2012-06-08: Spiegel Online Interview
Quelle: Spiegel Online, Gesundheitskolumne
Was tun, wenn der Nachbar vielleicht tot ist?
Interview mit Mark Benecke, Kriminalbiologe aus Köln
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INTERVIEW: JENS LUBBADEH
SPIEGEL ONLINE: Woran kann man erkennen, dass mit dem Nachbarn vielleicht etwas nicht stimmt?
MB: Wenn die üblichen Geräusche nicht mehr zu hören sind, wie beispielsweise die Klospülung. Oder umgekehrt permanent das Wasser läuft. Und natürlich an Gerüchen – aber schlechter Geruch deutet nicht zwingend darauf hin, dass der Nachbar tot ist. Manche Wohnungen riechen auch bei lebenden sehr unangenehm.
SPIEGEL ONLINE: Was sollte man tun, wenn man das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt?
MB: Wenn man einen begründeten Verdacht hat und keinen Schlüssel zu der Wohnung hat, sollte man sofort die Polizei unter 110 anrufen. Das darf man auch.
SPIEGEL ONLINE: Wie läuft das ab?
MB: Die Polizei wird erst einmal die Lage sondieren und, falls sie nicht in die Wohnung kommt, die Feuerwehr verständigen. Die versucht sich dann Zutritt zu der Wohnung zu verschaffen, meist über das Fenster. Wenn das nicht geht, bricht sie die Tür auf.
SPIEGEL ONLINE: Was aber, wenn man einen Fehlalarm auslöst? Haftet man dann für eine aufgebrochene Tür?
MB: Nein, wenn man wirklich einen begründeten Verdacht hatte, nicht unnötig Hysterie geschürt hat und einfach helfen wollte, muss man sich keine Sorgen machen.
SPIEGEL ONLINE: Sollte man die Tür selbst aufbrechen?
MB: Das kommt drauf an. Wenn man auf dem Land wohnt und man den Verdacht hat, dass der Nachbar dringend Hilfe braucht, sollte man schnell handeln. Manchmal geht es um Minuten, vielleicht hatte der Nachbar ja einen Herzinfarkt? Aber dann sollte man sich im Klaren sein, dass man im Falle eines Fehlalarms auch haftbar ist.
SPIEGEL ONLINE: Kann es nicht gefährlich sein, in eine Wohnung zu gehen, in der womöglich eine verwesende Leiche liegt?
MB: Nein, da braucht man keine Angst zu haben. Das stinkt natürlich im Zweifel sehr, aber die Faulgase sind ungefährlich.
SPIEGEL ONLINE: Was passiert, wenn die Polizei tatsächlich eine Leiche findet?
MB: Die Beamten werden erst einmal prüfen, ob es Hinweise auf Fremdeinwirkung gibt. Womöglich ziehen sie noch einen Arzt hinzu. Bei Unklarheiten wird eine Leichenschau in Auftrag gegeben, vor allem bei jüngeren Leuten wird das gemacht. Dann werden sie versuchen, die Leiche anhand von Ausweispapieren oder ähnlichem zu identifizieren und Verwandte zu finden. Dann wird manchmal ein genetischer Fingerabdruck gemacht.
SPIEGEL ONLINE: Wie häufig passiert das, dass tote Nachbarn unerkannt in ihrer Wohnung liegen?
MB: Das passiert schon hin und wieder. Typische Fälle sind sozial schwache Gebiete in Großstädten. In einem funktionierenden nachbarschaftlichen Umfeld, wo die Leute aufmerksam aufeinander achten, ist das aber eher selten.
Mit herzlichem Dank an Jens Lubbadeh für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.
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