2004-02-04 Express: Neu aufgerollt: Der Fall Hitler
Quelle: Express Köln vom 4. Februar 2004, Seite 6
Neu aufgerollt: Der Fall Hitler
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VON TOBIAS MORCHNER und CHRISTIAN RENZ
Moskau - Der Kölner Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke beschäftigt sich normalerweise nicht mit Selbstmord. Im November 2001 aber flog er nach Moskau, um den Fall des bekanntesten Selbstmörders der jüngsten Geschichte zu recherchieren. Der Name des Toten: Adolf Hitler.
Dr. Benecke war der Erste, der den Fall Hitler aus kriminalistischer Sicht noch einmal aufrollen durfte. Eine Woche lang hatte er Zeit, in den Geheimarchiven des ehemaligen KGB (heute FSB) Hitlers Gebiss, ein Stück von Hitlers durchschossener (und stark verkohlter) Schädeldecke und Teile des Sofas, auf dem der Selbstmord stattgefunden haben soll, zu untersuchen. Die Akten und Überreste des Führers: Sie lagen jahrzehntelang in drei alten Reisekoffern ganz hinten in den Archiven. In Moskau interessierte sich niemand mehr dafür.
Bis heute ist nicht geklärt, wie sich Hitler das Leben genommen hat, was nach seinem Tod mit seinem Leichnam passierte und die seine Überreste nach Moskau gelangt sind. Benecke war deshalb auf die Aussagen von ehemaligen KGBlern angewiesen: "Ich habe mich nur auf die Fakten gestützt, die ich bei meinen Untersuchungen gewonnen habe. Erst dann habe ich die alten Akten genommen, Zeitzeugen von damals mit den Ergebnissen konfrontiert", so der Ermittler.
Eindeutige Aussagen konnte Benecke schnell über die Zähne des Toten machen: "An ihrer Echtheit gibt es keinen Zweifel. Denn Hitler hatte ein einzigartiges Gebiß. 1944 ließ er sich eine große Brücke aus Metall einsetzen. Anhand von alten Röntgenaufnahmen, konnte ich die Zähne eindeutig Hitler zuordnen", sagt der Kriminal-Biologe. Auf den Röntgenbildern ist eine bestimmte Brücke aus Metall eindeutig zu erkennen. Spuren von Gift oder Glassplittern einer Gift-Ampulle fand der Kriminal-Biologe nicht an Hitlers Gebiss. Das bedeutet mit großer Sicherheit: Hitler hat kein Gift geschluckt, um sich umzubringen.
Benecke sprach mit Lew Besymenski über die Gifttheorie. Der Russe hatte 1968 ein Buch über die Eroberung Berlins durch die Rote Armee geschrieben, behauptete, die verkohlte Leiche Hitlers hätte nach Bittermandel gerochen. Jetzt gestand Besymenski den wahren Hintergrund für diese Aussage.
Benecke: "Er hat mir gesagt, der KGB hätte ihn damals nur unter einer Bedingung das Buch schreiben lassen: wenn er darin die Gifttheorie vertreten würde." Schwieriger waren die Untersuchungen des Schädels-Stücks von Adolf Hitler. "Nach russischen Aussagen gehörte der Knochen zu Hitlers Skelett. davon musste ich ausgehen", so der Ermittler. Bei dem Knochenstück, das Benecke untersuchte und das er in einer Plastikbox für Computerdisketten aufbewahrt fand, handelte es sich um ein Stück der oberen Schädeldecke. In der Mitte klaffte ein 0,5 cm großes Loch, die Seiten sind stark verkohlt. Folge der beiden Verbrennungsversuche von Hitlers Leiche.
Mark Benecke: "Ich habe untersucht, ob es sich dabei um ein Eintritts- oder ein Austrittsloch einer Kugel handelt. Anhand der Kraterbildung rund um das Loch ist klar: Die Kugel ist an dieser Stelle aus dem Schädel ausgetreten." Derjenige, dem dieser Schädelknochen gehört hat, ist also definitiv von unten erschossen worden".
Die Analyse der Blutspuren auf den Sofaresten stützte die Kopf-Schuss-Theorie. Benecke untersuchte die Flugkurven der einzelnen Blutströpfchen, um zu klären, in welchem Winkel sie aus der Wunde ausgetreten sind. Zusammen mit den Abrinnspuren, also den Stellen, an denen das Blut am Sofa runtergeflossen ist, war klar: "Die Menge des abgeronnen Blutes und die Flugkurven besagen, dass sich der Selbstmörder in den Mund geschossen haben muss", sagt Benecke.
Durch eine Bestimmung des genetischen Materials könnte er eindeutig sagen, ob das Blut von Hitler stammt oder nicht. "Dazu brauche ich Vergleichsmaterial von Hitlers Verwandten, beispielsweise seiner Schwester. Sie liegt in der Nähe von München begraben. Man müsste sie exhumieren, um an genetisches Material ranzukommen."
Was geschah mit Hitlers Leiche
Historiker rätseln, wie der Selbstmörder im Führerbunker abgelaufen und was anschließend mit Hitlers Leiche passiert ist. In seinem Buch "Der Untergang" (Alexander Fest Verlag) beschreibt Joachim Fest das Auffinden von Hitlers Leiche am 30. April 1045 im Führerbunker in Berlin so: "Hitler saß zusammengesunken und mit offenen Augen, den Kopf etwas vornübergeneigt, auf dem geblümten Sofa. An seiner rechten Schläfe klaffte ein münzgroßes Loch." Stimmt diese Version, dann kann das Schädelstück in Moskau nicht von Adolf Hitler stammen. Andere Zeitzeugen gaben zu Protokoll, Hitler habe sich in den Mund geschossen. Wieder andere sagten aus, in dem Zimmer hätte es nach Bittermandeln gerochen, was ein Indiz dafür wäre, dass sich Hitler zusätzlich vorher vergiftet hat.
Die Leichen von Adolf Hitler und Eva Braun-Hitler sind angeblich am gleichen Tag vor dem Bunker verbrannt worden. Was nach der Verbrennung mit den Überresten geschehen ist, ist ebenfalls unklar. Am wahrscheinlichsten ist, so Fest, dass sie in Holzkisten von den Russen nach Magdeburg gebracht wurden, wo die Kiste begraben wurde. Auf Befehl des Politbüros der KpdSU wurden die Kisten aber am 5. April 1970 wieder ausgegraben und die Überreste wurden nochmals verbrannt.
Mit großem Dank an Tobias Morchner, Christian Renz und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
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