2008-02 Tätowiermagazin: Neues vom Herrn der Fliegen

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Quelle: Tätowiermagazin 02/2008, Seite 68

Neues vom Herrn der Fliegen

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INTERVIEW: DIRK-BORIS RÖDEL


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Eigentlich könnte man sich schon fragen, wann Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe überhaupt noch dazu kommt seiner Arbeit nachzugehen. Dr. Mark Benecke ist im Fernsehen zusammen mit Aiman Abdallah bei Galileo Mystery geheimnisvollen Phänomen auf der Spur, plaudert mit Johannes B. Kerner oder schwingt mit Tim Mälzer den Kochlöffel. Er hält Seminare, Vorträge, hat unlängst ein neues Buch herausgegeben (Mordspuren) und hat trotzdem noch genug Zeit seinem Hobby nachzugehen, nämlich Tattoos sammeln. Dass eine schillernde Persönlichkeit wie Dr. Mark Benecke sich dabei nicht mit Standard-Motiven abgibt, dürfte einleuchten. Wir konnten einen Blick auf seine Sammlung werfen und unterhielten uns mit dem Herrn der Fliegen über chinesische Girl-Bands, Kannibalen und Tattoos.


TM: Ich hatte mich sehr gefreut meinen Namen in der Danksagung deines neuen Buches zu lesen. Du schreibst, dass mein Hinweis auf die japanische Kriminalgeschichte »Rashomon« zur Inspiration für dein Buch beigetragen hat. Die Freude relativierte sich allerdings, nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, wo penibelst der authentische Fall eines Kannibalen beschrieben wird, der seine Freundin ermordet und verspeist ... mein Schinkenbrötchen konnte ich danach nicht mehr aufessen ...

Dr. Mark Benecke: Der rote Faden in dem Buch ist eben der, dass es zu den Geschichten und Kriminalfällen darin oft keine Auflösung gibt, dass man oft nicht mehr sagen kann, was ist Wahrheit oder Lüge, so eben wie in der Geschichte »Rashomon« auch nicht geklärt wird, wie der darin beschriebene Mord wirklich passiert ist. Ich hatte keine Lust, wieder etwas zu schreiben wo immer die Auflösung mitgeliefert wird. Es gibt einfach Fälle, die sind unlösbar, selbst wenn man weiß, wer der Täter ist oder selbst dann, wenn man die Wahrheit kennt.


TM: So in etwa wie man ganz genau weiß, was dieser Kannibale aus Japan angerichtet hat - weil er es selbst später beschrieben hat - aber es keine wirkliche adäquate Lösung zu der Tat gibt: anstatt dass der Mörder und Kannibale im Gefängnis sitzt, geniesst er seine Freiheit und schreibt Kritiken für eine Feinschmecker-Zeitschrift. Man hat also eine Tat von maximaler Grausamkeit, die eigentlich gesellschaftlich völlig geächtet ist - und dann übt der Mann als Gastro-Kritiker eine Tätigkeit aus, die von hoher gesellschaftlicher Anerkennung geprägt ist ...

Dr. Mark Benecke: ... und zudem thematisch noch so nah an der Tat ist. Aber das ist es auch, was viele nicht sehen können oder wollen, dass gerade solche monströsen Taten oft eben nur einen sehr kleinen Teil im Leben solcher Menschen ausmachen und dass deren Leben zum größten Teil völlig normal und harmlos verläuft. Wir hatten ja vor dem Interview auch über organisierte Kriminalität gesprochen: Solche Leute haben ja auch nicht 24 Stunden am Tag damit zu tun, andere Leute zu verprügeln, zu erpressen und Drogen zu verkaufen. Die machen ja auch ganz normale Sachen, fahren mit der Familie zum Picknick usw.


TM: Das ist zwar ein Bild von Tätern das wahrscheinlich näher an der Realität ist als das vom Monster, aber das ist eben auch oft schwer zu vermitteln, denn viele wollen entweder schwarz oder weiß haben während die Realität eben oft grau ist ...

Dr. Mark Benecke: ... und im Grau ist es ja auch gar nicht so schlimm. Wenn man sich eine Meinung bilden will, muss man eben auch mal dahin gehen, wo es neblig und unklar ist.


TM: Das Buch hat ja sicher einige Zeit in Anspruch genommen, dazu kommen noch deine zahlreichen TV-Auftritte ... wann kommst du eigentlich zum Arbeiten?

Dr. Mark Benecke: Also wenn ich nen Kurs halte, für Polizisten oder so, das mache ich in der Wohnung nebenan, da sind die Wege kurz. Und wenn der Kurs zehn Stunden dauert, dann arbeite ich bei mir zu Hause vorher zwei Stunden und danach noch fünf Stunden. Ich schlaf dann in der Zeit auch kaum. Bei den Fernsehauftritten ist das ähnlich, das zählt ja nicht als Arbeit. Da arbeite ich dann im Zug und später im Hotel. Also ich beute mich da halt selbst aus ... meine Assistentin macht das genauso, die schreibt gerade ihre Doktorarbeit und ihre Erwerbsarbeit macht sie bei mir. Und ihren Kram bei mir muss sie halt erledigen - wie sie mit ihrer Doktorarbeit klar kommt, ist mir dann halt egal, das ist nicht mein Problem. Das ist halt so wenn man frei arbeitet ...


TM: Aber das mit den Fernsehauftritten hat schon ziemlich zugenommen in letzter Zeit?

Dr. Mark Benecke: Vieles sind ja auch Wiederholungen, wie die ganzen Folgen von »Medical Detectives«. Und hier in Köln gibt’s ja auch einfach viele Produktionsfirmen. Und den Tim Mälzer hab ich kennen gelernt, das ist halt auch ein lockerer Typ, mit dem man sich mit ner Bierflasche ins Eck setzen kann ... und der will halt nur Leute in seiner Sendung haben, die ihn interessieren und so kam das eben. Wir haben da auch ne Menge Sachen gemacht, die man in der Sendung nicht zeigen kann, Mord-Szenen mit Hühnchen nachgestellt und so ... Also das sind halt schon fast private Kontakte und Bekanntschaften und oft ist das reiner Zufall, dass da dann Fernsehsendungen draus werden, genau so wie da, wo ich beim Kerner war mit diesem Puppenspieler, den ich gut kenne.


TM: Die Galileo Mystery-Sendung zum Thema Voodoo hat ja dann auch gut für dich gepasst, das ist ja auch eines deiner Hobbies.

Dr. Mark Benecke: Hobby würde ich nicht sagen, eher Interessenerweiterung. Ich hab mich damit auch befasst als ich in New Orleans war - also bevor es abgesoffen ist - und hab da auch Voodoo-Kaufhäuser besucht. Früher dachte ich, das ist mehr so 'n Witz oder was aus TKKG oder Drei Fragezeichen. Aber die meinen das da völlig ernst, es gibt da riesige Kaufhäuser mit allem, was man zum Voodoo braucht. Ich hab mir da auch ein Voodoo-Tattoo machen lassen, das Kreuz-Symbol des hohen Voodoo-Geden und Toten-Loa Baron Samedi. Der Tätowierer wollte das erst gar nicht stechen, obwohl er selber gar nicht an Voodoo glaubt.

Beim Aiman Abdallah hab ich auch mal in 'ner Sendung über Flüche mitgemacht, und wenn die mich einladen, wollen sie eben auch den wissenschaftlichen Aspekt beleuchten. Da hatte zum Beispiel ein sibirischer Schamane behauptet, er könne Pfeile verfluchen, damit die besser oder schlechter treffen. Da haben wir dann einen Doppelblind-Test gemacht, mit einem Sport-Bogenschützen-Kader, wo keiner dann wusste, welches die verfluchten und welches die normalen Pfeile sind. Solche Versuchsanordnungen sind für mich als Wissenschaftler dann natürlich spannend. Ich als Privatperson kann ja nicht einfach einen sibirischen Schamanen und ein Sportschützen-Kader einladen - aber in so 'ner Sendung geht das natürlich. Oder ich bekomme dann Unterlagen zur Verfügung gestellt, an die ich selber nie im Leben drankommen würde. Auch bei der Vampirsendung von NATIONAL GEOGRAPHIC, dafür sind wir drei Mal nach Rumänien gefahren. Also insofern lohnt es sich.


TM: Aber um dich tätowieren zu lassen hast du trotz allem noch genug Zeit ...

Dr. Mark Benecke: Die meisten Tattoos ergeben sich ja nebenher, deshalb hab ich ja so viele Sachen aus verschiedenen Ländern und von verschiedenen Leuten. Als ich zum Beispiel fürs ZDF in Berlin war bei der Funkausstellung, da war dort auch eine chinesische Girl-Band, die ich lustig fand und von denen ich mir ihre Autogramme auf den Arm habe schreiben lassen. Dann hab ich eben in Berlin rumtelefoniert und dann bin ich auf die Ewa gestoßen, die mir das dann tätowiert hat. Also die Zeit nehm ich mir dann auch, auch als ich in Peking war und mir von Dong Dong das Bein tätowieren ließ. Da hatte ich dann zuerst vergessen, mir seinen Stempel, sein Zeichen dazu tätowieren zu lassen, das hab ich dann später nachgeholt.


TM: Aber wie kommst du denn auf die Idee dir von ner chinesischen Mädels-Band die Unterschriften tätowieren zu lassen? Also die sind ja nun auch nicht besonders bekannt oder so ...

Dr. Mark Benecke: Ach, in China machen die schon mal schnell ein Stadion mit 60.000 Leuten voll ... aber ich glaub inzwischen gibt’s die Band schon gar nicht mehr. Na, ich fand die halt in dem Moment cool - die konnten ihre Tanzschritte nicht richtig, waren richtig trashig und da hab ich das eben machen lassen. Ich hab ja auch ein tätowiertes Autogramm von Helge Schneider, also Kommissar 00Schneider, den hab ich in ner Kneipe getroffen. Was hab ich denn sonst noch ... also von Kurt Krömer hab ich noch eins, mit dem hab ich ne Show zusammen gemacht, aber den kennt man hier wohl nicht so ...


TM: Ach doch, inzwischen ist der auch über Berlin hinaus bekannt glaube ich. Aber du lässt dich dann immer spontan aus ner Laune raus tätowieren?

Dr. Mark Benecke: ja, wenn ich zufällig über was stolpere. Oder hier, diese Vampir-Zahlen, da war ich in München mit ner Freundin aus der Vampir-Szene unterwegs und noch ner Professorin für Neurophysiologie und dann kam das Gespräch auf diese Vampirzahlen. Da hab ich dann spontan beim Wild at Heart Studio in München gefragt, ob die nen Termin dazwischen schieben können, aber der Tätowierer wollte das erst nicht machen, weil er die Idee beknackt fand. Erst als ich es ihm dann erklärt habe, war er dann bereit dazu.


TM: Also sind das Tattoos, die schon eine Bedeutung haben, aber doch was anderes sind als »normale« Tätowierungen?

Dr. Mark Benecke: Die Tattoos werden ja automatisch zu Souvenirs. Im Nachhinein puzzelt man sich das später eh zurecht, warum man irgendwas gemacht hat. Aberwie man das bewertet, ich denke, das darfman auch nichtzu ernst nehmen. Zum Beispiel mit dieser Mädchen-Band: Ob das jetzt bedeutet, dass ich Girl-Bands toll finde oderob ich transkulturell interessiert bin oder an dem Tag einfach crazy drauf war ... such dirwas aus. Mit der Piratin das selbe - da könnte ich jetzt erfinden, dass mich Piraten immer schon interessiert haben oder dass ich auf Frauen mit großen Brüsten stehe oder dass ich das gemacht habe, weil das ein aktuelles Motiv ist ... ich denke das wandelt sich auch, je nachdem.


TM: Und die Problematik, dass irgendwann mal kein Platz mehr ist?

Dr. Mark Benecke: Damit muss man leben ... und die Stelle hier an den Rippen, die bleibt aufder anderen Seite eh frei, das istzu schmerzhaft, da hab ich keinen Bock mehr drauf. Ich find ja auch Gesichtstätowierungen cool, aber da muss man sich eben überlegen: Wie wichtig ist mir das im Vergleich zu Dingen, die mir sonst noch wichtig sind.


TM: Aber mit dem Kompass-Tattoo auf deinem Handrücken hast du ja schon eine Grenze überschritten?

Dr. Mark Benecke: Du meinst, weil man es nicht mehr verdecken kann?


TM: Gerade im Wissenschaftsbereich und auch in der Zusammenarbeit mit der Polizei stösst man da doch sicher oft auf Vorurteile, in dem Sinne, dass Tätowierten ja oft auch Kompetenz abgesprochen wird ...

Dr. Mark Benecke: ja klar, aber das ist für mich kein Risiko, sondern eine Chance. Ich seh das wie der Tom, der bei Elektrische Tätowierungen in Köln arbeitet; das ist halt auch ne Art Versicherung , dass man nie im Leben einen Job macht, der einem stinkt und bei dem man sich ständig überlegen muss, wie man sich am besten anpasst. Mir ist das egal, ob mich jemand wegen meines Aussehens mag oder nicht. Und letzten Endes ist es ja auch genau das, was ich meinen Studenten beibringe: Dass man eben nicht nach dem ersten Eindruck gehen darf, sondern immer schauen muss, was hinter dem vermeintlich Offensichtlichen steckt.

Und was wirtschaftliche Gesichtspunkte angeht: das Gute ist, dass ich in einem Umfeld aufgewachsen bin, wo nie Geld da war, drum kann mich nie jemand über die finanzielle Schiene unter Druck setzen, das ist mir total egal. Und dadurch wird man auch völlig unverletzbar. Aber abgesehen vom Geld: Leute, die glauben, sie können mit einem Blick die Welt erklären, von denen will ich ja auch gar keine Aufträge, denn mit denen ist die Arbeit an einem Kriminalfall sowieso nicht möglich. Also wenn ein Kriminalist nur in der Lage ist, schwarz-weiß zu sehen und eben nicht das Grau, von dem wirvorher geredet haben, dann hat eine Zusammenarbeit für mich ohnehin keinen Sinn.


TM: Dann wünsch ich dir mit deiner Arbeit weiterhin alles Gute - und bei deinem Tempo, neue Tattoos zu sammeln, wird es sicher nicht lange dauern, bis wir uns das nächste Mal treffen!


Lesetipps


Dr. rer. medic. Mark Benecke · Diplombiologe (verliehen in Deutschland) · Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung von biologischen Spuren (IHK Köln) · Landsberg-Str. 16, 50678 Köln, Deutschland, E-Mail: forensic@benecke.com · www.benecke.com · Umsatzsteueridentifikationsnummer: ID: DE212749258 · Aufsichtsbehörde: Industrie- und Handelskammer zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Deutschland · Fallbearbeitung und Termine nur auf echtem Papier. Absprachen per E-mail sind nur vorläufige Gedanken und nicht bindend. 🗺 Dr. Mark Benecke, M. Sc., Ph.D. · Certified & Sworn In Forensic Biologist · International Forensic Research & Consulting · Postfach 250411 · 50520 Cologne · Germany · Text SMS in criminalistic emergencies (never call me): +49.171.177.1273 · Anonymous calls & suppressed numbers will never be answered. · Dies ist eine Notfall-Nummer für SMS in aktuellen, kriminalistischen Notfällen). · Rufen Sie niemals an. · If it is not an actual emergency, send an e-mail. · If it is an actual emergency, send a text message (SMS) · Never call. · Facebook Fan Site · Benecke Homepage · Instagram Fan Page · Datenschutz-Erklärung · Impressum · Archive Page · Kein Kontakt über soziale Netzwerke. · Never contact me via social networks since I never read messages & comments there.