831 tabellarisch die Länge einzelner Gliedmaßenknochen mit der Körpergröße in Beziehung setzten, um diese beim Auffinden einzelner Knochen einschätzen zu können und den Opferkreis einzugrenzen. Auch wenn sich diesbezüglich die Vorgehensweise der forensischen Osteologie bis heute nicht geändert hat (s. 6.1.2), mussten die Angaben im Laufe der Zeit aufgrund der Zunahme der menschlichen Körpergröße immer wieder aktualisiert werden.

Erweitert wurden die Techniken beider Disziplinen unverhofft 1895 durch den Physiker Wilhelm Conrad Röntgen, der bei Experimenten mit Kathodenstrahlen die später nach ihm benannten Röntgenstrahlen entdeckte. Zwar fand die darauf basierende Röngtenfotografie anfangs vorwiegend nur Anwendung in der forensischen Ballistik (s. 3.1), jedoch erkannten viele Wissenschaftler bald ihren Wert für die Opferidentifikation, ermöglichte sie doch den Vergleich von Knochen und Gebissen unbekannter Toter mit Röntgenbildern zu Lebzeiten (s. Abb. 8). Praktischerweise kam dieses neuartige Verfahren gleichzeitig auch anderen Identifikationsmethoden zugute. Der Anatom Hermann Welcker, der bereits 1883 ein Verfahren zur zeichnerischen Gesichtsrekonstruktion basierend auf den unterschiedlichen Weichteildicken verschiedener Gesichtsregionen entwickelt hatte, präzisierte dieses beispielsweise nur wenige Monate nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen durch röntgenologische Weichteildickenmessungen an Lebenden. Solche Untersuchungen bewirkten außerdem, dass die zweidimensionale, zeichnerische Rekonstruktion zunehmend die dreidimensionale, plastische verdrängte. Zwar gelang dem Leipziger Anatom Wilhelm His bereits 1895 erstmalig eine plastische Gesichtsrekonstruktion am Schädel des Komponisten Johann Sebastian Bach, doch Ende des 19. Jh. „fehlten noch genügend Daten zu den Weichteildicken der verschiedenen Gesichtspartien“, die nun bestimmt werden konnten (mehr zu den Methoden der plastischen Gesichtsrekonstruktion s. 6.3). Seit Ende des 19. Jh. fand aber zunehmend auch das sog. Superprojektionsverfahren Anwendung (s. 6.3). Aufgrund der (Weiter-) Entwicklung von Fotografie und Röntgenfotografie konnte sich dieses rein fotografische Verfahren leicht durchsetzen und stellt bis heute neben der Gesichtsrekonstruktion mit dem Computer eine sehr gute, wenn auch zweidimensional Alternative zur plastischen Rekonstruktion dar.

Von der Spur zum Täter? - Ansätze und Möglichkeiten der Täteridentifikation im Wandel der Zeit

Schon im Altertum finden sich erste Ansätze zur Identifikation von Personen; auch wenn dabei nicht immer eine kriminalistische Verwendung im Vordergrund stand. So dienten bei den Assyrern und Babyloniern im 3. Jahrtausend v. Chr. sowie in Japan und China ab dem Jahr 1000 v. Chr. Papillarlinienmuster (s. Glossar) als Siegel oder zur Warenkennzeichnung. 1160 n. Chr. beschrieb der chinesische Schriftsteller Shi nai-ngan in seinem Kriminalroman Die Geschichte des Flussufers sogar erstmals die kriminalistische Anwendung des Fingerabdruckes zur Überführung zweier Mörderinnen, weshalb zu dieser Zeit Fingerabdrücke wahrscheinlich schon als Beweismittel bei Strafprozessen verwendet wurden.

In Europa hingegen ließen Möglichkeiten zur Täteridentifikation lange auf sich warten. Tatsächlich vertrauten viele Detektive bis in das 19. Jh. hinein noch ihrem Gedächtnis, um Verbrecher zu überführen. Allerdings mussten dafür (oft unzuverlässige) Augenzeugenberichte vorliegen oder der Täter bereits bekannt sein. Das gleiche Problem wiesen später auch erste Täterfotografien (erste fotografische Verfahren gab es ab der ersten Hälfte des 19. Jh.) auf, die zudem sehr teuer und zeitaufwändig waren sowie ohne feste Vorschriften bezüglich Beleuchtung oder Blickwinkel angefertigt wurden, was jegliche Systematik verhinderte. Erst 1823 befasste sich der tschechische Physiologe und Pathologe Johann Evangelista Purkinje mit menschlichen Fingerabdrücken und ermittelte neun Grundmustertypen (s. Abb. 9), womit er die Voraussetzung für spätere Klassifizierungssysteme schuf. Den ersten neuzeitlichen Versuch zur kriminalistischen Nutzung von Fingerabdrücken unternahm indes der englische Kolonialbeamte William Herschel, welcher 1858 in Bengalen die Einheimischen Verträge mit einem Handabdruck unterzeichnen ließ, um Betrügereien vorzubeugen. Zwar war er damit auch erfolgreich, dennoch traf 1877 sein Vorschlag, die Daktyloskopie versuchsweise in ganz Bengalen einzuführen, auf taube Ohren. 1880 kam der englische Arzt Henry Faulds (unabhängig von Herschel) ebenfalls auf die Idee, die Daktyloskopie für die Verbrechensaufklärung zu verwenden. Wie Herschel erkannte er die Bedeutung von „[Finger-]Abdrücke[n] als äußerst nützliches Beweismittel“ und schlug sogar die Anfertigung von Fingerabdrücken mit Druckerschwärze vor. Doch obwohl Faulds schon erste Fälle mit der Daktyloskopie löste, konnte er ebenso wenig wie Herschel zu ihrer offiziellen Einführung beitragen.

Vielmehr wandte sich das öffentliche Interesse anderen Identifikationsmöglichkeiten zu. Man versuchte z.B., Verbrecher anhand von Abdrücken kranker Hautpartien oder Mustern der Netzhaut bzw. der Venen zu überführen; was recht nutzlos war, da man solche Spuren nicht am Tatort findet. Paradoxerweise eroberte trotz anfänglicher Skepsis eine andere Methode, die den gleichen Mangel aufwies, Ende des 19. Jh. ganz Europa: die Anthropometrie (nach ihrem Erfinder auch oft Bertillonage genannt). Angeregt von der Erkenntnis des belgischen Statistikers Alphonse Jacques Quetelet aus dem Jahr 1840, kein Mensch gleiche einem anderen in sämtlichen Merkmalen, begann der Pariser Polizeibeamte Alphonse Bertillon systematisch elf ausgewählte Körpermaße eines jeden Verbrechers zu registrieren und katalogisieren (s. Abb. 10). Ergänzt wurden diese Maße von einem Foto, wobei die Aufnahme aller Bilder aus dem gleichen Blickwinkel und bei gleicher Beleuchtung erfolgte (s. Abb. 11), sowie dem sog. portrait parlè (sprechendes Bild), welches Angaben zu Augen- und Haarfarbe, Teint, körperlicher Konstitution, Narben oder Stimme enthielt (s. Abb. 12). Tatsächlich konnte diese Methode einige Erfolge beim Wiedererkennen bereits bekannter Straftäter verbuchen.

Doch die Entwicklung der Daktyloskopie kam damit keineswegs zum Stillstand. 1892 veröffentlichte der englische Anthropologe Francis Galton sein Werk Fingerprints über den Fingerabdruck als Identifizierungsmittel. Darin unterteilte er nicht nur die menschlichen Fingerabdrücke in drei Grundtypen (s. Abb. 13), sondern betonte ausdrücklich die Unveränderlichkeit des Fingerabdruckes und übte gleichzeitig mit der Bemerkung, Körpermaße und äußere Erscheinung würden nie ein Leben lang gleich bleiben, aufs Schärfste Kritik an Bertillon. Basierend auf Galtons Erkenntnissen erarbeitete der argentinische Polizist Juan Vucetich im gleichen Jahr sein eigenes Klassifizierungssystem, welches Galtons durchaus ähnelte. Vucetich konnte damit den weltweit ersten Fall mit Hilfe der Daktyloskopie lösen: Er überführte eine Mutter anhand eines blutigen Fingerabdruckes am Tatort des Mordes an ihren Kindern. Aufgrund dieses Erfolges führte Argentinien 1896 als erstes Land die Daktyloskopie in die Kriminalistik ein. Die Vorteile dieser Methode gegenüber der Bertillonage lagen auf der Hand: Der Zeitaufwand zur Identifikation verringerte sich wesentlich, Fingerabdrücke waren im Gegensatz zu Körpermaßen einmalig, ermöglichten die Identifikation noch unregistrierter Täter und wurden außerdem oft am Tatort aufgefunden. Daher verbreitete sich die Daktyloskopie auch rasch in Europa (z.B. ab 1901 in Großbritannien oder 1903 in Deutschland), nachdem der englische Polizist Edward Henry 1896 das Galton-Henry-System (einer Weiterentwicklung von Galtons System mit fünf Grundmustertypen → s. Abb. 14) entwarf. De facto haben sich die Grundmustertypen seitdem sogar nur wenig verändert (s. 6.4).

Doch wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird (s. 6.5), dienen nicht nur Fingerabdrücke allein zur Täteridentifikation; auch Sekrete wie Sperma oder Blut werden an Tatorten zurückgelassen. Allerdings existierten auf diesen Gebieten bis zum 20. Jh. keine ausreichenden Möglichkeiten zur Täteridentifikation. Zwar hatte der französische Chemiker Jean-Pierre Barruel 1829 die äußerst phantasievolle Idee, Blut mit Schwefelsäure zu versetzen und durch eine Geruchsprobe zumindest das Geschlecht der zugehörigen Person zu ermitteln (Männerblut sollte nach Männerschweiß; Frauenblut schwächer und nach Frauenschweiß riechen), doch, wie schon damals ein Kritiker bemerkte, ,[u]m so etwas zu riechen, wird […] eine Barruel ´sche Nase erforderlich seinʼ (s. Abb. 15). Als der Arzt Karl Landsteiner 1901 die Entdeckung der späteren Blutgruppen A, B und 0 bekannt gab (s. Abb. 16), welche 1902 um die Blutgruppe AB und 1940 den Rhesusfaktor (s. Glossar) erweitert wurden, bildete dies somit nicht nur eine wichtige Grundlage für die Bluttransfusion, sondern auch für die Forensik. Landsteiner selbst deutete bereits eine forensische Verwendung der Blutgruppen an; eingeführt in die spurenkundliche Praxis wurde die Blutgruppenbestimmung jedoch erst 1916 durch seinen italienischen Kollege Leone Lattes. Er gehörte u.a. zu jenen Wissenschaftlern, die zu Beginn des 20. Jh. herausfanden, dass sich die AB0-Eigenschaften nicht nur im Blut, sondern bei etwa 80% der Menschen (den sog. Sekretoren) auch in anderen Körpersekreten, etwa Sperma oder Speichel, finden, was für die Forensik äußerst wichtig ist.

Den letzten Grundstein für die Täteridentifikation legte 1986 der britische Genetiker Alec Jeffreys (s. Abb. 17) mit der Erfindung einer Analyse für genetische Fingerabdrücke, welche „[n]eben normalen Fingerabdrücken […] - seit etwa 1990 - die wichtigsten spurenkundlichen Ermittlungshilfen“ darstellen (mehr dazu s. 6.6).

Die Situation am Tatort

Veränderungen der Leichen vom Todeseintritt bis zum Fundzeitpunkt

Nach der Gesetzgebung ist ein Leichnam der Körper eines Toten oder ein lebensnotwendiges Körperteil, dessen Gewebe trotz Fäulnis noch intakt ist. Die Todesart, welche im Gegensatz zur Todesursache die Umstände des Todeseintritts beschreibt, spielt für die Behörden eine wichtige Rolle. Dabei unterscheidet man den natürlichen und den nichtnatürlichen Tod. Der ungeklärte Tod liegt vor, wenn bei der Autopsie nicht eindeutig der Einfluss von äußeren Kräften (umschließt Selbst- und Fremdverschulden) festgestellt wird.

Im Laufe der Zeit sind Veränderungen an den Leichen aufgrund von inneren und äußeren Faktoren zu finden, die sich weniger zur exakten Bestimmung des Todeszeitpunkts eignen, jedoch zur groben Orientierung dienen (effektivere Möglichkeiten werden in 5.2.2 beschrieben). Die Leichenveränderungen sind bei jedem Toten verschieden, auch hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit. Man unterscheidet die Leichenzersetzung und die Konservierung eines Körpers, wobei häufiger die Zersetzung eintritt. Oft ist auch Tierfraß an der Leiche zu finden.

Abbauprozesse sind die Autolyse, Fäulnis und Verwesung. Bei der Autolyse führen körpereigene Enzyme zu einer Selbstverdauung der Gewebe, dadurch kommt es beispielsweise zur Zersetzung der Bauchspeicheldrüse oder zum Erweichen des Gehirns. Körperfremde sowie körpereigene Bakterien sind die Ursache der Fäulnis, die zu Farbveränderungen, Erweichung und Verflüssigung von Organen und Geweben sowie zu Gasentwicklung führt. Die frühste wahrnehmbare Veränderung ist eine Grünfärbung der Unterbauchregion, da an dieser Stelle der Dickdarm am dichtesten zur Bauchwand liegt. Von dort breitet sich die Verfärbung auf den gesamten Körper aus. Auch deutlich erkennbar ist das Aufblähen des Körpers. Weiterhin äußerlich sichtbar sind die zunächst rot-violetten, später grünlich-schwarzen oberflächlichen Blutadern (Durchschlagen des Venennetzes → s. Abb. 18) und die rötlich-braune Fäulnisflüssigkeit, die aus Mund und Nase austritt. Feuchtigkeit und Wärme begünstigen den Fäulnisprozess, es gilt die sog. Casper-Regel. Diese besagt, dass das Fäulnisstadium einer Woche an der Luft zwei Wochen im Wasser entspricht, welche wiederum acht Wochen im Erdgrab gleichkommen. Die Verwesung (bakterielle Zersetzung des Körpers mithilfe von Sauerstoff) folgt der Autolyse und der Fäulnis. Es ist ein oxidativ bedingter Prozess, bei welchem die Gewebe trockenen und zerfallen.

Die Leichenkonservierung durch Mumifikation setzt ein, wenn die Austrocknung schneller als die Zersetzung erfolgt. Begünstigt wird diese durch eine trockene und luftige Umgebung sowie eine magere Leiche. Schon kurze Zeit nach dem Tod beginnt die Vertrocknung an den Hornhäuten der Augen, den Lippen, dem Hodensack, der Vorhaut oder den Schamlippen. Die Haut nimmt eine braune Färbung an und wird ledrig. Eine vollständige Mumifizierung dauert mehrere Wochen. In feuchter und luftabgeschlossener Umgebung (z.B. tiefes, kaltes Wasser) kann die Umwandlung des Körperfetts „in eine grau-weiße, körnige, zuerst feucht-pastenartige, später trocken-gipsähnliche Masse“ eintreten (Fettwachsbildung). Durch hydrolytische Spaltung (s. Glossar) wird das Fett in seine kleinsten Bestandteile (Glycerin und Fettsäuren) zerlegt. Bei Wasserleichen kann sich das Fettwachs schon nach wenigen Wochen, im Erdgrab erst nach vielen Monaten entwickeln. Ebenfalls zur Konservierung führen Einfrieren, die sog. Faulleichenkonservierung und die Lagerung im Moor.

Die Aufgaben der Spurensicherung

Der „Ort, an dem sich kriminalistisch relevante oder gerichtlich strafbare Handlungen ereignet haben“60, wird als Tatort definiert. Dies umfasst den unmittelbaren Tatort und den Tatort im weiteren Sinne (die anderen Handlungsorte des Täters, z.B. Fluchtweg). Eine gründliche Tatortarbeit ist für eine erfolgreiche Aufklärung eines Kapitalverbrechens von entscheidender Wichtigkeit. Denn selbst aufwendige technische Untersuchungen im Labor sind wirkungslos, wenn die Untersuchungsmaterialen unzureichend gesichert, zweifelhaft beschriftet, nachlässig gelagert wurden oder sogar fehlen.

Hinsichtlich des Spurenbilds gleicht kein Tatort dem anderen, deshalb existiert keine allgemeine Anleitung zur Tatortbearbeitung. „In den USA gab es öfter einmal Listen, nach denen man vorgehen sollte“, sagt der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke, „aber in Deutschland werden die immer sehr schnell ins Altpapier geschmissen […]“.

Oberstes Ziel ist es, möglichst alle Spuren, die zur Rekonstruierung des Tathergangs dienen können, zu finden, zu dokumentieren und zu sichern. Aus diesem Grund muss zunächst nach dem Eintreffen der Polizei die Sicherung des Tatorts erfolgen, um zu verhindern, dass Spuren verwischt werden oder hinzukommen. Danach wird der Tatort mithilfe von Skizzen und 3DLaserscannern sowie der Fotografie und Fotogrammetrie (räumliche Darstellung einer Fotografie eines beliebigen Gegenstandes) dokumentiert. Daran schließt sich die Suche von belastenden und entlastenden Indizien an. Eine Spur im kriminalistischen Sinne ist eine materielle Veränderung oder Übertragung, die in Verbindung zu einer begangenen Straftat steht. Dabei unterscheidet man vier Spurenarten: Materialspuren (z.B. Blut), Formspuren (z.B. Fußabdruck), Situationsspuren (z.B. Lage der Tatwaffe) und Gegenstandsspuren. Weiterhin ist es wichtig Trugspuren (Spuren ohne Zusammenhang zwischen Tat und Entstehung) und fingierte Spuren (vorsätzlich gelegte Spuren zur Täuschung) frühzeitig zu erkennen und zu differenzieren. Kaum oder nicht sichtbare Spuren bezeichnet man als latente Spuren. Hierfür benötigt man spezielle Methoden zur Darstellung wie beispielsweise UV- oder Infrarot-Lampen, Luminol zum Blutnachweis (s. Abb. 19) und Graphitpulver zum Sichtbarmachen von Fingerabdrücken. Damit im Nachhinein keine Veränderungen oder Verwechslungen auftreten, sollten schon während der Spurensuche die gefundenen Spuren auffällig gekennzeichnet werden. Die nun markierten tatrelevanten Spuren und Gegenstände sind zur Dokumentation zu fotografieren (bei Detail- und Nahaufnahmen mit Maßstab → s. Abb. 20) und für die späteren Untersuchungen im Labor zu sichern. Abhängig von einigen Faktoren existieren vielfältige Verfahren der Spurensicherung. Fingerabdrücke beispielsweise können mithilfe von schwarzer Gelatinefolie abgelöst werden, Sekrete dagegen sind mit einem angefeuchteten sterilen Wattetupfer abzureiben oder der Träger des Sekrets wird einzeln in beschriftete Gefäße oder Beutel verpackt. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Spurenträger nie mit bloßen Händen und nur im Ausnahmefall mit Handschuhen zu berühren sind.

Feststellung der Todesumstände mithilfe der Autopsie

Begriffsklärung Autopsie

Der Begriff ist dem griechischen Wort autopsia entlehnt und bedeutet übersetzt eigene Schau. Leichenschau sowie die lateinischen Bezeichnungen Obduktion (s. Glossar) und Sektion (s. Glossar) werden als Synonyme verwendet. Eine Autopsie sieht das Öffnen eines Leichnams zur Feststellung der Todesursache und der Todeszeit sowie der Identifizierung des Opfers vor. Insgesamt unterscheidet man drei Obduktionsformen. Die klinische Obduktion wird in Krankenanstalten an Toten durchgeführt, welche eines natürlichen Todes gestorben sind, und dient der Aufklärung von diagnostischen oder therapeutischen Widersprüchen. Die Realisierung obliegt dem Pathologen. Allerdings spielt diese Autopsie auch eine wichtige Rolle „in der Ausbildung von Medizinstudenten und Ärzten“, da sie ihnen die krankheitsbedingten Veränderungen an den menschlichen Organen verdeutlicht. Diese Art der Leichenschau findet jedoch nur statt, wenn die nächsten Angehörigen zustimmen und es dem Willen des Toten nicht entgegenstand. Die zweite Form ist die Verwaltungssektion, auch sanitätspolizeiliche Obduktion genannt, und wird durch eine Behörde bei Todesfällen mit ungeklärter Todesursache (in der Regel außerhalb einer Krankenanstalt) veranlasst. Sie wird von Pathologen, selten auch von Gerichtsmedizinern vorgenommen. Besteht der Verdacht auf ein Fremdverschulden, wird eine gerichtliche Obduktion durch das Ersuchen der zuständigen Staatsanwaltschaft verfügt. Infolge der §§ 87 ff. StPO muss diese Sektion immer von zwei Ärzten durchgeführt werden.

Die Dauer einer Autopsie ist von Situation zu Situation unterschiedlich. Im Durchschnitt beträgt der Zeitaufwand einer Sektion dreieinhalb Stunden, da sie in eine äußere und innere Besichtigung untergliedert ist. Zunächst beginnt man mit den äußeren Betrachtungen an der Leiche. Dabei werden wahrnehmbare Todeszeichen, Verletzungen, Nähte, Narben, Behaarung sowie weitere Befunde an den Körperöffnungen, Gewicht und Körpermaße erfasst. Weiterhin kann eine genaue Beschreibung der Kleidung des Opfers erste Hinweise über das Ausmaß und die Intensität der Gewalteinwirkung liefern. Zum Teil ist die äußere aussagekräftiger als die innere Besichtigung hinsichtlich der sichtbaren Verletzungen wie beispielsweise Schnitt-, Stich- und Schussverletzungen. Die Ergebnisse werden fotografisch dokumentiert. Auch ist die Anfertigung von Skizzen außerordentlich hilfreich.

An die äußere folgt die innere Besichtigung des Leichnams. Im Laufe der Zeit haben sich in Mitteleuropa ähnliche Techniken in den rechtsmedizinischen und pathologischen Einrichtungen herausgebildet. I.d.R. werden immer Kopf-, Brust- und Bauchhöhle geöffnet. Nur in Ausnahmefällen finden Teilsektionen statt. Man beginnt mit der Erschließung der Kopfhöhle. Dabei wird der Schädeldecke zunächst die Kopfschwarte abgezogen und daraufhin die freigelegte Schädelkalotte (s. Glossar) durch einen kreisförmigen Sägeschnitt geöffnet und abgehoben. Für weitere Untersuchung, z.B. zum Aufzeigen von Blutungen, ist das Gehirn zu entnehmen. Als nächstes wird durch den T-Schnitt oder Y-Schnitt ein Zugang zu den Organen im Thorax (s. Glossar) und Abdomen (s. Glossar) ermöglicht. Horizontal verläuft der T-Schnitt von Schulterblatt zu Schulterblatt entlang des Schlüsselbeins. Der Mittelschnitt reicht vom unteren Teil des Halses bis vor den Schambereich. Beim Y-Schnitt dagegen werden „zwei Schnitte von den Schultern zum oberen Ende des Brustbeines“ gezogen und gehen von diesem aus bis hinunter zum Becken. Mit einer Rippenschere erfolgt anschließend an der Grenze zwischen Knochen und Knorpel die Durchtrennung der Rippen, um den Brustkorb zu öffnen und um die inneren Organe meist als Pakete im anatomischen Zusammenhang oder auch als einzelne Organe zu entnehmen. Die Bauchhöhle ist die dritte und letzte Körperhöhle, welche inspiziert wird. Auch hier wird vor allem auf die Veränderungen der Organe (z.B. Leber, Milz, Magen) eingegangen, welche Hinweise auf die Todesursache liefern könnten. Darüber hinaus existieren noch weitere spezielle Sektionstechniken wie beispielsweise die künstliche Blutleere (zum Erkennen von Verletzungen der Halsorgane und des Halsweichteilgewebes), der Korbhenkelschnitt (bei Hirnpräparationen) oder die Rücken- und Weichteilpräparation (Präparation von Armen und Beinen sowie Weichteile des Rückens).

Aufgaben der Autopsie

Feststellung der Todesursache – die forensische Traumatologie

Die Beurteilung von Verletzungen hinsichtlich ihrer Entstehungsart und -zeit ist eine Grundaufgabe der Rechtsmedizin. Sie ermöglicht zum einen Aussagen über einen möglichen Ablauf eines Geschehens zu treffen und zum anderen Behauptungen zu widerlegen oder zu unterstützen. Zu Beginn steht die exakte Darstellung der Verletzung, dazu gehören eine genaue Lokalisierung sowie eine Beschreibung des Ausmaßes, der Farbe und der verletzten Gewebeart. Man unterscheidet bei den Formen der Gewalteinwirkung zwischen mechanischen Traumen (stumpfe und scharfe Gewalt sowie Schussverletzungen), verschiedenen Arten des Erstickens, dem Entzug von Nahrung und Flüssigkeit, Intoxikationen, abnormen Temperatur- und Druckverhältnissen sowie elektrischer und strahlender Energie.

Stumpfe Gewalt ist die häufigste Art der Verletzungen, die zum Tode führen können. Es wird als Zusammenstoß eines menschlichen Körpers mit einem oder mehreren stumpfen Gegenständen beschrieben. Dies kann ein Sturz auf der Treppe, der Schlag mit einem Stock oder ein Verkehrsunfall sein. Die Auswirkungen stumpfer Gewalt werden durch die Bestimmung der getroffenen Körperregion und deren Eigenschaften sowie der Intensität und Art der Krafteinwirkung ermittelt. Da die Verletzungen sowohl äußerlich sichtbar aber auch im Körperinneren verborgen sein können, ist eine oberflächliche Betrachtung nicht ausreichend, um das gesamte Ausmaß festzustellen. Man unterscheidet Verletzungen der Haut, der Knochen, der Muskeln und der inneren Organe.

Abschürfungen der oberflächlichen Hautschichten entstehen durch streifende oder schräge Gewalteinwirkung (Schürfen, Kratzen, usw.). Die Schürfrichtung lässt sich mittels der zusammengeschobenen Oberhautschüppchen ermitteln. Weiterhin kann abhängig von den Oberflächeneigenschaften der Tatwaffe eine Materialübertragung zwischen Haut und Gegenstand stattfinden. Aufgrund der meist nur geringfügigen Verletzung der Oberhaut ist diese zunächst nicht auffallend. Erst später durch Austrocknung der Haut weist die betroffene Stelle eine gelblich-braune Farbe und eine pergament- bis lederartige Beschaffenheit auf. Ob die Verletzung post mortem oder gar zu Lebzeiten entstanden ist, lässt sich nicht immer äußerlich feststellen. Wird jedoch bei der Autopsie eine Unterblutung diagnostiziert, kann man davon ausgehen, dass die Abschürfung dem Opfer schon vor dem Tod zugefügt wurde. Durch Zerreißen von Blutgefäßen aufgrund Gewebsquetschungen und –zerrungen entstehen Hämatome (Blutunterlaufungen). Ihr Ausmaß ergibt sich aus der Größe der Gewalteinwirkung, den anatomischen Gegebenheiten und dem Blutgefäßreichtum der betroffenen Körperregion sowie der Blutungsbereitschaft. Mithilfe von Hämatomen sind Rückschlüsse auf das Zustandekommen der Verletzung möglich, z.B. kann ein Abdruck der Tatwaffe sichtbar sein. Verletzungen am Skelettsystem sind Verrenkungen, der vollständige oder teilweise Kontaktverlust gelenkbildender Knochenteile, oder Knochenbrüche. Fehlstellungen, abnorme Beweglichkeit, Knochenreiben und sichtbare Knochenbruchstücke sind sichere Zeichen von Frakturen. Die Bruchform liefert Informationen auf das Zustandekommen (Angriffspunkt, Art und Richtung der Gewalt). Quetschung, Zerreißung und Zermalmung sind Folgen der Einwirkung von stumpfer Gewalt auf die Muskulatur. Oft äußerlich nicht sichtbar sind Verletzungen innerer Organe. Sie entstehen entweder durch eine direkte (z.B. Stoß) oder indirekte (z.B. Zug) Schädigung. Betroffene Regionen sind Schädel und Gehirn sowie die Brust- und Bauchorgane.

Tödliche Verletzungen, die durch den Kontakt mit spitzen oder scharfkantigen Gegenständen (meist Messer) entstehen, bezeichnet man als scharfe Gewalt. Charakteristisch für diese sind das Fehlen des Vertrocknungssaums an den Wundrändern und der Gewebsbrücken in der Wunde. Man unterscheidet drei Arten von scharfer Gewalt: Stich-, Schnitt- und Hiebverletzungen.

Stichverletzungen resultieren durch schmale, spitze Gegenstände, die senkrecht oder schräg zur Hautoberfläche in den Körper eindringen. Dadurch entstehen eine Einstichwunde und ein Stichkanal sowie bei Durchstichen eine Ausstichöffnung. Die Formen von Einstichwunden sind je nach Werkzeugart und Bewegung des Gegenstands oder auch des Opfers unterschiedlich (s. Abb. 21). Sie können Rückschlüsse auf die Tatwaffe liefern. Jedoch entspricht die Größe der Öffnung nicht immer der Klingenbreite. Aufgrund von unvollständigem Eindringen, Gewebselastizität oder der Verwendung eines stumpfen Gegenstands kann die Öffnung kleiner oder größer sein. Auch der Stichkanal stimmt in den seltensten Fällen mit dem Querschnitt überein.

Bei Schnittverletzungen verläuft die Richtung der Gewalt meist parallel zum Körper und die Wunden sind im Vergleich zu einer Stichverletzung länger als tief. Der Großteil der Verletzungen bleibt oberflächlich. Die Bestimmung der Richtung ist i.d.R. nicht möglich, auch finden sich kaum Hinweise auf die Tatwaffe. Der Pulsaderschnitt oberhalb des Handgelenks und der Halsschnitt sind die beiden typischsten Schnittarten.

Ähnlich dem Schnitt sind Hiebverletzungen. Sie unterscheiden sich durch den vorhandenen Schürfsaum und ihrer Tiefe. Die Hiebe verursachen glattrandige und stark klaffende Wunden, deren darunterliegende Knochen Brüche oder ausgedehnte Bruchsysteme aufweisen. Die Verletzung kann zur Identifizierung des Tatwerkzeugs herangezogen werden, da oft Scharten an den Hiebwaffen zu finden sind, die Spuren an Knochen und Abschürfungen an den Wundrändern hinterlassen.

Der Tod aufgrund scharfer Gewalt tritt häufig nicht sofort ein. Üblicher ist langsames Verbluten einhergehend mit schwindender Handlungsfähigkeit. Weitere Ursachen können Luftembolie (Eindringen von Luft in die Blutbahn) und Blutaspiration (Einatmung von Blut) sowie ein Schädel-Hirn-Trauma bei Hiebverletzungen sein.

Als Schussverletzung wird im Allgemeinen eine Wunde bezeichnet, die durch ein Projektil aus einer Feuerwaffe verursacht wurde. Sie sind leicht erkennbar, können jedoch im Einzelfall mit einer Stichwunde, einem Blitzschlag oder einer Platzwunde verwechselt werden. Die Auswirkungen des Projektils hängen von seiner Energie und Form ab. Man unterscheidet deshalb folgende Schussarten: Durchschuss (mit Ein- und Austrittswunde sowie Schusskanal), Steckschuss (keine Austrittswunde), Streifschuss, Prellschuss (das Projektil dringt nicht in den Körper ein), Prallschuss (Querschläger), Winkelschuss (das Projektil wird im Körper abgelenkt) und Krönlein-Schuss (Kopfschuss). Bei Schussverletzungen ist es wichtig die Ein- und Austrittswunden zu unterscheiden, um die Anzahl der Treffer und die Schussrichtung zu bestimmen. Das Eintrittsloch ist rund oder oval je nach Winkel des Auftreffens und ist wie folgt aufgebaut: In der Mitte befindet sich der Einschussdefekt. Daran schließt der Abstreifring, wenn zuvor das Projektil keine Kleidung oder andere Materialien durchdrungen hat. Darauf folgt der Schürfsaum, welcher am Kontusionssaum angrenzt. Letzterer bildet den Übergang zur unverletzten Haut (s. Abb. 22). Die Austrittswunde ist i.d.R. größer, da das Geschoss nicht nur deformiert sondern auch Gewebe und Knochensplitter mitreißt. Sie kann „rund, oval, mehrstrahlig und bei matten Projektilen auch schlitzförmig sein“. Im Vergleich zum Einschussloch lässt sich kein Gewebeverlust finden. Der Schusskanal, welcher nicht immer geradlinig verläuft, verbindet die Ein- und Austrittswunde miteinander. Der Durchmesser variiert je nach Geschwindigkeit, bei langsamen Geschossen entspricht er ungefähr dem Kaliber des Projektils und nimmt mit steigender Schnelligkeit an Größe zu. Jedoch bieten diese Befunde kaum Möglichkeiten, Rückschlüsse auf den Waffentyp und die Munition zu ziehen. Weitere Untersuchungen durch die kriminalistische Ballistik am Geschoss erfolgen, wenn das Projektil bei der Autopsie sichergestellt wird. Ferner ist die Schussentfernung zu bestimmen, um einen Anhaltspunkt auf den Standort des Schützen zu erhalten. Bei einem absoluten Nahschuss ist der Abdruck der Laufmündung als typische Wunde (Werkgartnersche Stanzverletzung) erkennbar (s. Abb. 23). Der relative Nahschuss weist Einsprengungen von Pulverteilchen auf, die bei einem Fernschuss fehlen. Die Todesursachen durch eine Schussverletzung sind vorrangig Verbluten und Organzerstörung.

Ersticken (Asphyxie) ist der Tod durch Sauerstoffmangel, wenn die Zufuhr von Luft aufgrund äußerer Faktoren unterbunden wird. Sowohl äußere als auch innere Bedingungen spielen für die Zeitdauer eine wichtige Rolle. Der Ablauf der Asphyxie ist in fünf Stadien unterteilt: dem Ringen nach Luft (inspiratorische Dyspnoe), dem Ausatemkrampf (exspiratorische Dyspnoe), dem Krampfstadium (Stadium convulsivum), der Atempause (präterminale Apnoe) und der Schnappatmung (agonale Atmung). Das Herz kann noch zehn bis zwanzig Minuten nach Beenden der Atembewegungen weiterhin schlagen.

Man unterscheidet verschiedene Mechanismen des Erstickens. Die Strangulation wird ihrerseits in Erwürgen, Erdrosseln und Erhängen untergliedert. Die Kompression des Halses mit den bloßen Händen wird Erwürgen genannt, dabei sind die typischen Würgemale zu finden. Auch beim Erdrosseln ist im Normalfall eine Drosselmarke horizontal um den Hals herum erkennbar. Hierbei wird das verwendete Strangwerkzeug durch fremden Kraftaufwand zugezogen. Beim Erhängen erfolgt das Zuziehen durch das Gewicht des eigenen Körpers. Man unterscheidet das typische und das atypische Erhängen (s. Abb. 24), welches durch den Verlauf der Strangmarke sichtbar wird. Weitere Arten der Asphyxie sind v.a. das Verdrängen des Sauerstoffs durch andere Gase (z.B. Kohlenstoffdioxid), der Verschluss der Atemwege (wie Mund und Nase), die Behinderung der Atemmechanik (z.B. durch Einklemmen des Brustkorbs) und der Verbrauch der eigenen Atemluft in Räumen ohne Frischluftzufuhr.

Eine Sonderform des Erstickens ist das Ertrinken. In diesem Fall wird der Sauerstoff durch eine Flüssigkeit (meistens Wasser) verdrängt. Als äußeres Merkmal kann ein Schaumpilz oder dessen Rest vor Mund und Nase vorhanden sein. Innere Anzeichen sind feinblasiger Schaum in den Atemwegen und bei Salzwasser ein Lungenödem (mit Wasser gefüllte Lunge) sowie bei Süßwasser eine Verdünnung des Blutes.

Bei Entzug von Nahrung und Wasser tritt der Tod nach etwa zehn Tagen ein. Äußerlich erkennbare Anzeichen sind starke Abmagerung, Austrocknung, schüttere Kopfbehaarung und tiefsitzende Augen. Rückbildung von Organen, das Fehlen von Muskulatur und Unterhautfettgewebe sowie ein leerer Magen-Darm-Trakt können bei der Obduktion festgestellt werden. Die Todesursache ist entweder direkt der Nahrungsmangel oder eine tödliche Infektion aufgrund eines geschwächten Immunsystems.

Relativ viele Todesfälle sind Folge von Vergiftungen. Grundsätzlich kann jeder Stoff ein Gift für den menschlichen Organismus sein, selbst Sauerstoff und Vitamine. Dabei kommt es v.a. auf die Dosis an. Die forensische Toxikologie beschäftigt sich mit dem Giftnachweis und dessen Beurteilung. Die Aufnahme von Giften kann oral, rektal oder vaginal erfolgen. Einige andere werden auch inhaliert, injiziert oder über die Haut resorbiert. Über die Blutbahnen wird das Gift dann im ganzen Körper bis hin zu seinem Wirkungsort verteilt. Um einen Giftmord nicht auszuschließen werden Schnelltests, sog. Screenings, durchgeführt, welche sich allerdings auf wenige Stoffe beschränken. Besteht der Verdacht auf einen Giftmord werden umfangreichere Analysen angeordnet. Dazu ist die Untersuchung von möglichst vielen Proben wie Urin, Blut, inneren Organen (z.B. Leber, Niere und Lunge), dem Mageninhalt und Haaren notwendig. Zunächst müssen die Stoffe isoliert werden. Dafür existieren unterschiedliche Verfahren wie die Flüssig-Flüssig-Extraktion und die Festphasenextraktion für die Isolation von organischen Verbindungen, die Destillation für flüchtige Substanzen sowie die Veraschung für metallische Gifte. Zur Trennung von Stoffgemischen dienen die Dünnschichtchromatografie, die Gaschromatografie (GC), die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie und Kapillarelektrophorese. Dosis und Art des Giftes können dabei mithilfe der UV-VIS- Spektroskopie, Fluoreszenzspektrometrie, der Massenspektrometrie (häufig kombiniert mit der GC) oder noch anderen Analyseverfahren ermittelt werden. Da äußerlich meist keine Anzeichen zu finden sind, sollte man immer die Möglichkeit einer Vergiftung in Betracht ziehen.

Der Mensch zählt zu den gleichwarmen Tieren, d.h., er kann leichte Temperaturschwankungen ausgleichen. Bei stärkerem Temperaturabfall (Hypothermie) oder –anstieg (Hyperthermie) ist der Körper jedoch nicht mehr in der Lage den Normalwert von 37°C aufrechtzuerhalten. Der Wärmeverlust kann sich auf einen räumlich begrenzten Schaden (Erfrierung von Gliedmaßen wie Ohren, Nase, Zehen oder Finger) reduzieren oder zu einer ganzkörperlichen Unterkühlung führen. Bei Letzterem sind „schwarz-braune, bis linsengroße Flecken in der Magenschleimhaut“ sowie Gewebsveränderungen in der Bauchspeicheldrüse während der Autopsie feststellbar. Bei Hyperthermie unterteilt man in allgemeine und örtliche Schäden. Der Hitzschlag ist eine allgemeine Hitzewirkung, bei dem durch beispielsweise starker körperlicher Anstrengung oder einer hohen Außentemperatur der Kreislauf versagt. Örtliche Schäden sind Verbrühungen (Beeinträchtigungen der Gewebe durch heiße Flüssigkeiten, Dämpfe oder Gasen), Verbrennungen (Gewebeschädigungen durch offene Flammen, Funken oder Strahlung sowie der Berührung von heißen Gegenständen) und als Sonderform Verätzungen durch Chemikalien.

Entsteht bei einem Kontakt mit spannungsführenden Teilen ein Stromkreis kann der Tod eintreten. Der Einfluss von elektrischer Energie hat unterschiedliche Folgen für den menschlichen Organismus. Zum einen können elektrospezifische, das sind Herzrhythmusstörungen, Muskel- oder Atemlähmung, und zum anderen elektrothermische Verletzungen, d.h. Verbrennungen, erfolgen. Stromstärke, Spannung (Klein-, Nieder- oder Hochspannung), Widerstand, Stromart (Gleich- oder Wechselstrom), Frequenz, Kontaktfläche und –zeit sowie der Weg des Stroms durch den Körper bestimmen das Ausmaß der Schäden. Das einzige, äußerlich erkennbare Zeichen auf einen Stromtod ist die Strommarke (s. Abb. 25), sie kann sowohl an der Eintrittsstelle als auch an der Austrittsstelle zu finden sein. Sollte die Strommarke fehlen, muss die Autopsie beweisen, dass keine andere Todesart vorliegt.

Feststellung des Todeszeitpunkts

Je länger der Todeseintritt eines Körpers zurückliegt, desto schwerer ist es, einen verlässlichen Todeszeitpunkt zu bestimmen. Deshalb existieren viele Methoden, um eine möglichst genaue Liegezeit festzustellen. Die Totenflecken (Livores → s. Abb. 26) beispielsweise treten post mortem schon nach einer kurzen Zeit von 20 bis 30 Minuten auf. Ihre Entstehung ist zurückzuführen auf den Stillstand des Blutkreislaufs, bei welchem sich das Blut gemäß der Schwerkraft in die untersten Körperpartien absenkt und sich dort in den Hautkapillaren (feinste Blutgefäße) staut. Aufliegende Körperstellen weisen keine Totenflecken auf, weil der Gegendruck das Füllen der Gefäße verhindert. Die Livores haben im Normalfall aufgrund des Verbrauchs an Sauerstoff eine blauviolette Färbung, bei einer Vergiftung durch Kohlenstoffmonoxid werden sie hellrot. Neben der Farbgebung spielen auch die Verlagerung, durch das Wenden der Leiche, und die Möglichkeit des Wegdrückens eine bedeutende kriminalistische Rolle. Bis sechs hpm (Stunden post mortem) sind die Totenflecken sowohl vollständig verlagerbar, als auch mit wenig Kraftaufwand wegzudrücken. Danach nehmen diese Phänomene kontinuierlich ab, bis sie nach zwölf hpm zum Erliegen kommen (s. Abb. 27).

Zeitlich nach den Livores schließt sich die Totenstarre (Rigor mortis) an. Sie tritt aufgrund der Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur und dem Körpergewicht sowie dem Kräfte- und Ernährungszustand nach ca. drei bis vier Stunden ein. Die Verhärtung der Muskulatur entsteht aufgrund der Abnahme der Adenosintriphosphat-Konzentration (ATP) unter 85% des ursprünglichen Wertes, da unter diesen Umständen ATP nicht mehr resynthetisiert werden kann. Noch heute befindet sich die Nysten-Regel (s. Glossar) für die Ausbreitung der Totenstarre in der Anwendung, obwohl „häufig Abweichungen von dieser Chronologie beobachtet“ werden. Intensität und Eintritt von Rigor mortis werden mithilfe einer Untersuchung an mehreren Gelenken hinsichtlich ihrer Beweglichkeit geprüft. Ein erneuter Eintritt nach einer Brechung kann sechs bis acht hpm erfolgen. Die Lösung einer Totenstarre ist temperaturabhängig und beginnt meist nach zwei bis drei Tagen.

Weiterhin nützlich für die Schätzung der Todeszeit sind supravitale Reaktionen. Darunter versteht man die Fähigkeit verschiedener Organe und Gewebe auf mechanische oder elektrische Reizung während einer bestimmten Zeit zu reagieren. Die mechanische und elektrische Erregbarkeit der quergestreiften Muskulatur sind dabei die praktisch bedeutsamsten Reaktionen. Die mechanische Reizung wird durch kräftiges Anschlagen (z.B. eines Skelettmuskels des Oberarms) ausgelöst. In der frühpostmortalen Phase (1,5 bis 2,5 hpm) ist eine über dem gesamten Muskel fortgeleitete Kontraktion (Anspannung) zu beobachten. Nach vier bis fünf hpm tritt ein starker idiomuskulärer Wulst ein, welcher in der letzten Phase (acht bis zwölf hpm) nur noch schwach ausgeprägt ist, aber dafür länger anhält (bis zu 24 Stunden). Zur elektrischen Erregbarkeit der Skelettmuskulatur wird ein Reizgerät benötigt. Beim Einstich der Elektrode z.B. in den Mittelteil des Augenoberlides, kann die Ausbreitung des Reizes in sechs Stufen untergliedert werden. Von der ersten bis zur sechsten Stufe verringert sich die Reaktionsfläche mit zunehmender Todeszeit (s. Abb. 28).

Die wichtigste Methode zur Bestimmung der Liegezeit einer Leiche ist die Körpertemperaturabnahme. Die Angleichung der Rektaltemperatur an die der Umgebung erfolgt durch die vier Mechanismen Konduktion (s. Glossar), Konvektion (s. Glossar), Strahlung und Verdunstung des Wassers und wird durch das Abkühlungsgesetz von Newton (s. Glossar) ausgedrückt. Das Sinken der Temperatur setzt i.d.R. nicht sofort ein, sondern es stellt sich zunächst in einem Zeitraum von zwei bis drei Stunden ein Temperaturplateau ein. Danach gilt im Allgemeinen folgende Faustregel: pro Stunde verringert sich die Körpertemperatur um etwa 0,5 bis 1,5°C. Jedoch spielen neben der Umgebungstemperatur einige Faktoren eine wichtige Rolle für das Abfallen der Rektaltemperatur, zum Beispiel die Proportionen, die Haltung und der Fettanteil des Körpers sowie die Bekleidung (trocken oder feucht), Luftverhältnisse und die Lagerung in Flüssigkeiten.

Die forensische Entomologie gilt als weitere Möglichkeit, bei der mithilfe von Insekten die Leichenliegezeit bestimmt wird. Mittels der Besiedlung dieser „kleinen AssistentInnen“, wie der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke sie bezeichnet, können Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt, aber auch auf die Übereinstimmung von Tatort und Fundort gezogen werden. Es existieren hunderte verschiedene Arten von nekrophagen (leichenbesiedelnde) Insekten, die zu unterschiedlichen Zeiten den Leichnam als Brutstätte, Nahrungsquelle und Lebensraum nutzen, sodass die Kombination aus Entwicklungsstadium und Art der Insekten typisch für eine Phase der Leichenzersetzung ist. Dabei muss auch der Einfluss durch äußere Bedingungen, v.a. die Umgebungstemperatur, auf die Stadien berücksichtig werden. Zu diesem umfangreichen Vorgehen meint auch Dr. Mark Benecke: „Man muss das alles sehr kompliziert ausrechnen: Bis zu welcher Temperatur wachsen sie? Ab wann fallen sie in ein Ruhestadium? Ab wann sterben sie?“.

Schon kurz nach dem Todeseintritt erfolgt die erste Besiedlung. Beispielsweise legen schwangere Schmeißfliegenweibchen ihre Eier „bevorzugt in Augenwinkeln, Nasenöffnung, Mund, Ohren, Barthaaren und Genitalbereich“ sowie in Achselhöhlen und offenen Wunden ab (s. Abb. 29). Das Gewebematerial der Leiche dient den geschlüpften Larven als Nahrung. Zeitgleich treten die ersten Käferarten auf und jagen nicht nur die Puppen und Maden der Fliegen, sondern nutzen den Leichnam auch als Brutstätte. Im weiteren Verlauf werden die Maden, welche zum Verpuppen den Toten verlassen, zahlenmäßig von den Käfern verdrängt. Nach der Austrocknung des Körpers sind unter den übrig gebliebenen Haut und Knochen nur noch Kurzflügler, Speckkäfer und Pelzkäfer zu finden, welche sich von den Nebenprodukten der Verwesung sowie von Algen und Pilzen ernähren. Mit zunehmender Skelettierung verschwindet die Insektenbesiedlung (s. Abb. 30).

Da jeder Leichenfund variiert, ist es sehr kompliziert, Verallgemeinerungen bezüglich der Insektenstadien und -arten auf einer Leiche zu treffen. „Das macht man, indem man zwei Techniken verknüpft: aus den Naturwissenschaften die systematische Variation und aus der Kriminalistik die kritische Einzelfallbetrachtung. [...] Man sammelt Einzelfälle, schreibt sie über Jahrhunderte auf und vergleicht sie [...]. Gleichzeitig kann man im Labor Versuchsreihen machen, die man mit normaler Statistik auswerten kann.“, beschreibt Dr. Mark Benecke.

Die Identifikation der Opfer und Täter

Osteologie

Bestimmung der Humanspezifität

Knochen werden besonders bei Bauarbeiten oder von spielenden Kindern gefunden. Wenn der Finder den Knochen bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft meldet, wird oftmals eine forensisch-osteologischen Untersuchung eingeleitet. Hierbei wird zunächst bestimmt, ob der der gefundene Knochen von einem Tier oder einem Menschen stammt. Wird ein tierischer Ursprung nachgewiesen erübrigen sich meist weitere Untersuchungen, Ausnahme bildet nur ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Stammt der Knochen von einem Menschen wird das weitere Verfahren zur Identifikation und zur Bestimmung der Todesursache sowie der Todesumstände eingeleitet.

Die Humanspezifität lässt sich einfach bestimmen, wenn ein größtenteils vollständiges Skelett gefunden wird, doch meist liegen nur einzelne Knochen oder sogar nur Knochenfragmente vor. Die hohe Variabilität sowohl bei menschlichen als auch bei tierischen Individuen erschwert die Zuordnung. Zunächst erfolgt die Einordnung nach Form und Größe. Dabei können intensive Vergleichsuntersuchungen nötig werden. Wichtig sind hier geeignetes Bildmaterial und umfangreiche veterinär-osteologische Sammlungen (s. Abb. 31). Scheitert dieses Verfahren können innere Strukturen des Knochenfundes makroskopisch (s. Glossar) untersucht werden. Hierbei gilt, dass nichtmenschliche Säugetierknochen eine schmalere und dichtere Compacta (s. Glossar) haben, ein relativ breiter Markraum vorhanden ist und der mittlere Schaftbereich ohne Spongiosa vorliegt. Weiterhin sind diese „im Vergleich zu Knochen gleicher Größenordnung schwerer". Meist fehlt die geordnete Struktur der Osteonen (s. Glossar). Den menschlichen Knochen dagegen kennzeichnet eine konzentrische Anordnung der Osteocyten (s. Glossar) . Weiterhin lässt sich auch bei der menschlichen Compacta-Struktur das Brewser-Kreuz, ein Interferenzmuster, mit Hilfsquarz darstellen. Vom Haverschen Kanal ausgehend bilden zwei diagonal aufeinanderliegende Linien das Brewser-Kreuz (s. Abb. 32).

Kann der gefundene Knochen auch durch diese Untersuchungen nicht eindeutig zugeordnet werden, sind weitere technische Absicherungen nötig. Früher wurde das Präzipitationsverfahren durchgeführt, wie etwa der artspezifische Proteinnachweis nach Uhlenhuth. Heute ist zusätzlich die DNA-Analyse möglich. Die mitochondriale DNA liefert hierbei die besten Voraussetzungen.

Identifizierung

Bei der Identifizierung der gefundenen Personen spielen Beifunde sowie die Fundsituation eine wichtige Rolle. Ausweispapiere, Kleiderreste sowie andere Gegenstände können Hinweise auf den Träger bergen. Doch nicht alle Dinge, die neben einen Skelett gefunden werden müssen zwangsläufig auch zu diesem gehören. Deshalb sind fast immer morphologische (s. Glossar) und osteometrische Untersuchungen nötig um gefundene Personen durch die Bestimmung des Geschlechts, des Alters, der Körpergröße, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, und gegebenenfalls der Liegezeit zu identifizieren. Je mehr Knochen gefunden werden, desto genauer können solche Aussagen getroffen werden.

Zur Bestimmung des Geschlechts betrachtet man verschieden stark ausgeprägte Merkmale an bestimmten Knochen. Weibliche Knochen sind in der Regel graziler; Muskelansätze weniger stark ausgeprägt. Besonders an Schädel und Becken, sowie bei zahlreichen anderen Knochen lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in Form und Metrik ausmachen. Am Schädel beispielsweise wird die Stirnneigung bei weiblichen Individuen als steil beschrieben, während die männliche Stirn fliehend ist. Die verschiedenen Merkmale werden zur Bestimmung des Geschlechts in eine Tabelle eingetragen und je nach Ausprägungsgrad in einer Skala eingeordnet, die beurteilt ob dieses Merkmal hyperfeminin, feminin, indifferent, maskulin oder hypermaskulin ausgeprägt ist. Nachdem alle Merkmale in die Tabelle eingetragen wurden, wird anhand bestimmter Neigungen zu feminin oder maskulin hin bestimmt, ob das gefundene Skelett wahrscheinlich weiblich oder männlich ist.

Das Alter der gefundenen Person kann zum Beispiel an dem Schädel festgestellt werden. Dabei wird besonders bei Kindern auf die Verknöcherung der Schädelnähte und des Zahnstatus geachtet. Am übrigen Skelett sind bis ins junge Erwachsenenalter Schlüsse der Epiphysenfugen (s. Glossar) erkennbar, allerdings müssen Unterschiede zwischen den Geschlechtern berücksichtigt werden. So gelingt bei Heranwachsenden oft eine gute Alterseinschätzung mit Ungenauigkeiten von wenigen Monaten. Bei älteren Menschen liegt eine charakteristische Veränderung im Bereich der Symphyse (s. Glossar) vor. Auch kann man anhand der Osteonen und den diese umgebenen Lamellen das Alter eines Menschen bestimmen. Ähnlich der Jahresringe von Bäumen werden auch die Lamellen zahlreicher (und zersplitterter), je älter die Person wird. Weiterhin kommen mit zunehmenden Alter exogene Faktoren zum tragen. So werden z.B. degenerative Prozesse am Bewegungsapperat zur Beurteilung hinzugezogen. Außerdem gilt, dass mit steigendem Alter immer mehr Osteonen der Knochen gebrochen sind.

Bei der Bestimmung der Körpergröße eines Menschen, von dem nur einige Knochen gefunden werden kann über verschiedene Berechnungsformeln , die abhängig von der Bevölkerungsgruppe und dem Geschlecht sind, über die Länge gefundener Röhrenknochen berechnet werden. Hierbei wird die Tatsache genutzt, dass die langen Extremitätenknochen in einem linearen Verhältnis zu der gesamten Körpergröße stehen. Weiterhin geben auch pathologische Veränderungen wertvolle Hinweise zur Identifizierung. Man kann zum Beispiel herausfinden, ob die gefundene Person zu Lebzeiten hinkte. Auch eingesetzte Implantate, wie etwa ein Herzschrittmacher, können Rückschlüsse auf die Identität liefern, denn oftmals besitzen diese eine Seriennummer, welche dem entsprechenden Patienten zugeordnet werden kann.

Zur Zeit existieren noch keine ausreichende Untersuchungsmethode zur hinreichenden Liegezeitbestimmung innerhalb der ersten 50 Jahre, also dem forensisch relevanten Bereich. Vor allem wird versucht die Liegezeit möglichst genau mithilfe der Beurteilung der Dekomposition, der Veränderung der Knochen aufgrund des Liegemilieus, zu bestimmen. Das Liegemilieu ist allerdings im Einzelfall schwer abzuschätzen, denn in Mitteleuropa kann ein Leichnam der im Freien liegt innerhalb weniger Sommerwochen vollständig skelettieren. Während eines sehr heißen und trockenen Sommers kann die eintretende Mumifizierung aber genauso gut dafür sorgen, dass noch Jahrzehnte später Weichteilreste vorhanden sind. Besser kann man die Liegezeit anhand von Dekompositionsvorgängen im Erdlager abschätzen, wobei hier auch interindividuelle Unterschiede beachtet werden müssen. Deshalb erarbeitete man eine Liste mit Dekompositionsbefunden, die bis jetzt noch nicht bei einer geringeren Liegezeit als 50 Jahre nachgewiesen werden konnten (u. a. äußere Aspekte: der Knochen kann mit der Hand zerbrochen werden und es befinden sich makroskopisch keine Fettspuren mehr auf dem Knochen; an einer frischen Sägefläche fehlen Fettwachsspuren). Tritt einer oder mehrere dieser Befunde auf, so ist es wahrscheinlich, dass die Leiche eine größere Liegezeit als 50 Jahre aufweist. Neben diesen Untersuchungen des Gewebes der Leiche dürfen auch Beifunde nicht vernachlässigt werden. Kleidungsreste, Münzen o.Ä. können wertvolle Hinweise zur Eingrenzung der Liegezeit liefern.

Odontologie – Dental Fingerprints

Durch die forensische Odontologie kann ein Zahnstatus der gefundenen Leiche erhoben werden, dieser wird anschließend mit Vermisstendateien verglichen, um somit eventuell die gefundene Person identifizieren zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Art der Identifizierung erfolgreich ist, steigt, wenn diese Person zu Lebzeiten häufige und spezifische zahnärztliche Behandlungen in Anspruch genommen hat, sowie mit einer großen Individualität der Zahnstellungen versehen ist. In Deutschland wird in der Regel bei jedem Zahnarztbesuch ein Zahnstatus erstellt, sodass dieser normalerweise bei allen Personen aktuell vorliegen müsste. Bei dem Vergleich des postmortalen mit dem antemortalen Zahnstatus werden Übereinstimmungen und Abweichungen gesucht. Hierbei bedeuten Unstimmigkeiten allerdings noch nicht, dass die Personen nicht übereinstimmen, denn z.B. könnte der Patient zu einem anderen Zahnarzt gegangen sein. So kann sein postmortaler Zahnstatus beispielsweise eine Füllung mehr aufweisen, als der antemortale Status. Umgekehrt wäre dies natürlich nicht möglich, es sei denn der Arzt hat bei der Erstellung des Zahnstatus einen Fehler gemacht. In einigen Fällen liegen auch Gipsabdrücke vor, die zu Lebzeiten angefertigt wurden. Diese können zu einem direkten Vergleich hinzugezogen werden. Eine direkte Grundlage zur Berechnung der Identitätswahrscheinlichkeit, wie bei der DNAAnalyse gibt es bei der forensischen Osteologie nicht. Vielmehr werden häufig erfahrene Zahnärzte hinzugezogen, um in Erfahrung zu bringen, ob es sich in dem jeweiligen Fall um seltene oder häufige Zahnarbeiten handelt.

Gesichtsrekonstruktion

Eine Art der Gesichtsrekonstruktion ist die Superprojektion. Hierbei wird ein Porträtfoto mit einem gefundenen Schädel verglichen. Der Schädel wird dem Porträtfoto entsprechend fotografiert. Anschließend digitalisiert man beide Bilder und überlagert sie in einem geeigneten Bilderbearbeitungsprogramm. Der gefundene Schädel kann dabei noch mit bestimmten Markern versehen werden, die die errechnete Weichteildicke an markanten Stellen kennzeichnen. Im Idealfall schließen Markierungen der Weichteildicke und das Porträtfoto in einer Linie miteinander ab; in diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Schädel zu dieser Person gehört.

Eine andere Art der Gesichtsrekonstruktion ist die Gesichtsweichteilrekonstruktion, die letzte Möglichkeit einen nicht identifizierten Schädel seinem Besitzer zuzuordnen. Aus ethischen Gründen wird hierbei zunächst ein Replikat des Schädels im Verhältnis 1:1 angefertigt. Anschließend werden alle relevanten Gesichtspunkte, deren Anzahl sich je nach Spezialist ändert, markiert. Hierbei wird die Weichteildicke nach Alter und Geschlecht berücksichtigt. Die Reihenfolge der weiteren Schritte ist nicht genau festgelegt und kann variieren. Zum einen könnte man nun die Augen einsetzen und die Nase anpassen, eine andere Möglichkeit wäre entweder komplett, oder nur halbseitig die relevante Gesichtsmuskulatur aufzutragen. Die Gesichts- und Kopfmuskulatur kann über verschiedene Spuren, die die Muskeln an ihren Ursprung am Schädelknochen hinterlassen haben, festgelegt werden. Nach dem Auflegen der Gesichtshaut ist das Rohmodell fertig (s. Abb. 33). Es folgt die Feinarbeit, denn je nach Alter und Geschlecht hat das Leben bereits Spuren, wie zum Beispiel Falten und Furchen, Eindellungen und Erhebungen im Gesicht des Menschen hinterlassen. So entsteht schließlich ein lebendiges Abbild, wie die verstorbene Person in etwa ausgesehen haben könnte. Der Kopf dieser Person wird nun eventuell geschminkt, mit Harren und manchmal auch mit Kleidung versehen; sodass schließlich ein Fahndungsfoto an die Presse gereicht werden kann. In dieser klassischen Methode der Gesichtsrekonstruktion werden Bereiche der Kunst mit naturwissenschaftlichen Aspekten verbunden. Eine große Detailtreue ist sehr wichtig, um der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, mit dem Ziel, dass diese Person letztendlich von Angehörigen erkannt werden kann.

Auch sind modellierende und zeichnerische Methoden zur Gesichtsrekonstruktion vorhanden, doch diese sind eindeutig künstlerischer geprägt.

Mit fortschreitender Computertechnik sind weiterhin auch digitale Gesichtsrekonstruktionen möglich. Diese haben den Vorteil, schnell und kostengünstig zu sein, wirken allerdings durch die Verwendung von Mittelwerten eher synthetisch.

Daktyloskopie

Bereits im Mutterleib, während der ersten 7 Monate der Embryonalzeit, werden die feinen Strukturen der Fingerabdrücke herausgebildet. Grundsätzlich lassen sich Fingerabdrücke in vier verschiedene Muster der Papillarlinien einteilen: den Bogen, die Schleife, den Wirbel und eine Mischform aus verschiedenen Mustern (s. Abb. 34). Abdrücke von diesem Muster bestehen hauptsächlich aus Schweißablagerungen. Je nach dem Material, auf welchen wir diese Abdrücke hinterlassen werden andere Chemikalien zum Sichtbarmachen der Fingerabdrücke benötigt. Anschließend erfolgt die Identifizierung anhand sogenannter Minuzien (lateinisch minutae = Winzigkeit). Die forensischen Wissenschaftler vergleichen hierbei die Position der Papillarlinien, deren Anfang, Ende (Leistenende) sowie Stellen an denen sie sich verbinden oder teilen. Weiterhin gibt es auch sog. Inseln. Als Insel wird eine Papillarleiste bezeichnet, die genauso lang, wie breit ist. Nach deutschem Recht sollten für eine Identifizierung mindestens zwölf dieser Merkmale übereinstimmen. Erschwert wird ein solcher Vergleich dadurch, dass am Tatort hinterlassene Fingerabdrücke oft unvollständig, verschmiert oder überlappt von anderen Abdrücke sind. Damit der Vergleich von Fingerabdrücken für die Forensiker erleichtert wird, wurde ein Computerprogramm zur Fingerabdruckidentifizierung entwickelt. Dieses speichert Fingerabdrücke digital. Die Forensiker erhalten von den Ermittlern Fotos oder Trägerfolien mit dem latenten Fingerabdruck. Dieses Bild wird dann in den Computer eingescannt, er erkennt die Leistenenden und -anfänge und erstellt eine Karte von den relativen Positionen dieser Punkte. Anschließend wird in der Datenbank nach ähnlichen Konstellationen gesucht. Zum Schluss erhalten die Forensiker eine Liste von Fingerabdrücken, die ähnliche Verzweigungen der Papillarlinien aufweisen. Diese müssen dann von den Forensikern selbst untersucht werden.

Serologie

Werden Flecken entdeckt, die Blutflecken ähneln müssen die Ermittler zunächst einmal herausfinden, ob es sich wirklich um Blut handelt. Verdächtige Stellen werden bereits am Tatort mit einer fluoreszierenden Chemikalie besprüht. Blutspuren leuchten hell auf, wenn man sie im Dunkeln mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Als nächstes versucht man herauszufinden, ob es sich um menschliches Blut handelt. Dazu geben die Ermittler wenige Tropfen der Blutprobe in eine Vertiefung in einer Glasplatte, welche in Gel eingebettet ist. Anschließend wird ein spezifisches Serum in eine andere Vertiefung derselben Glasplatte gegeben. Durch das Gel wird nun eine elektrische Ladung geschickt, die bewirkt, dass sich die Proben aufeinander zubewegen. Der Treffpunkt wird durch eine sichtbare Linie von Precpitin deutlich.

Zur Bestimmung der Identität eines Verbrechers wird die einfache AB0-Bestimmung nicht besonders häufig angewandt. Sie findet eher bei Vaterschaftstests Verwendung.

Häufiger kommt die Elektrophorese zum Einsatz. Sie dient dazu, im Blut enthaltene spezifische Enzyme und Proteine zu trennen und zu identifizieren. Hierbei tränkt man ein kurzes Stück Gewebe in das Blut. Anschließend wird dieses Stück Gewebe eingebettet in Gel auf eine dünne Glasplatte gegeben. Durch das Gel wird eine elektrische Ladung geschickt, die dafür sorgt, dass die Enzyme und Proteine von einer Seite der Glasplatte auf die andere wandern. Da jedes Molekül unterschiedlich groß ist, bewegen diese sich auch unterschiedlich schnell und werden somit Stück für Stück getrennt. Nach einiger Zeit sind die Moleküle deutlich sichtbar. Anschließend werden sie gefärbt, um sie zu identifizieren und die Platte wird fotografiert.

Des Weiteren ist es für Serologen auch möglich, männliche und weibliche Körperzellen zu unterscheiden. Dies geht besonders gut bei den Leukozyten und bei den Zellen der Mundschleimhaut. Weibliche Zellen enthalten das sogenannte Barr-Körperchen, welches in den männlichen Zellen fehlt.

Der Genetische Fingerabdruck

Durch Restriktionsenzyme (s. Glossar) können kurze DNA-Fragmente von wenigen Nucleotiden (s. Glossar) vom gesamten DNA-Strang abgespalten werden. Jedes Restriktionsenzym spaltet die DNA nur an einem bestimmten Ort (lateinisch loci). Durch die Untersuchung dieses Fragmentes ist es möglich, Individuen zu identifizieren. Der Fall, dass zwei Menschen genau gleiche DNA-Frequenzen haben ist sehr unwahrscheinlich. Dennoch kann es z.B. bei eineiigen Zwillingen auftreten. Familienmitglieder können gewöhnlich eine Reihe von Sequenzen gemeinsam haben, besitzen allerdings auch viele Unterschiede.

Bei der RFLP-Analyse (restriction fragment length polymorphism) werden einzelne DNAFragmente auf eine gelbeschichtete Platte gegeben. Die Platte wird anschließend in eine Lösung getaucht, die die Doppelstränge in einzelsträngige Fragmente aufspaltet. Gleichzeitig wird eine Plastikmembran auf die Platte gepresst. Dabei werden die Einzelstränge der DNA auf die Membran übertragen. Nun werden die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Trypsin entlang der Länge des Originalfragments freigelegt und mit Sonden markiert. Diese Sonden sind kurze Stücke einzelsträngiger DNA, die mit einem radioaktiven Atom markiert wurden. Die Basen der Sonden binden sich nun an komplementäre Basen des Fragments, dieser Vorgang wird als Hybridisierung bezeichnet. Die Plastikmembran wird anschließend abgewaschen und mit einem radioaktiven Film versehen. Die Sonde produziert ein Bild, bestehend aus kurzen dunklen Bändern, auf diesen Film. Jedes Band stellt ein spezifisches Fragment dar. Bänder auf gleicher Höhe weisen darauf hin, dass Fragmente mit gleicher molekularer Größe vorlagen.

Die VNTR-Analyse (variable number tandem repeats) ist eine Abwandlung der RFLP-Analyse. Sie basiert darauf, dass identische Basensequenzen in der DNA vorhanden sind. Diese Zahl variiert allerdings von locus zu locus. Die Nachteile der VNTR-Analyse sind, dass eine große DNA-Probe benötigt wird. Weiterhin können DNA-Stränge leicht durch Sonnenlicht, Kontamination durch Mikroorganismen oder verschiedene chemische Substanzen auseinanderbrechen. Außerdem benötigt diese Art der DNA-Analyse sehr viel Zeit. Dafür ist die VNTR-Analyse sehr genau und ausführlich.

Die PCR (Polymerasekettenreaktion) ist eine Technik, um sichergestellte DNA zu kopieren. Dabei wird das Enzym Polymerase genutzt, um die die einzelsträngige DNA (z.T. auch nur Fragmente davon) zu kopieren. Aus den resultierenden zwei Strängen werden abermals Kopien gefertigt, usw., sodass man innerhalb weniger Stunden eine Million oder mehr Kopien entwickelt. Mit der STR-Analyse (short tandem repeats) werden nur einzelne Fragmente von wenigen Nucleotiden (meist 3; 4 oder 5 Nukleotide) untersucht. Diese Methode wird heutzutage am häufigsten angewandt.

Die Anwendung forensischer Methoden zur Verbrechensaufklärung an ausgewählten Fallbeispielen im 19. und 20. Jahrhundert

Trauernde Witwe oder hinterhältige Mörderin? – der Fall Marie Lafarge

Der Fall Marie Lafarge gilt als Jahrhundertfall des 19. Jh. schlechthin und das, obwohl es sich um einen Giftmord wie jeden anderen zu handeln schien. Was ihn zur Sensation machte, „waren die neuartigen Umstände seiner Aufklärung: Die moderne Chemie hielt Einzug in den Gerichtssaal“. Tatsächlich bedurfte es dreier chemisch-toxikologischer Gutachten, bis es zu einer Verurteilung kam. Und selbst danach wurde das Urteil immer wieder angezweifelt.

Als Marie Capelle im August 1839 über eine Heiratsvermittlung Charles Lafarge kennen lernte und ihn kurz darauf ehelichte, erwies sich das bald als großer Fehler. Charles´ Vermögen, der Grund für die Heirat, war kleiner als gedacht, weshalb Marie die Ehe schnellstmöglich beenden wollte und sogar mit Selbstmord drohte. Als er im Dezember verreiste, schickte sie ihm zu Weihnachten dennoch liebevoll einen Kuchen, der bei Charles allerdings Bauchschmerzen und Erbrechen auslöste. Der nur wenig später von seiner Gattin zubereitete Wildbraten mit Trüffeln zeigte die gleiche Wirkung. Obwohl sich Marie daraufhin aufopferungsvoll um ihn kümmerte, verstarb Charles am 14. Januar 1840. Kurz danach erstattete seine Mutter Anzeige gegen Marie wegen Mordes. Charles´ Schwester war nämlich aufgefallen, dass Marie oft ein weißes Pulver in die Speisen ihres Mannes gegeben hatte, was sie veranlasste, sich heimlich Proben von den Lebensmitteln für eine chemische Untersuchung zu beschaffen. Denn nicht nur Charles´ äußere Symptome, auch Maries häufiger Erwerb von Arsen, angeblich als Rattengift, wiesen auf eine unnatürliche Todesursache hin. Der Obduktionsbefund (gerötete Lungen, Entzündungen in Rachen und Schlund, Verätzungen im Magen und eine schwarze Verfärbung des Zwölffingerdarms) schloss eine Arsenikvergiftung ebenfalls nicht aus.

Die toxikologische Untersuchung von Speiseresten, Erbrochenem und Mageninhalt des Toten bestätigte diese Vermutung: Einer 1786 vom deutschen Arzt Samuel Hahnemann entwickelten Methode folgend hatten Ärzte Schwefelwasserstoff zu dem verdächtigen Material gegeben, woraufhin sich ein gelber Niederschlag (das Anzeichen für Arsen) zeigte. Dennoch fochten Maries Verteidiger dieses Gutachten an - und das nicht ohne Grund, „denn die Ärzte waren äußerst unachtsam vorgegangen“: Der ungetrennte Transport von den Organen des Toten und Speiseresten im gleichen Korb hätte eine gegenseitige Kontaminierung mit Gift bewirken können, vor allem, da ein Gefäß während des Transports zerbrach. Auch lag der Magen vor seiner Untersuchung tagelang ungeschützt in einer Schublade der Gerichtsmedizin. Zu guter Letzt war die Methode Hahnemanns 1840 schon völlig veraltet. Daher forderte die Verteidigung eine Untersuchung mithilfe der Marshschen Probe, des bis dato modernsten Arsennachweises (s. Abb. 35 und 36). Hierbei wurde das verdächtige Material (in diesem Fall der Magen des Toten) mit Zink sowie Salz- oder Schwefelsäure versetzt. Bei Vorhandensein von Arsen, bildete es mit dem Wasserstoff, der aus der Reaktion von Zink und der Säure hervorging, Arsenwasserstoff. Dieser wurde in einem Glasrohr gesammelt und anschließend entzündet. Hielt man eine kalte Porzellanschale gegen die Flamme, überzog sie sich mit einem schwarzen Arsenspiegel. Überraschenderweise blieb dieser im Fall Lafarge aus. Allerdings brachte der Ankläger in Erfahrung, dass bei Arsenvergiftungen das Gift nicht immer im Magen, sondern vielmehr in anderen Körperorganen nachweisbar ist. Es erfolgte ein Exhumierung des Leichnams und die Untersuchung von Milz, Leber, Darm, Herz sowie Muskelgewebe. Obwohl hier die Marshsche Probe ebenfalls negativ ausfiel, enthielten die Speisen eine überaus tödliche Menge Arsen. Erst Mathieu Joseph Bonaventura Orfila, der führende Toxikologe der damaligen Zeit, konnte das Rätsel lösen: Ihm gelang der Nachweis von Arsen in allem Organen Charles Lafarges. Bei der ersten Untersuchung „hätten ungeübte Leute den Marshschen Apparat bedient und dadurch die Ergebnisse verfälscht“. Wenngleich damit die Indizienlast geradezu erdrückend war, beteuerte Marie Lafarge bis an ihr Lebensende ihre Unschuld.

Unfall oder Mord? – Eine Verbrechensaufklärung mithilfe der Bestimmung des Todeszeitpunktes

Nicht immer ist alles so, wie es scheint, das gilt auch in der Kriminalistik. So können sich selbst scheinbare Unfälle als Verbrechen erweisen; wie in diesem Fall, bei dem die Ermittlung des Todeszeitpunktes maßgeblich die Aufklärung eines Verbrechens bestimmte.

In einer Julinacht 1975 alarmierte ein Wirt im brandenburgischen Lobendorf gegen 4 Uhr die Polizei, nachdem ihm ein Mann namens Dieter Pätzold von der Verletzung oder gar dem Tod seiner Freundin Solveig Mathis infolge eines Verkehrsunfalls berichtet hatte. Als die Beamten 40 Minuten später am Unfallort eintrafen, fanden sie in einer Rechtskurve im linken Straßengraben ein umgestürztes Motorrad und kurz dahinter Solveig Mathis, bei der nur noch der Tod festgestellt werden konnte. Pätzold zufolge saß sie am Steuer der Maschine, als der Unfall geschah. Allerdings machte es die Polizisten stutzig, dass sich der Unfall laut Pätzold kurz nach Mitternacht ereignet hatte, er aber erst 4 Uhr Hilfe holte. Außerdem blieb die Lage des Mädchens „durch den Unfallhergang nicht erklärlich“.

Aufgrund dieser Diskrepanzen klärte der Gerichtsmediziner, der gegen 6 Uhr am Tatort erschien, zuerst den Todeszeitpunkt. Beim Abtasten von Achselhöhle und Leistengegend spürte er deutlich Körperwärme; die Rektaltemperatur betrug noch 36,1 °C. Als er ein pupillenerweiterndes Mittel unter die Bindehaut spritzte, zeigte sich eine heftige Reaktion mit der Pupillenmuskulatur, die bei der Injektion eines Medikamentes mit entgegengesetzter Wirkung ebenso auftrat. Weiterhin reagierten sowohl Mundwinkel als auch Biszepsmuskel auf ein elektronisches Reizgerät, was nur bei frischen Leichen der Fall ist (Genaueres zu den genannten Methoden findet sich in 5.2.2). In Anbetracht der vorhergehenden Fakten legte der Arzt den Todeszeitpunkt auf etwa 3 Uhr fest.

Bei einer späteren Obduktion stellte sich heraus, dass Mathis keine tödlichen Verletzungen, aber eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, die zur Bewusstlosigkeit führte. Wahrscheinlich war sie an eingeatmetem Blut infolge eines gebrochenen Nasenbeins erstickt. Doch nicht nur Mathis´ toten Körper auch Pätzold unterzog man einer gerichtsmedizinischen Untersuchung. Dabei fand man neben Schürfwunden an seiner rechten Körperseite ebenfalls eine am linken Oberschenkel, die nicht zum geschilderten Unfallhergang passte. Der Gerichtsmediziner konnte sich diese nur so erklären: Pätzold statt Mathis hatte das Motorrad gefahren und war beim Unfall über den Lenker geschleudert worden, was diese Wunde hinterließ. Daraufhin bekannte sich Pätzold schließlich schuldig. Da er während der Fahrt stark alkoholisiert gewesen war, hatte er die röchelnde Solveig Mathis nach dem Unfall von der Straße gezogen und untätig ihren Tod abgewartet, um ihr die Schuld am Unfall zu geben. Dies galt zwar nicht als Mord, aber als unterlassene Hilfeleistung.

Gefasst nach 40 Jahren – die Identifikation des Joseph Mengele

Dass Forensiker versuchen, die Identität einer Leiche zu klären, um ein Verbrechensopfer zu identifizieren, ist keine Seltenheit. Doch in diesem Fall war es anders: Nicht ein Opfer, sondern einer der meistgesuchten Verbrecher des 20. Jh. sollte durch die Identifizierung eines Leichnams gefunden werden: Joseph Mengele. Tatsächlich galt der ehemalige Lagerarzt des KZ Auschwitz-Birkenau nach dem Krieg als verschollen; in Argentinien, wohin er sich nachweislich abgesetzt hatte, verlor sich seine Spur ins Nichts. Erst 1985 tauchten Hinweise eines in Brasilien lebenden, deutschstämmigen Ehepaares auf, Mengele sei in dem brasilianischen Dorf Embú als Wolfgang Gerhard begraben. Angeblich war er 1979 im Alter von 67 Jahren bei einem Badeunfall ums Leben gekommen. Um dies zu überprüfen, wurde das angebliche Grab noch 1985 geöffnet und das darin befindliche Skelett geborgen.

Binnen kürzester Zeit stand fest, dass es sich bei dem Toten um einen Mann handeln musste. Warzenfortsätze, Brauenwulst (s. Abb. 37) und Nackenkamm waren zu ausgeprägt für ein weibliches Skelett. Die robusten Beckenknochen mit deutlichen Muskelabdrücken aber einer engen Beckenöffnung deuteten gleichfalls auf einen Mann hin, ebenso wie der große Durchmesser der Hüftgelenkpfanne und der Oberschenkel- und Oberarmknochenköpfe. Außerdem ließ die Form von Augenhöhle und Nasenbein auf einen Weißen schließen; wahrscheinlich einen Rechtshänder, da die rechten Armknochen länger als die linken waren. Zwar traf all dies auf Mengele zu, jedoch auch auf Millionen andere Menschen.

Für eine vollständige Identifikation musste man daher weitere, spezifischere Übereinstimmungen zwischen dem Skelett und Mengele finden, wofür die SS-Akte des Lagerarztes (später ergänzt durch nachträglich in Brasilien aufgetauchte ärztliche Unterlagen) als Vergleichsmaterial herangezogen wurde. Tatsächlich stimmte der am Schädel gemessene Umfang von 57 cm mit den Angaben in derselben überein genau wie die Körpergröße von etwa 1,74 m, die sich aus der Länge der Oberschenkel-, Schien- und Wadenbeinknochen des Skeletts ergab. Weiterhin wiesen Röntgenaufnahmen des Gebisses darauf hin, dass der Tote einen überdurchschnittlich breiten Schneidezahnkanal und somit eine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen des Oberkiefers besaß. Dieses Erbmerkmal tritt nur bei 11% der Weltbevölkerung auf und war auf einem SS-Foto des 27-jährigen Mengele deutlich sichtbar (s. Abb. 38). Gleichermaßen deckte sich das Alter des Skeletts mit den Aussagen des deutschstämmigen Ehepaares über das Todesalter Mengeles. Der Abschleifungsgrad der Zähne und eine Untersuchung der Osteonen im Querschnitt des Oberschenkelknochens (s. 6.1.2) bestätigten ein Ableben zwischen 60. und 70. Lebensjahr. Den entscheidenden Durchbruch brachte letztendlich eine Gesichtsrekonstruktion mithilfe des Superprojektionsverfahrens (s. 6.3 und Abb. 39). Bei einer Überlagerung von Fotografien Mengeles und dem Schädel von Embú stimmten „[d]ie Konturen des Gesichts auf dem Foto – die Ecken des Kiefers, die Neigung der Stirn, die Lage der Nase über der Nasenöffnung – [...] haargenau mit der Form des Schädels überein“. Allerletzte Zweifel über die Identität des Toten von Embú konnten 1992 durch einen DNA-Vergleich (s. 6.6) mit einem noch lebenden Verwandten Mengeles beseitigt werden.

Fazit

Die Anfänge der Forensik liegen, wie der Ursprung des Wortes selbst, im Altertum. Schon lange vor der Zeit modernster Hightech-Labore begaben sich Menschen in Europa und Fernost mit der Wissenschaft auf Verbrecherjagd. Seitdem hat sich die Forensik in allen Epochen, trotz des einen oder anderen Aberglaubens oder wissenschaftlichen Irrläufers wie der Bertillonage, weiterentwickelt. Dieser Fortschritt war nicht nur eng mit anderen Wissenschaften verwoben, sondern hatte je nach Epoche und deren typischen Mordmethoden andere Schwerpunkte. Beispielsweise profitierte die Forensik von der biologischen Entdeckung der DNA und als Giftmorde in Mode waren, konzentrierte man sich mehr auf die Entwicklung von Giftnachweisen.

Auf diese Weise entwickelte sich die Forensik zu einer modernen und komplexen Wissenschaft mit mehreren Teilgebieten. Mittlerweile gibt es sogar mehrere forensische Verfahren mit der gleichen Intention, sodass eine Methode zur Überprüfung der Ergebnisse einer anderen angewandt werden kann, wie etwa bei der Todeszeitpunktbestimmung des Unfallopfers Solveig Mathis. Vor allem heutzutage sind die naturwissenschaftlichen Techniken der Forensik z.T. so kompliziert, dass bei unzureichender Erfahrung leicht Fehler unterlaufen können und daher einzig die Durchführung durch ausgebildete Experten ein unverfälschtes Ermittlungsergebnis weitestgehend garantiert. Dies zeigt sich nicht nur im Fall Lafarge, sondern gilt bis heute in allen forensischen Disziplinen. Bei der Spurensicherung z.B. entscheiden schon kleinere Unregelmäßigkeiten über einen erfolgreichen Verlauf der Ermittlung. Ebenso bedarf es zur Bestimmung der Todesursache und der Leichenliegezeit einer sorgfältig durchgeführten Autopsie, bei welcher der Leichnam sowohl von außen als auch von innen begutachtet wird. Dabei müssen sowohl am Tatort als auch bei der Autopsie alle Feststellungen präzise dokumentiert werden, um späteren Irrtümern oder Verwechslungen vorzubeugen.

Die Autopsie dient jedoch nicht nur der Klärung der Todesumstände, sondern auch der Identifikation der Opfer. Tatsächlich können inzwischen (oft mithilfe lang angelegter Sammlungen oder vergangener Studien) Opfer von Kapitalverbrechen gleichermaßen wie Täter anhand aller erdenklichen Körperteile und Sekrete identifiziert werden. Häufig ist dabei eine direkte Identifikation allerdings nicht möglich, sodass man nur über ein Ausschlussverfahren ein Ergebnis erhält, wie z.B. im Fall Mengele. Insbesondere hierbei zeigt sich die enge Verzahnung der forensischen Disziplinen, denn wo die eine Methode vielleicht nicht weiterhelfen kann, füllt eine andere diese Lücke. Schließlich haben auch forensische Verfahren ihre Grenzen sowie Vor- und Nachteile.

Dennoch war und ist die Forensik eine unerlässliche Wissenschaft für die Verbrechensaufklärung. So lange Forensiker entsprechende Techniken sicher beherrschen und unvoreingenommen an einem Fall arbeiten, gewährleisten sie ein objektives Ergebnis, um Verdächtige nicht nur zu belasten, sondern auch durchaus zu entlasten. Mittlerweile sind die Ergebnisse forensischer Verfahren sogar so anerkannt, dass sie vor Gericht nur noch selten hinterfragt werden. Jedoch ist die Entwicklung der Forensik immer noch nicht abgeschlossen; immer wieder werden bessere oder neue naturwissenschaftliche Methoden zur Verbrechensaufklärung entwickelt. In etwa 25 Jahren wird beispielsweise das genetische Phantombild (s. Glossar) die Jagd auf Verbrecher erheblich erleichtern.

Eine ungefähre Vorstellung davon, wie Forensiker der heutige Zeit arbeiten, erhielten wir während der Ausarbeitung unserer Seminarfacharbeit, vor allem dank mehrerer Experimente, die wir selbst durchführten. Dem gleichen Zweck dienten ein Besuch in der Anatomie Erlangen sowie ein Vortrag des Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke. Sie waren zwar nicht relevant für unsere Seminarfacharbeit, erwiesen sich aber dennoch als sehr interessant.

Glossar

Siehe hierzu bitte das .pdf!

Anhang

E-Mail-Interview mit dem Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke

Schüler: Welche Fachgebiete der Forensik umfasst die Kriminalbiologie überhaupt? (Wo liegt der Unterschied zwischen Forensik und Kriminalbiologie)?

Dr. Mark Benecke: Die Kriminalbiologie ist ein recht kleines Arbeits- und Forschungsgebiet unter anderem bei Todesermittlungen. Sie ist ein Teil der Forensik und vereint kriminalistischpolizeiliches, naturwissenschaftliches und rechtsmedizinisches Denken. Betrieben wird die naturwissenschaftliche Kriminalistik von Biologen unterschiedlicher Fachrichtungen, beispielsweise der Genetik (früher auch Blutgruppenkunde oder Serologie genannt), Insektenkunde (Entomologie) und Botanik (Morphologie). Die derzeit bekanntesten, wenngleich nicht die einzigen kriminalbiologischen Techniken sind die Untersuchungen von Leicheninsekten (forensische Entomologie), die Untersuchungen von Blutspuren (bloodstain pattern analysis, blood spatter analysis) sowie das Erstellen und Analysieren genetischer Fingerabdrücke (DNA-Typisierung).

Schüler: In den USA gibt es im Gegensatz zu Deutschland direkt einen Studiengang für die Forensik. Denken Sie, diese Art der Ausbildung ist besser?

Dr. Mark Benecke: Besser für was? Es ist eben eher eine Berufs-Ausbildung als ein Studiengang. Allerdings stellt die deutsche Polizei auf der normalen Ebene ja meist gar keine Leute mit "Forensik"-Abschluss an, sondern eher Polizisten, die die gesamte Laufbahn bei LKA, BKA oder eben normalen Polizeien (Bundespolizei, normale Polizei) durchlaufen haben. Ich weiß also nicht genau, was für Jobs die AbsolventInnen von Forensik-Studiengängen in Deutschland kriegen können. Ich kenne niemanden, der damit einen Job bekommen hat, aber die Studiengänge gibt es ja auch noch nicht so lange. Man kann natürlich beim LKA oder BKA als Quereinsteiger als ForscherIn einsteigen, also Physiker, Biologen usw.; ob das auch über ein Forensik-Studium mit Master und Promotion geht, weiß ich nicht.

In den USA ist das System von vornherein total anders. Da kann man mit dem Bachelor oder Master von so einem Forensik-Studiengang ganz gut Jobs in der Forensik kriegen. Ich war z.B. auch in Manhattan (New York) in der Rechtsmedizin als Kriminalbiologe angestellt, da wurde mir offiziell für mein Diplom und meinen Doktortitel ein Bachelor, ein Master und ein Ph.D. Anerkannt, so dass ich jetzt alles habe. Es gab aber auch rein technische Angestellte ohne Abschlüsse.

Ganz ehrlich: Meiner Meinung nach soll sich jeder erst mal überlegen, was ihn inhaltlich interessiert und das dann studieren. Forensik ist ja kein Inhalt, sondern eine Tätigkeitsbeschreibung. Der Inhalt ist Biologie oder Polizeiwissenschaften oder Rechtsmedizin.

Ob man später damit einen Job kriegt oder nicht, sollte eigentlich absolut keine Rolle spielen. Das ist für mich irgendwie verdreht, sich erst nach dem Job zu fragen und dann zu entscheiden, was für ein Studium man macht. Scheint irgendein bekloppter Trend zu sein. Ich kenne und empfehle es genau umgekehrt.

Schüler: Sie selbst sind ja Freiberufler. Gibt es auch festangestellte Kriminalbiologen?

Dr. Mark Benecke: Ja, beim BKA und LKA, die meisten machen DNA-Untersuchungen (genetische Fingerabdrücke). Die kriegen geile Titel, z.B. Biologie-Rat (kein Witz).

Schüler: Werden Sie oft zu Kriminalfällen hinzugerufen oder bestimmen eher andere Tätigkeiten (z.B. die Lehrtätigkeit an Universitäten) Ihren Tagesablauf?

Dr. Mark Benecke: Beides. Über die meisten Fälle, die wir bearbeiten, erfährt man nichts, ist ja klar, die Täter sollen ja nichts mitkriegen. Ich habe mir neulich die Sherlock-Holmes- Gesamtausgabe geholt, ihm ging es genauso. Allerdings lehre ich deutlich mehr als der gute Sherlock, das stimmt schon. Tagesabläufe gibt es bei mir nicht, jeder Tag ist anders, und jeder Fall ist anders.

Schüler: Wie viele Fälle konnten in etwa mit Ihrer Hilfe gelöst werden?

Dr. Mark Benecke: Keine Ahnung, das erfahre ich nicht. Ich untersuche die Spuren und basta. Was dann Polizei oder Gericht damit oder daraus machen, geht mich nichts an. So wie ein Mensch im Holzgroßhandel: Der verkauft Holz, kennt sich damit auch gut aus, erfährt aber auch nicht, was die Leute wann damit bauen oder nicht bauen.

Schüler: Wenn Sie Aussagen vor Gericht tätigen, werden Ihre Aussagen teilweise noch von Anwälten angezweifelt oder gelten Ihre Ergebnisse schon als allgemein anerkannt?

Dr. Mark Benecke: Leider wird es meist recht unkritisch hingenommen. Mir selbst macht es mehr Spaß, wenn gute Nachfragen kommen.

Schüler: Haben Sie sich jemals an den Anblick von Leichen gewöhnt? Wenn ja, wie lange haben Sie dafür gebraucht?

Dr. Mark Benecke: Das war mir von der ersten Sekunde an total egal. Dafür hasse ich es, wenn Leute Tiere züchten und töten, um sie zu essen (vollkommen bescheuert), von Spinnen habe ich auch Respekt und auf der Nordsee werde ich innerhalb von einer halben Stunde seekrank. Ich bin also voll das Weichei. Fußball spielen kann ich übrigens auch nicht. Schießen auch nicht. Usw.

Schüler: Sie werden zu einem Leichenfundort gerufen. Welche Ausrüstung nehmen Sie mit?

Dr. Mark Benecke: Lupe, Taschenlampe, Kamera, Tatortaufkleber. Bleistift. Und dann, je nach Fall: Fingerspurenpulver, Abformmasse, Laser-Entfernungs-Mess-Gerät, Filzstift, früher noch Funkgeräte (bevor es Handys gab), Bandmaß, Gläschen, um Proben rein zu tun, Alkohol zum Einlegen, Pinzetten, Swisstool (Leatherman ist leider zu schrottig verarbeitet), usw..

Schüler: Gibt es an Tatorten immer einen bestimmten Ablauf in der Vorgehensweise?

Dr. Mark Benecke: Nein. Das wird alles von Fall zu Fall einzeln abgesprochen, zumindest, wenn ich dabei bin. Ich bin ja das kleinste Licht dort und will mich anpassen an das, was die PolizistInnen wollen. Die ermitteln ja, nicht ich. In den USA gab es öfter einmal Listen, nach denen man vorgehen sollte, aber in Deutschland werden die immer sehr schnell ins Altpapier geschmissen (leider). Ein bisschen mehr System könnte zumindest bei der Spurensicherung viel helfen, aber es ist halt wie es ist, nämlich oft suboptimal, weil der eine nicht mit dem anderen redet.

Schüler: Gibt es einen bestimmten Zeitpunkt/Jahrhundert, welchen/welches Sie als Geburtsstunde der Kriminalbiologie/Forensik bezeichnen würden?

Dr. Mark Benecke: Definitiv die Detektiv-Romane von Edgar Allan Poe und Conan Doyle. Durch sie wurden die modernen Detektive, aber auch die naturwissenschaftlichen Kriminalisten definiert. Trotzdem gibt es auch viel ältere Fälle, beispielsweise von Sung Tse aus dem 13. Jahrhundert.

Schüler: Gab es im Laufe der Geschichte der Kriminalbiologie/Forensik gewisse Höhepunkte, die zu einer enormen Verbesserung der Methoden und/oder einer höheren Aufklärungsrate von Kriminalfällen geführt haben?

Dr. Mark Benecke: Ja, zuletzt die Einführung der Fingerabdrücke (1904) und Einführung der genetischen Fingerabdrücke (1980er Jahre).

Schüler: Der römische Gelehrte Plinius der Ältere schrieb einst, dass Leichen von Vergifteten nicht von "Würmern" befallen werden. Inwieweit stimmt das?

Dr. Mark Benecke: Keinen Schimmer, was er meinte. Es hängt eher vom Wetter, dem Klima, der Jahreszeit, der Lagerung der Leiche usw. ab; Gifte sind nicht so unbedingt das größte Hindernis für meine kleinen AssistentInnen. Man darf die alten Geschichten auch nicht immer total wörtlich nehmen, da ja vieles einfach immer nur weiter erzählt wurde, beispielsweise die falsche Anzahl von Zähnen im Mund von Menschen, die ja jeder hätte nachzählen können. Hat aber fast keiner gemacht, Jahrhunderte lang. Heute fragen mich die Leute immer, ob Maden nach Norden kriechen, weil das in einem recht aktuellen Roman steht. Das ist - wie mit dem Gift - nicht so ganz falsch, aber leider auch nicht so ganz richtig. Woher das im Einzelnen immer kommt, weiß ich nicht - vielleicht korrekte Einzel-Beobachtungen, die falsch verallgemeinert sind.

Schüler: Der erste bekannte entomologische Kriminalfall wurde im 13. Jahrhundert in China gelöst. Warum wurde die forensische Entomologie erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt angewandt und ist selbst heute in vielen Bevölkerungsteilen weitestgehend unbekannt?

Dr. Mark Benecke: Erstens, weil viele Menschen Insekten, Biologie, Physik und Chemie hassen und auch noch stolz darauf sind. Zweitens, weil viele Menschen über Verbrechen gerne im Krimi lesen, ansonsten aber nichts damit zu tun haben wollen. Und drittens, weil Spezialwissen viel Arbeit und Einarbeitung erfordert und die meisten Menschen diese Art von penibler Arbeit langweilig finden.

Schüler: Früher gab es die Gedanken, Menschen anhand der Venenmuster auf ihrem Handrücken (die sog. Venoskopie) oder mit Hilfe des Musters der Netzhaut (Retinoskopie) zu identifizieren. Sind diese Muster wirklich wie Fingerabdrücke von Mensch zu Mensch unterschiedlich?

Dr. Mark Benecke: Das ist nicht zu Ende untersucht. Es hilft aber am Tatort sowieso nichts, da muss sich ja die Spur übertragen. So gesehen hat man da nicht superviel Energie reingesteckt, nachdem die Fingerabdrücke eingeführt wurden. Das nützt eher was, wenn man lebende Men48 schen z.B. bei der Einreise erkennen will oder ins KZ stecken. Ich arbeite aber eh eher mit verfaulten Leichen, da ist das Venengeflecht nicht mehr so aussagekräftig. Generell mag ich solche Bio-Erkennungs-Techniken, ich hab freiwillig meine Fingerabdrücke in Deutschland und unfreiwillig in den USA in allen Datenbanken drin und meine Iris hab ich auch gerne als einer der ersten scannen lassen (das sollte mal an Flughäfen eingeführt werden). Es ist für mich aber Spielerei, weil ich keiner verfolgten Menschengruppe angehöre; generell bin ich unfreiwilligen Datensammlungen von Menschen kritisch gegenüber eingestellt, s. Kapitel Kriminalbiologie im Dritten Reich im Buch So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. Wenn so etwas von ideologisch verblendeten Vollpfosten angewendet wird, gibt es immer Ärger und leider gibt es eben recht viele ideologisch verblendete Vollpfosten.

Schüler: Wie kam man auf die Idee, die menschliche DNA zu Vergleichszwecken für die Aufklärung von Kriminalfällen zu nutzen?

Dr. Mark Benecke: Das war Kollege Jeffreys, ich gebe euch mal ein Foto, das könnt ihr benutzen. Das Foto ist im Anhang. Links bin ich, rechts ist er (s. Abb. 17).

Schüler: Im Winter gibt es ja normalerweise keine Insekten, weil es so kalt ist. Können in einem milden Winter sich trotzdem Insekten auf einer Leiche befinden?

Dr. Mark Benecke: Absolut. in der Nähe menschlicher Behausungen überleben die ja problemlos, besonders Schmeißfliegen und Stubenfliegen, die das schon seit zehntausenden von Jahren mitmachen: In Kellern, Ställen, Küchen, in Ritzen in Hauswänden usw.. Das hängt aber natürlich, wie schon gesagt, vom Einzelfall ab.

Schüler: Inwieweit beeinflussen starke Temperaturschwankungen die Entwicklung der Insekten auf einer Leiche (also ihre Stadien)?

Dr. Mark Benecke: Da ist der Horror. Man muss das alles sehr kompliziert ausrechnen: Bis zu welcher Temperatur wachsen sie? Ab wann fallen sie in ein Ruhestadium? Ab wann sterben sie?

Bei einem (für uns, nicht für den Vermieter) lustigen Fall, den ich mal hatte, sind die erwachsenen Tiere wegen des Winters erst Monate nach dem Leichenfund in der längst renovierten Wohnung einer Leiche aufgetaucht. Die Larven hatten ein Ruhestadium hinter den Teppichleisten, die an die Wand genagelt waren, eingelegt.

Schüler: Wie bestimmt man den Todeszeitpunkt bei einer vollständig gefrorenen Leiche?

Dr. Mark Benecke: Anhand der Umstände: Wann wurde der Tote zuletzt gesehen, wann hat er telefoniert, wann eingekauft usw.. Das klappt oft erstaunlich gut! Das machen aber PolizistInnen, nicht ich.

Schüler: Fast jede Leiche ist anders (wird also unter anderen Umständen vorgefunden). Wie ist es trotzdem möglich, Verallgemeinerungen bezüglich der Insektenstadien und -arten auf einer Leiche zu treffen?

Dr. Mark Benecke: Ihr seid die ersten, die diese extrem gute Frage stellen. Das macht man, indem man zwei Techniken verknüpft: aus den Naturwissenschaften die systematische Variation und aus der Kriminalistik die kritische Einzelfallbetrachtung. Das Beste aus beiden Welten sozusagen, um mal Hannah Montana zu zitieren. Man sammelt Einzelfälle, schreibt sie über Jahrhunderte auf und vergleicht sie (kein Witz). Gleichzeitig kann man im Labor Versuchsreihen machen, die man mit normaler Statistik auswerten kann, eben zu kleinen Teilfragen: Blutgruppen, DNA usw.. Das kombiniert man und kriegt dann etwas sachverständig aussagekräftig Forensisches raus.

Schüler: Müssen Sie bei manchen Kriminalfällen noch neue Forschungen/Studien durchführen, um anhand von Insekten Aussagen treffen zu können, oder sind schon alle verschiedenen Tatortsituationen erforscht?

Dr. Mark Benecke: Ja, dauernd. Wir nehmen, was wir finden und was wir züchten können, oft Schmeißfliegen. Wir verwenden aber auch unsere Tiere vom Tatort als Experimente, beziehen die also in die Versuchsreihe mit ein, siehe vorhergehende Frage.

Schüler: Warum gibt es keine zwei Menschen mit dem gleichen Fingerabdruck, aber doch bestimmte Grundmuster wie Bögen, Wirbel oder Schleifen?

Dr. Mark Benecke: Weil die genetische Steuerung, wie bei der Entstehung des Immunsystems, das auch bei jedem Menschen anders ist, so viel Spielraum lässt, dass es zu extrem vielen Kombinationsmöglichkeiten kommt. Beispiel: Vermutlich gibt es noch nicht mal zwei identische Sprudelwasserblasen, die im Laufe unserer Menschheits-Geschichte dieselbe Form und denselben Weg gehen. Das weiß man aber nicht so genau. Bei Fingerabdrücken kann man es aber beobachten: Es wurden noch nie, seit über hundert Jahren und auf der ganzen Erde, zwei gleiche gefunden.

Schüler: Wenn man Blutspuren untersucht, kann man den Unterschied zwischen Tier- und Menschenblut schon unter dem Mikroskop feststellen? Wie unterscheidet man überhaupt Tierund Menschenblut?

Dr. Mark Benecke: Also, ich hab es früher (ohne DNA) in New York immer so gemacht, dass wir das Blut in einem Agar-Gel gegen Anti-Ziege, Anti-Schwein, Anti-Huhn, Anti-Kaninchen und Anti-Rind haben laufen lassen, weil wir meinten, dass dies Blut-Arten am häufigsten als Blut am Fundort zu Verwechslungen führen könnte, wenn der eigentliche Blut-Test positiv ist. Das geht recht schnell:

Ich habe es euch mal rauskopiert (http://www.enotes.com/serology-reference/serology), wie das geht, könnt ihr ja auf Englisch abdrucken: "To determine whether a blood sample is from a human or animal source, samples are tested with anti-human serum. This method was discovered by the German biologist Paul Uhlenhunth in the late 1870s. He injected protein from a chicken egg into a sample of rabbit's blood. After a few days, he extracted the rabbit's serum and mixed it with egg white, causing the separation of egg proteins from the solution to form a whitish clotting substance, precipitin. Precipitin is now a generic name for the resulting agglutinated complex formed when antibodies present in the serum of a species agglutinate the proteins in the blood of a different species. The forensic test consists of collecting the blood sample in a test tube containing serum from a rabbit containing antibodies against human blood, known as anti-human antibodies. If an insoluble complex of precipitin (clumping) occurs, the test is positive for human blood. This test can also be conducted using gel-electrophoresis, when a blood sample is put on a glass slide and covered by a layer of agar gel. The slide is positioned side by side with another containing the rabbit anti-human serum, inside a box filled with a solution that conducts electric current. As the current passes through, protein molecules are filtered into the gel and toward each glass slide. If precipitin is formed, the test is positive, and the blood sample is identified as human blood." Das ist echt genau das, was wir gemacht haben, allerdings ohne Strom; wir haben es einfach eine Nacht liegen lassen, man sieht dann weiße Banden, wenn es präzipitiert hat. Das macht man heute aber nicht mehr, denke ich, siehe auch nächste Frage.

Schüler: Wie unterscheidet man Tier- von Menschen-DNA?

Dr. Mark Benecke: Nun, die hat eine verschiedene Sequenz, und daher kann man einfach Tierund Mensch-spezifische Primer einsetzen. Das ist in der Praxis kein Problem, da wir ja keine Schimpansen am Fundort haben, die vielleicht doch dem Menschen allzu ähnlich wären. Alle anderen Tierarten sind deutlich genug anders als Menschen.

Schüler: Kann man DNA auch aus Schweiß oder Hautschuppen gewinnen?

Dr. Mark Benecke: Klaro. Die Hautschuppen sind im Schweiß am rumschwimmen.

Schüler: Wie viel Blut oder Speichel müssen vorhanden sein, damit man eine DNA-Analyse überhaupt durchführen kann?

Dr. Mark Benecke: Eher wenig; ein Tropfen reicht oft. Wenn es ein(e) gute(r) Spurensicherer(in) einsammelt, passt es meist. Das größere Problem sind Verschmutzungen.

Schüler: Kann man auch bei einer verbrannten Leiche noch eine DNA-Analyse durchführen (inwieweit gibt es hierbei Grenzen)?

Dr. Mark Benecke: Ja, in den Zähnen und Knochen ist oft noch DNA, diese Körperteile müssen halt noch da sein. Ansonsten gibt es bei Verbrennungen glaub' ich Grenzen.

Schüler: Wie lange ist die DNA haltbar (zerfällt sie irgendwann oder besteht sie auf ewig)?

Dr. Mark Benecke: DNA hält sich recht lange, wenn sie trocken ist, also teils in Zähnen locker Jahrzehnte. Der Kollege Pääbo holt auch schon mal DNA aus Neandertalern und Mammuts, ist aber extrem viel mehr Arbeit, könnte ich beispielsweise (technisch) überhaupt nicht.

Schüler: Können äußere Einflüsse wie Sonnenlicht oder radioaktive Strahlung die DNA beschädigen und eine DNA-Analyse unmöglich machen? (Wenn z.B. eine Leiche lange Sonnenlicht ausgesetzt war und man sie nur mit einer DNA-Analyse identifizieren könnte, ist das noch möglich?)

Dr. Mark Benecke: Ja, das kann sein. Meist klappt die DNA-Analyse aber irgendwie. Ich habe dazu jede Menge Versuche in den Philippinen gemacht: Sperma auf komischem Papier, Blut auf Tamarinden-Rinde, das Ganze in die Sonne usw..

Schüler: Ist die DNA nur bei eineiigen Zwillingen vollständig gleich oder kann eine DNAÜbereinstimmung auch auf anderen Wegen (etwa mit Knochenmarktransplatationen) erreicht werden?

Dr. Mark Benecke: Nach einer Knochenmarkstransplantation liegt in den weißen Blutzellen meist der genetische Fingerabdruck des Spenders, selten auch einmal eine Mischung (Chimäre) der genetischen Fingerabdrücke beider Personen (Spender und Empfänger) vor. Rote Blutzellen enthalten ja keine DNA, weil sie keinen Zellkern haben.

Schüler: Wo liegt genau der Unterschied zwischen RFLP- und AFLP-Analyse, STRs und SNPs?

Dr. Mark Benecke: Das könnt ihr in der Wikipedia oder in meinem Buch So arbeitet die moderne Kriminalbiologie nachlesen.

Schüler: Welche DNA-Analysemethode wird am häufigsten angewandt?

Dr. Mark Benecke: Nur STRs.

Schüler: Denken Sie, dass seit Einführung der DNA-Analyse mehr Verbrechen aufgeklärt wurden?

Dr. Mark Benecke: Denke schon.

Schüler: Inwieweit treten bei DNA-Analysen noch Fehler auf?

Dr. Mark Benecke: Immer, wenn Idioten, die sich überschätzen, am Werk sind, wie in allen anderen Lebensbereichen.

Schüler: Welche Zukunftschancen sehen Sie für das genetische Phantombild?

Dr. Mark Benecke: Es kommt, das dauert aber sicher noch so 25 Jahre, bis auch einmal etwas gut Verwertbares rauskommt - die Augenfarbe zu ermitteln ist beispielsweise nicht so superwichtig. Es ist derzeit noch eine Science-Fiction-Technik, obwohl die niederländische Königin schon vor ein paar Jahren erlaubt hat, dass die Methode verwendet werden darf (in den Niederlanden).

Schüler: Welches war Ihrer Meinung nach Ihr interessantester/spektakulärster Fall?

Dr. Mark Benecke: Immer der nächste Fall; ein paar recht spektakuläre findet ihr im aktuellen Buch Aus der Dunkelkammer des Bösen, aber ich selbst finde absolut jeden Fall, egal, wie er aussieht und ob die Leute arm, reich, dick, dünn, groß, klein, Bayern, Spanier, Marokkaner, SchülerInnen, Zombies oder Aliens sind, spannend. Das ist übrigens eine weitere Ähnlichkeit zu Sherlock Holmes, der sieht das ähnlich. (Ich bin Mitglied in der Sherlock-Holmes-Gesellschaft. Bitte nicht wundern, wenn ich ihn schon zum zweiten Mal erwähne.) Allerdings untersuche ich auch angeblich paranormale Fälle. Find ich auch super, guckt mal unter http://skeptiker.de/

Schüler: Gab es im Laufe der Geschichte einen Kriminalfall, den Sie besonders interessant finden?

Dr. Mark Benecke: Hunderte. Ich habe die vielleicht größte private Sammlung mit Kriminalfällen. Jeder ist lehrreich JEDER.

Schüler: Inwieweit haben Sie die Kriminalbiologie in Deutschland geprägt?

Dr. Mark Benecke: Keinen Schimmer. Da es mittlerweile wie gesagt von Ravensburger Adventskalender und Experimente-Kästen zum Thema gibt, scheint es sich zumindest als eigenes Feld fester etabliert zu haben, so dass jeder weiß, worum es so ungefähr geht.

Schüler: Denken Sie, dass man die Methoden der Forensik/Kriminalbiologie auch missbrauchen könnte?

Dr. Mark Benecke: Man kann jede Methode und jeden Gegenstand missbrauchen, ein Buttermesser etwa für einen Mord.

Schüler: Ist die Kriminalbiologie/Forensik Ihrer Meinung nach eine unerlässliche Wissenschaft für die Verbrechensaufklärung?

Dr. Mark Benecke: Ja. Sie ist die einzige, die objektiv sein kann - und das entlastet viele Menschen. Die anderen Techniken dienen eher zur Belastung. Das ist schon mal ein Riesen-Vorteil. Abgesehen davon sind die Spuren nicht in erster Linie von Meinungen, Hoffen, Wollen und Wünschen abhängig, sondern stehen zunächst einmal für sich selbst. Das ist auch sehr angenehm.


DER RESTLICHE ANHANG (Abbildungen, Literaturverzeichnis, Verfasserverzeichnis, Versicherung) IST IM .PDF ZU SEHEN!!!


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