2004 Magische Welt: Frappierender Fraps
Quelle: Magische Welt (mw) 3/2004, 53. Jg., S. 133
Frappierender Fraps*
Als Wissenschaftler getarnt -- als Zauberkünstler verblüfft
Von Mark Benecke
[Arturo Brachetti im Gespräch mit Mark Benecke] [Mehr über die Verwandlung aus dem Bretterquader]
Manche Ereignisse werfen ihre Schatten an Orten voraus, die man unmöglich (noch nicht einmal mittels des BrainTester 1.0, Abb. 1*) voraussehen kann. So passierte es mir am 10. Mai 2004, als ich die internationale und hochseriöse Messe Analytica in München wissenschaftlich eröffnete.
Als ob diese Aufgabe nicht schon genug Grund für Aufregung wäre, hatte ich wenige Minuten zuvor mit Schreck erfahren, dass mein wissenschaftliches Vorbild Ed Southern, heißer Kandidat für einen Nobel-Preis, gleich auftauchen würde. Währenddessen kniete neben mir unbeeindruckt ein offenbar Gleichalter mit runder Brille und verschlankte elegant eine Spielkarte. Aus seinem alten Koffer ragten zudem ein Plastikgehirn und ein Ständer mit seltsam daran montierten Kabeln.
Am Werk war Thomas Fraps, der sich in diesem Rahmen für seine und Pit Hartlings Premiere ihres ersten abendfüllenden Programmes warm machte, das nicht umsonst die Zeile "Labor ist Trumpf" im Untertitel führt. Unglaublicherweise gelang es Fraps am Ende der Messe-Eröffnung, eine spontan und perfekt an den Vorredner (mich) sowie den üblichen wissenschaftlichen Kongress-Stil (tonnenweise Power-Point-Folien) angelehnte Vorführung zu zeigen, ohne dabei das Publikum im sonst üblichen Wissenschafts-Parodie-Stil (weisser Schnurrbart, Laborkittel, Qualm und farbige Flüssigkeiten) zu veralbern.
Das funktionierte nicht nur, weil Fraps einige Semester Physik studiert hat, bevor er sich in den letzten zehn Jahren immer mehr zum Berufs-Zauberer entwickelte, sondern vor allem, weil er sich zusätzlich korrekt die wichtigsten Begriffe aus dem bioanalytischen Genre angeeignet hatte. Im entscheidenden Moment gelang ihm so stets die (natürlich auch wortwörtliche, Abb. 2*) Verknüpfung von sehr gut ausgeführter Illusions-Kunst mit der echten Denk-Welt der Anwesenden: Eine Seil-Nummer wurde zu einem DNA-Trick (die Erbsubstanz DNA ist ein langes, fadenförmiges Molekül), aus einer unverdächtigen Flipchart donnerte auf einmal eine Bowling-Kugel und eine Karten-Vorhersage wurde zum angeblich physikalischen Gehirnwellen-Experiment (Abb. 3, 4*).
Der tricktechnische Material-Aufwand war gering, so dass zunächst auch überhaupt nicht auffiel, was da am -- noch nicht einmal umgebauten -- Redner-Pult geschah. Umso mehr staunte das Publikum über den scheinbar jungen Wissenschaftler im ordentlichen Kongress-Anzug (Abb. 5*) und lobte die Veranstalter nach seinem Outing sehr für dessen Einladung. Der vielleicht interessanteste, aber auch eigentümlichste Kommentar: "Na also, wir Deutschen können auch anders, hihihi!"
Ich habe so etwas noch nie gesehen und drücke Thomas Fraps und Pit Hartling die Daumen für ihr solides, schönes und ganz offenbar auch bezauberndes Konzept. Besonders gespannt bin ich auf die Elementar-Teilchen, die das Programm künftig zwanglos bevölkern bzw. durchdringen sollen. Wenn mich nicht alles täuscht, haben die beiden eine neue Sparte der Zauberkunst erfunden, ohne es selbst bemerkt zu haben. Vorläufig schlage ich dafür folgenden Namen vor: "Illusionen, die auch gestandenene WissenschaftlerInnen Ernst nehmen und trotzdem dorthin zurück entführen, wo sie einmal am liebsten waren: Auf den Küchenboden, mit Klingeldraht und Becherglas."
(* dieser .html-Text ist die Roh-Fassung vor Druck-Legung und kleinen Änderungen im mw-Heft. Nicht alle Abbildungen sind abgedruckt.)
Kurz-Vita Mark Benecke