2005-02 Tätowier Magazin: Medellin: Difference between revisions

From Mark Benecke Forensic Wiki
Jump to navigation Jump to search
No edit summary
No edit summary
 
(7 intermediate revisions by the same user not shown)
Line 1: Line 1:
[[File:Taetowier magazin logo.jpg|thumb]]
[[File:Taetowier magazin logo.jpg|150px|thumb]]
Quelle: [http://www.taetowiermagazin.de/ Tätowiermagazin] 02/2005, Seiten 94-96<br>
Quelle: [http://www.taetowiermagazin.de/ ''<font color=lightgrey>Tätowiermagazin</font>''] 02/2005, Seiten 94-96<br>


<html>
=<font color=orange>Medellin: Die Stadt der t&auml;towierten StudentInnen</font>=
<font size="-1"><div alig="left">
==<font color=orange>Ein Besuch bei John Alvarez, dem gesch&auml;ftst&uuml;chtigen Tattoo-Geist der kolumbianischen Dreimillionenstadt Medellin</font>==
<body bgcolor="333333" link="FFFFFF" vlink="FFFFFF" alink="FFFFFF"><font color="FFFFFF">


<h1></html><font color=orange>Medellin: Die Stadt der t&auml;towierten StudentInnen</font><html></h1>
[Weitere [[All Mark Benecke Publications|Artikel von MB]]] [Artikel [http://wiki2.benecke.com/index.php?title=Media#Interviews_.26_Articles <font color=lightgrey>über MB</font>]]<br>
<h2 align="justify"></html><font color=orange>Ein Besuch bei John Alvarez, dem gesch&auml;ftst&uuml;chtigen Tattoo-Geist der kolumbianischen Dreimillionenstadt Medellin</font><html></h2>


</html>[Weitere [[All Mark Benecke Publications|Publikationen von MB]]] [Mehr über [http://wiki2.benecke.com/index.php?title=All_Mark_Benecke_Publications#All_Tattoo_Pages Tattoos]]<html><br>
'''VON MARK BENECKE'''<br>


[MB's Kolumne [[All Letzte Worte Tätowiermagazin|Das letzte Wort im Tätowiermagazin]]]


     
"Hijo de puta!" (Hurensohn) schimpft schimpft die wundersch&ouml;ne Dalia den T&auml;towierer an, der ihre soeben frisch t&auml;towierte Fu&szlig;-Sohle k&uuml;sst. Vermutlich hat sie ein paar Stress-Hormone zuviel abbekommen, denn das Traum-Symbol, das sie ab heute wie ihre ebenfalls soeben gestochenen Cousine Astrid auf der Sohle tr&auml;gt, hat etwas gezwickt, bevor es nun seine Symbolkraft entfalten kann.<br>
<p align="justify"><b>Von Mark Benecke</b> </p>




"Hijo de puta!" (Hurensohn) schimpft schimpft die wundersch&ouml;ne Dalia den T&auml;towierer an, der ihre soeben frisch t&auml;towierte Fu&szlig;-Sohle k&uuml;sst. Vermutlich hat sie ein paar Stress-Hormone zuviel abbekommen, denn das Traum-Symbol, das sie ab heute wie ihre ebenfalls soeben gestochenen Cousine Astrid auf der Sohle tr&auml;gt, hat etwas gezwickt, bevor es nun seine Symbolkraft entfalten kann (ABBILDUNG 1).
Wir befinden uns im Herzen der H&ouml;lle, direkt am Parque Lleras. Die j&uuml;ngeren Paisas (Einwohner von Medellin) nennen den Platz aus gegebenen Anlass lieber "Parque Yerbas" , Marihuana-Platz -- ein schickes Wortspiel, weil sich beides auf Spanisch gleich anh&ouml;rt. Von h&auml;rteren Drogen wie Kokain ist weit und breit nichts zu sehen, denn es ist Fussball-EM und die sportvernarrten Kolumbianer - darunter offenbar auch die Koks-Dealer - trinken lieber &ouml;rtliches "Pilsen"-Bier und feiern vor Leinw&auml;nden auf den Au&szlig;en-Terassen der Caf&eacute;s die Tore der europ&auml;ischen Teams sowie des innerkolumbianischen Fussball-Finales, bei dem diesmal die zwei Clubs aus Medellin gegeneinander antreten.<br>


<br>    <br>


Wir befinden uns im Herzen der H&ouml;lle, direkt am Parque Lleras. Die j&uuml;ngeren Paisas (Einwohner von Medellin) nennen den Platz aus gegebenen Anlass lieber "Parque Yerbas" , Marihuana-Platz -- ein schickes Wortspiel, weil sich beides auf Spanisch gleich anh&ouml;rt. Von h&auml;rteren Drogen wie Kokain ist weit und breit nichts zu sehen, denn es ist Fussball-EM und die sportvernarrten Kolumbianer - darunter offenbar auch die Koks-Dealer - trinken lieber &ouml;rtliches "Pilsen"-Bier und feiern vor Leinw&auml;nden auf den Au&szlig;en-Terassen der Caf&eacute;s die Tore der europ&auml;ischen Teams sowie des innerkolumbianischen Fussball-Finales, bei dem diesmal die zwei Clubs aus Medellin gegeneinander antreten.  
Derweil verziehen sich die zwei Traum-Cousinen ins Hinterzimmer, wo mittlerweile eine solide Party im Gang ist. Es ist neun Uhr, doch schon steigt der n&auml;chste Kandidat auf den T&auml;towier-Stuhl. Der Kunde hat dunklere Haut und linst John daher auf meine hellen Unter-Arme: "Tja, helle Haut ist schon besser f&uuml;r T&auml;towierungen", seufzt er.  Im Hintergrund sticht Johns Adlatus ein Augenbrauen-Piercing.<br>
<br>    <br>


Derweil verziehen sich die zwei Traum-Cousinen ins Hinterzimmer, wo mittlerweile eine solide Party im Gang ist. Es ist neun Uhr, doch schon steigt der n&auml;chste Kandidat auf den T&auml;towier-Stuhl. Der Kunde hat dunklere Haut und linst John daher auf meine hellen Unter-Arme: "Tja, helle Haut ist schon besser f&uuml;r T&auml;towierungen", seufzt er.  Im Hintergrund sticht Johns Adlatus ein Augenbrauen-Piercing.


<br>    <br>
"Angefangen habe ich vor fast zehn Jahren", erz&auml;hlt der damit dienst&auml;lteste T&auml;towierer Medellins. "Ich bin Friseur und mein damaliger Chef in Bogot&aacute; wollte eine schnelle Mark machen. Er kaufte sich in den USA eine T&auml;towier-Maschine und verdiente hier richtig Kohle damit. Allerdings konnte er absolut nicht zeichnen. Darum habe ich mir auch eine Maschine besorgt, einen eigenen Laden aufgemacht und ihm alle Kunden abgeworben. Auf einer Harley-Davidson-Show hatte ich dann so viel Zulauf, dass ein Typ zu mir kam, der mich vom Fleck weg anstellte. Allerdings bekam er nach ein paar Jahren Probleme mit den Gringos, weil seine Laden-Kette "MTV-Shops" hie&szlig;, obwohl MTV nichts damit zu tun hatte. Also habe ich mich wieder selbst&auml;ndig gemacht."<br>


"Angefangen habe ich vor fast zehn Jahren", erz&auml;hlt der damit dienst&auml;lteste T&auml;towierer Medellins. "Ich bin Friseur und mein damaliger Chef in Bogot&aacute; wollte eine schnelle Mark machen. Er kaufte sich in den USA eine T&auml;towier-Maschine und verdiente hier richtig Kohle damit. Allerdings konnte er absolut nicht zeichnen. Darum habe ich mir auch eine Maschine besorgt, einen eigenen Laden aufgemacht und ihm alle Kunden abgeworben. Auf einer Harley-Davidson-Show hatte ich dann so viel Zulauf, dass ein Typ zu mir kam, der mich vom Fleck weg anstellte. Allerdings bekam er nach ein paar Jahren Probleme mit den Gringos, weil seine Laden-Kette "MTV-Shops" hie&szlig;, obwohl MTV nichts damit zu tun hatte. Also habe ich mich wieder selbst&auml;ndig gemacht."
<br>    <br>


Mittlerweile ist John Teilhaber an drei Tattoo- und Piercing-Studios: Eins in der Hauptstadt Bogot&aacute; "f&uuml;r Rocker, denen wir da auch die Haare schneiden, wenn sie wollen" , eins in einem rosa beleuchteten Friseursalon in Medellin "f&uuml;r Laufkundschaft" (ABBILDUNG 2) und eben das urige Studio am Parque Lleras, in dem wir soeben sitzen (ABBILDUNG 3).  
Mittlerweile ist John Teilhaber an drei Tattoo- und Piercing-Studios: Eins in der Hauptstadt Bogot&aacute; "f&uuml;r Rocker, denen wir da auch die Haare schneiden, wenn sie wollen" , eins in einem rosa beleuchteten Friseursalon in Medellin "f&uuml;r Laufkundschaft" und eben das urige Studio am Parque Lleras, in dem wir soeben sitzen.<br>


<br>    <br>


"Ein- oder zweimal im Jahr fahre ich auch zu den Soldaten", erz&auml;hlt er weiter. "Zwar d&uuml;rfen sie in den niederen R&auml;ngen absolut keine Tattoos haben, aber wenn sie dienstliche aufsteigen, wollen sie nat&uuml;rlich erst recht eins -- meist das Logo ihrer Einheit. Verbieten kann es ihnen dann eh keiner mehr", lacht er.
"Ein- oder zweimal im Jahr fahre ich auch zu den Soldaten", erz&auml;hlt er weiter. "Zwar d&uuml;rfen sie in den niederen R&auml;ngen absolut keine Tattoos haben, aber wenn sie dienstliche aufsteigen, wollen sie nat&uuml;rlich erst recht eins -- meist das Logo ihrer Einheit. Verbieten kann es ihnen dann eh keiner mehr", lacht er.<br>
<br>    <br>


"Im Knast werden im Gegensatz dazu kaum Tattoos gestochen", erz&auml;hlt John zu meiner Verbl&uuml;ffung weiter. "Tattoos gelten bei Kriminellen als sehr gef&auml;hrlich, weil die Polizei die Jungs dann leichter  identifizieren kann. Wenn du <i>narcotrafficante</i> (Kokainschmuggler) werden willst, musst du dir vorher sogar m&ouml;gliche Tattoos in einer Haut-Klinik entfernen lassen, sonst kriegst du den Job nicht. Andererseits...das gilt f&uuml;r fast alle Jobs hier", erg&auml;nzt er nach kurzem Nachdenken. "Mit meinem Biomechanic-Tattoo am Unterarm h&auml;tte ich keine Chance, irgendwo in Medellin normal angestellt zu werden."


<br>   <br>
"Im Knast werden im Gegensatz dazu kaum Tattoos gestochen", erz&auml;hlt John zu meiner Verbl&uuml;ffung weiter. "Tattoos gelten bei Kriminellen als sehr gef&auml;hrlich, weil die Polizei die Jungs dann leichter  identifizieren kann. Wenn du <i>narcotrafficante</i> (Kokainschmuggler) werden willst, musst du dir vorher sogar m&ouml;gliche Tattoos in einer Haut-Klinik entfernen lassen, sonst kriegst du den Job nicht. Andererseits...das gilt f&uuml;r fast alle Jobs hier", erg&auml;nzt er nach kurzem Nachdenken. "Mit meinem Biomechanic-Tattoo am Unterarm h&auml;tte ich keine Chance, irgendwo in Medellin normal angestellt zu werden."<br>


Den Arm hat er sich John ebenso wie die Tattos am Beim selbst gestochen, da es (wie in Peking, vgl. TM 5/2004) niemanden gab, bei dem er lernen konnte (ABBILDUNG 4, 5). "Also hab ich mir eine Pulle Sekt gekauft, mich schwer verrenkt und angefangen." Die Ergebnisse k&ouml;nnen sich mittlerweile sehen lassen.
<br>    <br>


Meine Studentin Carolina l&auml;sst sich von John beispielsweise gerade ein bisschen Farbe in ihr fein gestochenes Meeres-Schnecken-Geh&auml;use bringen (ABBILDUNG 6). "Leider kann ich es heute nicht fertig machen", sagt John, "denn das Blau ist alle. Ich muss die Farben aus aller Welt bestellen, gelb aus Japan, Schwarz aus Frankreich, gr&uuml;n und blau aus den USA - l&auml;stige Sache, aber was soll's."
Den Arm hat er sich John ebenso wie die Tattos am Beim selbst gestochen, da es (wie in Peking, vgl. TM 5/2004) niemanden gab, bei dem er lernen konnte. "Also hab ich mir eine Pulle Sekt gekauft, mich schwer verrenkt und angefangen." Die Ergebnisse k&ouml;nnen sich mittlerweile sehen lassen.<br>


<br>    <br>


Die Motive in Medellin stamen wie oft in neu erwachendenden Tattoo-Kulturen meist aus dem Internet oder vollkommen zerlesenen T&auml;towier-Zeitschriften (ABBILDUNG 7). Und nat&uuml;rlich sind auch chinesische Schriftzeichen ein Renner. "Der Unterschied ist allerdings", sagt John, "dass die Kunden in der Hauptstadt Bogot&aacute; erst die Bedeutung und dann das Zeichen ausw&auml;hlen, w&auml;hrend es hier in Medellin nur auf das schmucke Aussehen des Zeichens ankommt. Wir sind hier halt etwa sieben Jahre hinter der Zeit..."
Meine Studentin Carolina l&auml;sst sich von John beispielsweise gerade ein bisschen Farbe in ihr fein gestochenes Meeres-Schnecken-Geh&auml;use bringen. "Leider kann ich es heute nicht fertig machen", sagt John, "denn das Blau ist alle. Ich muss die Farben aus aller Welt bestellen, gelb aus Japan, Schwarz aus Frankreich, gr&uuml;n und blau aus den USA - l&auml;stige Sache, aber was soll's."<br>
<br>    <br>


"Stimmt nicht", schaltet sich Studentin Caro ein. "Mein Schnecken-Geh&auml;use ist zwar sch&ouml;n, es spiegelt aber vor allem meinen Wunsch wieder, immer ein friedliches Zuhause zu haben, auch wenn das weite Meer tobt und braust. Als n&auml;chstes will ich einen See-Stern. Als Biologin liebe ich  eben die Tiere im Meer, aber als Kind wollte ich eigentlich Astronomin werden und Sterne erforschen, so wie Jodie Foster in <i>Contact</i>. Mit dem See-Stern kriege ich beides!"


<br>    <br>
Die Motive in Medellin stamen wie oft in neu erwachendenden Tattoo-Kulturen meist aus dem Internet oder vollkommen zerlesenen T&auml;towier-Zeitschriften. Und nat&uuml;rlich sind auch chinesische Schriftzeichen ein Renner. "Der Unterschied ist allerdings", sagt John, "dass die Kunden in der Hauptstadt Bogot&aacute; erst die Bedeutung und dann das Zeichen ausw&auml;hlen, w&auml;hrend es hier in Medellin nur auf das schmucke Aussehen des Zeichens ankommt. Wir sind hier halt etwa sieben Jahre hinter der Zeit..."<br>


&Uuml;berhaupt ist die Tattoo-Dichte unter den kolumbianischen Biologie-StudentInnen -- nicht nur denen aus Medellin - sehr hoch. Angesichts nur weniger erfahrener T&auml;towierer schwankt die Qualit&auml;t aber derzeit noch zwischen bl&auml;ulich-blasser So&szlig;e und knorken Finelines (ABBILDUNG 8). Immerhin: Die Liebe zu Hautbildern bei den unter-30-j&auml;hrigen ist hier so ausgepr&auml;gt wie ist in keiner anderen Gro&szlig;-Stadt, die ich kenne.
<br>    <br>


Johns L&auml;den arbeiten (anders als andere im Medellin) sauber und k&uuml;nstlerisch sehr ordentlich. Die hierzulande teuren Einweg-Hanschuhe sind bei ihm ebenso selbstverst&auml;ndlich wie eine allzeit griffbereite Flasche mit einem m&ouml;rderischen Desinfektions-Mittel sowie einem Tisch-Autoklaven derselben Marke, die viele KollegInnen von mir auch in wissenschaftlichen Laboren benutzen. Interessant: Alle Oberfl&auml;chen in den L&auml;den (Tabletts, Tische usw.) sind stets mit frischer Butterbrot-Plastik-Folie bezogen, die nach jedem Kunden &uuml;berall erneuert wird.
"Stimmt nicht", schaltet sich Studentin Caro ein. "Mein Schnecken-Geh&auml;use ist zwar sch&ouml;n, es spiegelt aber vor allem meinen Wunsch wieder, immer ein friedliches Zuhause zu haben, auch wenn das weite Meer tobt und braust. Als n&auml;chstes will ich einen See-Stern. Als Biologin liebe ich  eben die Tiere im Meer, aber als Kind wollte ich eigentlich Astronomin werden und Sterne erforschen, so wie Jodie Foster in <i>Contact</i>. Mit dem See-Stern kriege ich beides!"<br>


<br>    <br>


"Das traurigste, was ich hier erlebt habe", schiebt John noch nach, "war ein Ehepaar, dessen Kind gestorben ist. Ich habe den beiden das Gesicht des Kindes wie ein Putten-Engel auf den R&uuml;cken gestochen. Naja, eigentlich ein gutes Symbol, <i>listo </i>.  
&Uuml;berhaupt ist die Tattoo-Dichte unter den kolumbianischen Biologie-StudentInnen -- nicht nur denen aus Medellin - sehr hoch. Angesichts nur weniger erfahrener T&auml;towierer schwankt die Qualit&auml;t aber derzeit noch zwischen bl&auml;ulich-blasser So&szlig;e und knorken Finelines. Immerhin: Die Liebe zu Hautbildern bei den unter-30-j&auml;hrigen ist hier so ausgepr&auml;gt wie ist in keiner anderen Gro&szlig;-Stadt, die ich kenne.<br>
<br>    <br>


Ach ja, noch was: Wenn ein TM-Leser einen guten Namen f&uuml;r meine L&auml;den wei&szlig;, soll er's gerne sagen. Mir f&auml;llt einfach nix ein. Marks bescheuerter Vorschlag, die Studios gem&auml;&szlig; meines Nachnamens einfach "Alvarez Tattoo" zu nennen, k&ouml;nnt Ihr vergessen - dieser Name wirkt hier in Medellin ungef&auml;hr so cool wie in Deutschland "Kartoffel Tattoo". "


<br>    <br>
Johns L&auml;den arbeiten (anders als andere im Medellin) sauber und k&uuml;nstlerisch sehr ordentlich. Die hierzulande teuren Einweg-Hanschuhe sind bei ihm ebenso selbstverst&auml;ndlich wie eine allzeit griffbereite Flasche mit einem m&ouml;rderischen Desinfektions-Mittel sowie einem Tisch-Autoklaven derselben Marke, die viele KollegInnen von mir auch in wissenschaftlichen Laboren benutzen. Interessant: Alle Oberfl&auml;chen in den L&auml;den (Tabletts, Tische usw.) sind stets mit frischer Butterbrot-Plastik-Folie bezogen, die nach jedem Kunden &uuml;berall erneuert wird.<br>


<i>Kontakt: John Alvarez, tags im Friseur-Laden "Rosa" im Shopping Center "Oviedo" und zur Zeit abends/nachts in der (blau beleuchteten) ersten Etage &uuml;ber dem "Taco Loco" am Parque Lleras, beide im Stadt-Teil El Poblado im S&uuml;den Medellins. </i>
<br>    <br>


<u>Bilder-Texte:</u>
"Das traurigste, was ich hier erlebt habe", schiebt John noch nach, "war ein Ehepaar, dessen Kind gestorben ist. Ich habe den beiden das Gesicht des Kindes wie ein Putten-Engel auf den R&uuml;cken gestochen. Naja, eigentlich ein gutes Symbol, <i>listo </i>.<br>
<br>   <br>


Abb. 1: Soeben gestochene Traum-Symbole unter den Fuss-Sohlen zweier Paisa-Cousinen.
<br>    <br>


Abb. 2: In Kolumbien finden sich Tattoo-Studios nicht selten in Friseur-L&auml;den. Wenn sie aber wie hier auch noch rosa eingerichtet sind, rollen sich Haare und Fu&szlig;n&auml;gel verzweifelt auf.
Ach ja, noch was: Wenn ein TM-Leser einen guten Namen f&uuml;r meine L&auml;den wei&szlig;, soll er's gerne sagen. Mir f&auml;llt einfach nix ein. Marks bescheuerter Vorschlag, die Studios gem&auml;&szlig; meines Nachnamens einfach "Alvarez Tattoo" zu nennen, k&ouml;nnt Ihr vergessen - dieser Name wirkt hier in Medellin ungef&auml;hr so cool wie in Deutschland "Kartoffel Tattoo". "<br>
<br>    <br>


Abb. 3: Schon besser - Johns Tattoo-Laden f&uuml;r abendliche Sitzungen am Parque Lleras.
<br>    <br>


Abb. 4, 5: Mit diesen Tattoos hat John an sich selbst ge&uuml;bt. Biomechanics w&auml;re sein Lieblings-Thema, die Kundschaft in Medellin ist daf&uuml;r aber noch nicht reif.
<i>Kontakt: John Alvarez, tags im Friseur-Laden "Rosa" im Shopping Center "Oviedo" und zur Zeit abends/nachts in der (blau beleuchteten) ersten Etage &uuml;ber dem "Taco Loco" am Parque Lleras, beide im Stadt-Teil El Poblado im S&uuml;den Medellins. </i><br>


<br>    <br>


Abb. 6: Frisch gestochenes Meeres-Tier bei Bio-Studentin Carolina. Als n&auml;chstes will sie einen See-Stern.
===<font color=orange>Lesetipps</font>===
<br>   <br>
<i>
* [[All_Mark_Benecke_Publications#Alles_.C3.BCber_Tattoos|Mehr über Tattoos]]<br>  


Abb. 7: Die Laufkundschaft achtet in Medellin vor allem auf das Aussehen der Tattoos, nicht auf den Symbolgehalt. In der Hauptstadt Bogot&aacute; hat sich das hingegen schon ge&auml;ndert.
* [[Tattoo|MBs Tattoos]]<br>  
<br>    <br>


Abb. 8: Die Qualit&auml;t der T&auml;towierungen schwankt angesichts der erst erkeimenden Hautbild-Kultur in Medellin noch stark. Hier Tattoos der reich verzierten Bio-StudentInnen der staatlichen <i>Universidad de Antioquia</i>.
* [[All_Letzte_Worte_Tätowiermagazin|MBs letzte Worte im Tätowiermagazin]]<br>  


</div>
* [[2010-05_Kriminalistik:_Diskussion|Tätowierungen sind kein Makel]]<br>  
</html>


* [[2014_07_Taetowiermagazin:_Bochumer_Studie|Tätowierungen sind voll normal]]<br>
* [[All Beneckes Begegnungen Taetowiermagazin|MBs Begegnungen im Tätowiermagazin]]<br>
* [[All nachtplan|MBs Kolumne im Nachtplan]]<br>
* [[2010-05_Kriminalistik:_Diskussion|Gibt es einen Zusammenhang zwischen Verbrechen & Tattoos?]]<br>
* [[All ProTattoo|Alles von ProTattoo]]<br>
</i>
{{Addressfooter}}
{{Addressfooter}}
__NOTOC__
__NOEDITSECTION__
__NOEDITSECTION__
__NOTOC__

Latest revision as of 21:30, 6 September 2016

Taetowier magazin logo.jpg

Quelle: Tätowiermagazin 02/2005, Seiten 94-96

Medellin: Die Stadt der tätowierten StudentInnen

Ein Besuch bei John Alvarez, dem geschäftstüchtigen Tattoo-Geist der kolumbianischen Dreimillionenstadt Medellin

[Weitere Artikel von MB] [Artikel über MB]

VON MARK BENECKE


"Hijo de puta!" (Hurensohn) schimpft schimpft die wunderschöne Dalia den Tätowierer an, der ihre soeben frisch tätowierte Fuß-Sohle küsst. Vermutlich hat sie ein paar Stress-Hormone zuviel abbekommen, denn das Traum-Symbol, das sie ab heute wie ihre ebenfalls soeben gestochenen Cousine Astrid auf der Sohle trägt, hat etwas gezwickt, bevor es nun seine Symbolkraft entfalten kann.


Wir befinden uns im Herzen der Hölle, direkt am Parque Lleras. Die jüngeren Paisas (Einwohner von Medellin) nennen den Platz aus gegebenen Anlass lieber "Parque Yerbas" , Marihuana-Platz -- ein schickes Wortspiel, weil sich beides auf Spanisch gleich anhört. Von härteren Drogen wie Kokain ist weit und breit nichts zu sehen, denn es ist Fussball-EM und die sportvernarrten Kolumbianer - darunter offenbar auch die Koks-Dealer - trinken lieber örtliches "Pilsen"-Bier und feiern vor Leinwänden auf den Außen-Terassen der Cafés die Tore der europäischen Teams sowie des innerkolumbianischen Fussball-Finales, bei dem diesmal die zwei Clubs aus Medellin gegeneinander antreten.


Derweil verziehen sich die zwei Traum-Cousinen ins Hinterzimmer, wo mittlerweile eine solide Party im Gang ist. Es ist neun Uhr, doch schon steigt der nächste Kandidat auf den Tätowier-Stuhl. Der Kunde hat dunklere Haut und linst John daher auf meine hellen Unter-Arme: "Tja, helle Haut ist schon besser für Tätowierungen", seufzt er. Im Hintergrund sticht Johns Adlatus ein Augenbrauen-Piercing.


"Angefangen habe ich vor fast zehn Jahren", erzählt der damit dienstälteste Tätowierer Medellins. "Ich bin Friseur und mein damaliger Chef in Bogotá wollte eine schnelle Mark machen. Er kaufte sich in den USA eine Tätowier-Maschine und verdiente hier richtig Kohle damit. Allerdings konnte er absolut nicht zeichnen. Darum habe ich mir auch eine Maschine besorgt, einen eigenen Laden aufgemacht und ihm alle Kunden abgeworben. Auf einer Harley-Davidson-Show hatte ich dann so viel Zulauf, dass ein Typ zu mir kam, der mich vom Fleck weg anstellte. Allerdings bekam er nach ein paar Jahren Probleme mit den Gringos, weil seine Laden-Kette "MTV-Shops" hieß, obwohl MTV nichts damit zu tun hatte. Also habe ich mich wieder selbständig gemacht."


Mittlerweile ist John Teilhaber an drei Tattoo- und Piercing-Studios: Eins in der Hauptstadt Bogotá "für Rocker, denen wir da auch die Haare schneiden, wenn sie wollen" , eins in einem rosa beleuchteten Friseursalon in Medellin "für Laufkundschaft" und eben das urige Studio am Parque Lleras, in dem wir soeben sitzen.


"Ein- oder zweimal im Jahr fahre ich auch zu den Soldaten", erzählt er weiter. "Zwar dürfen sie in den niederen Rängen absolut keine Tattoos haben, aber wenn sie dienstliche aufsteigen, wollen sie natürlich erst recht eins -- meist das Logo ihrer Einheit. Verbieten kann es ihnen dann eh keiner mehr", lacht er.


"Im Knast werden im Gegensatz dazu kaum Tattoos gestochen", erzählt John zu meiner Verblüffung weiter. "Tattoos gelten bei Kriminellen als sehr gefährlich, weil die Polizei die Jungs dann leichter identifizieren kann. Wenn du narcotrafficante (Kokainschmuggler) werden willst, musst du dir vorher sogar mögliche Tattoos in einer Haut-Klinik entfernen lassen, sonst kriegst du den Job nicht. Andererseits...das gilt für fast alle Jobs hier", ergänzt er nach kurzem Nachdenken. "Mit meinem Biomechanic-Tattoo am Unterarm hätte ich keine Chance, irgendwo in Medellin normal angestellt zu werden."


Den Arm hat er sich John ebenso wie die Tattos am Beim selbst gestochen, da es (wie in Peking, vgl. TM 5/2004) niemanden gab, bei dem er lernen konnte. "Also hab ich mir eine Pulle Sekt gekauft, mich schwer verrenkt und angefangen." Die Ergebnisse können sich mittlerweile sehen lassen.


Meine Studentin Carolina lässt sich von John beispielsweise gerade ein bisschen Farbe in ihr fein gestochenes Meeres-Schnecken-Gehäuse bringen. "Leider kann ich es heute nicht fertig machen", sagt John, "denn das Blau ist alle. Ich muss die Farben aus aller Welt bestellen, gelb aus Japan, Schwarz aus Frankreich, grün und blau aus den USA - lästige Sache, aber was soll's."


Die Motive in Medellin stamen wie oft in neu erwachendenden Tattoo-Kulturen meist aus dem Internet oder vollkommen zerlesenen Tätowier-Zeitschriften. Und natürlich sind auch chinesische Schriftzeichen ein Renner. "Der Unterschied ist allerdings", sagt John, "dass die Kunden in der Hauptstadt Bogotá erst die Bedeutung und dann das Zeichen auswählen, während es hier in Medellin nur auf das schmucke Aussehen des Zeichens ankommt. Wir sind hier halt etwa sieben Jahre hinter der Zeit..."


"Stimmt nicht", schaltet sich Studentin Caro ein. "Mein Schnecken-Gehäuse ist zwar schön, es spiegelt aber vor allem meinen Wunsch wieder, immer ein friedliches Zuhause zu haben, auch wenn das weite Meer tobt und braust. Als nächstes will ich einen See-Stern. Als Biologin liebe ich eben die Tiere im Meer, aber als Kind wollte ich eigentlich Astronomin werden und Sterne erforschen, so wie Jodie Foster in Contact. Mit dem See-Stern kriege ich beides!"


Überhaupt ist die Tattoo-Dichte unter den kolumbianischen Biologie-StudentInnen -- nicht nur denen aus Medellin - sehr hoch. Angesichts nur weniger erfahrener Tätowierer schwankt die Qualität aber derzeit noch zwischen bläulich-blasser Soße und knorken Finelines. Immerhin: Die Liebe zu Hautbildern bei den unter-30-jährigen ist hier so ausgeprägt wie ist in keiner anderen Groß-Stadt, die ich kenne.


Johns Läden arbeiten (anders als andere im Medellin) sauber und künstlerisch sehr ordentlich. Die hierzulande teuren Einweg-Hanschuhe sind bei ihm ebenso selbstverständlich wie eine allzeit griffbereite Flasche mit einem mörderischen Desinfektions-Mittel sowie einem Tisch-Autoklaven derselben Marke, die viele KollegInnen von mir auch in wissenschaftlichen Laboren benutzen. Interessant: Alle Oberflächen in den Läden (Tabletts, Tische usw.) sind stets mit frischer Butterbrot-Plastik-Folie bezogen, die nach jedem Kunden überall erneuert wird.


"Das traurigste, was ich hier erlebt habe", schiebt John noch nach, "war ein Ehepaar, dessen Kind gestorben ist. Ich habe den beiden das Gesicht des Kindes wie ein Putten-Engel auf den Rücken gestochen. Naja, eigentlich ein gutes Symbol, listo .


Ach ja, noch was: Wenn ein TM-Leser einen guten Namen für meine Läden weiß, soll er's gerne sagen. Mir fällt einfach nix ein. Marks bescheuerter Vorschlag, die Studios gemäß meines Nachnamens einfach "Alvarez Tattoo" zu nennen, könnt Ihr vergessen - dieser Name wirkt hier in Medellin ungefähr so cool wie in Deutschland "Kartoffel Tattoo". "


Kontakt: John Alvarez, tags im Friseur-Laden "Rosa" im Shopping Center "Oviedo" und zur Zeit abends/nachts in der (blau beleuchteten) ersten Etage über dem "Taco Loco" am Parque Lleras, beide im Stadt-Teil El Poblado im Süden Medellins.


Lesetipps


Dr. rer. medic. Mark Benecke · Diplombiologe (verliehen in Deutschland) · Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung von biologischen Spuren (IHK Köln) · Landsberg-Str. 16, 50678 Köln, Deutschland, E-Mail: forensic@benecke.com · www.benecke.com · Umsatzsteueridentifikationsnummer: ID: DE212749258 · Aufsichtsbehörde: Industrie- und Handelskammer zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Deutschland · Fallbearbeitung und Termine nur auf echtem Papier. Absprachen per E-mail sind nur vorläufige Gedanken und nicht bindend. 🗺 Dr. Mark Benecke, M. Sc., Ph.D. · Certified & Sworn In Forensic Biologist · International Forensic Research & Consulting · Postfach 250411 · 50520 Cologne · Germany · Text SMS in criminalistic emergencies (never call me): +49.171.177.1273 · Anonymous calls & suppressed numbers will never be answered. · Dies ist eine Notfall-Nummer für SMS in aktuellen, kriminalistischen Notfällen). · Rufen Sie niemals an. · If it is not an actual emergency, send an e-mail. · If it is an actual emergency, send a text message (SMS) · Never call. · Facebook Fan Site · Benecke Homepage · Instagram Fan Page · Datenschutz-Erklärung · Impressum · Archive Page · Kein Kontakt über soziale Netzwerke. · Never contact me via social networks since I never read messages & comments there.