1996 Rechtsmedizin: Der Tod von Isadora Duncan

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Quelle: Rechtsmedizin, Heft 7 (1996), Seiten 28 bis 29

Ungewollte Strangulation durch ein Fahrzeug: Der Tod von Isadora Duncan

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VON MARK BENECKE


Abstract

Accidental Strangulation Caused by a Vehicle: The Death of Isadora Duncan

Isadora Duncan, one of the world´s most famous dancers, died on 14. September 1927 by accidental strangulation caused by

a vehicle. Sitting on the front passenger´s seat, Duncan´s scarf came into the the spokes of the rear wheel of a Bugatti. The driver, Duncan´s friend Ivan Falchetto could not see Duncan while looking forward but immediatly stopped immediately after 20 m. Duncan died at the scene. In the hospital, fractures of the nose, the spinal column and the larynx were oberved; furthermore, cartids were torn. To our knowledge, this is the first report of the accident in forensic literature.


Key words
Accidental strangulation • Ashyxia • Ligature • Car accident • Scarf


Zusammenfassung
In die rechtsmedizinische Literatur hat unseres Wissens bislang ein Fall ungewollter Strangulation noch keinen Eingang gefunden, der 1927 eine der berühmtesten Tänzerinnen der Welt zum Opfer fiel. Isadora Duncan wurde von ihrem langen roten Schal, der sich beim Anfahren in den Speichen des linken Hinterrades eines Bugatti verfangen hatte, erdrosselt. Duncan starb sofort; im Krankenhaus wurden Frakturen der Nase, des Kehlkopfes und der Wirbelsäule sowie eine Zerreißung der Carotiden festgestellt.

Schlüsselworte

Schal • Strangwerkzeug • Verkehrsunfall • Strangulation • Akzidentelle Strangulation

Akzidentelle Strangulationen sind selten und werden in der neueren rechtsmedizinischen Literatur als Besonderheiten betrachtet [2,4]. Ein Fall von unfreiwilliger Strangulation, der als der wohl berühmteste seiner Art gelten muß, hat allerdings bis heute keinen Eingang die rechtsmedizinische Literatur gefunden und wird bei der Schilderung neuerer Kasuistiken entweder gar nicht erwähnt [2] oder unrichtig wiedergegeben [4]. Daher möchten wir den betreffenden Fall im folgenden kurz skizzieren.

Am 14. September 1927 verließ die Tänzerin Isadora Duncan ihre Wohnung in Nizza, wobei sie unter anderem einen großen Schal aus chinesischer Seide von etwa 2x2 Metern Größe trug. In einer nahegelegenen Bar trank Duncan einige Alkoholika, ging noch einmal nach hause und schlug einen weiteren Schal um ihren Hals. - Dieser zweite Schal (Abb. 1) war schon damals eine Legende, unter anderem deshalb, weil Duncan ihn bei ihren Auftritten, beispielsweise zu einem Tanz auf die Marseillaise, trug. -
Duncan stieg dann auf den Beifahrersitz des Bugatti ihres Freundes Ivan Falchetto ein. Der Beifahrersitz war gegenüber dem Fahrersitz leicht nach hinten versetzt, so daß Falchetto sich während des Fahrens zur Seite wenden mußte, um Duncan zu sehen.

Beim Anfahren geriet Duncans Schal in in die rechte Hinterfelge des Bugattis. Obwohl Falchetto nach etwa zwanzig Metern Fahrt anhielt, hatte sich der Schal bereits soweit verdreht, daß Duncan erdrosselt in ihrem Sitz lag. Zuvor soll Duncans Kopf durch die plötzliche Verkürzung des Stoffstreifens gegen die Innenverkleidung des Wagens geschlagen sein. Duncan wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht, wo jedoch neben Frakturen der Nase, der Wirbelsäule und des Kehlkopfes sowie einer Zerreißung der Carotiden nur der Tod festgestellt werden konnte.

Duncan war am 27. Mai 1878 in San Franzisco geboren worden und wurde eine der berühmtesten Tänzerinnen der Welt, unter anderem deshalb, weil sie einen ganz neuen, modernen Tanzstil entwickelte, dabei aber zugleich klassisch-griechische Elemente einfließen ließ. Duncans Leben war schillernd. Einer ihrer Lebensgefährten war der Nähmaschinenfabrikant Paris Singer, und obwohl sie - beim Tanzen nur spärlich bekleidet - oft als unmoralisch verdammt wurde, lag ihr das Publikum zu Füßen.

Zu den tragischen Momenten in Duncans Leben zählte der Tod ihres 17 Jahre jüngeren russischen Ehemannes, des Kommunisten Sergej Essenin, der sich durch Pulsaderschnitt tötete. Ihre zwei Kinder Deirdre und Patrick Augustein verlor Duncan im Jahr 1913, als diese zusammen mit ihrem Kindermädchen einen Verkehrsunfall hatten. Der Unfall ereigente sich, als der Fahrer in einer Kurve die Fahrt verlangsamte, um ein entgegenkommendes Taxi vorbeizulassen. Dabei stoppte der Motor und so mußte der Fahrer von Duncans Kindern die an der Fahrzeugfront befindliche Anlasserkurbel betätigen. Da der Fahrer vergessen hatte, den Leerlauf einzulegen, machte das Auto beim Start einen Satz und versank in einem nahegelegenen Fluß. Wegen der starken Strömung kamen jede Rettung zu spät - das Kindermädchen und Deirdre ertranken sofort, Patrick starb wenig später im Krankenhaus. Das dritte Kind Duncans starb kurz nach dessen Geburt.

Isadora Duncan wurde am 19. September 1927 auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise beigesetzt; auf ihrem Sarg lag die amerikanische Flagge. Das Berliner Tageblatt vom 21. September berichtet, daß ein Liebhaber tragischer Erinnerungsstücke fünfzig andere Sammler überbot und für 65.000 Francs Falchettos Bugatti ersteigerte. Als letztes Souvenir wurde am 29. Oktober schließlich Duncans tödlicher roter Schal für 50.000 Francs an die Tochter eines amerikanischen Ananaspflanzers in Honolulu verkauft.

Literatur

  • Cossart A von, Isodora Duncan. Liebe der Tanzkunst. voco-edition, Köln, 1981, pp. 157-160
  • Kohli M, Verma SK, Agarwal BBL (1996) Accidental strangulation in a rickshaw. Forensic Science International 78 (1996) 7-11
  • Niehaus M (1986) Isodora Duncan. Leben, Werk, Wirkung. Heinrichshofens´s Verlag, Wilhelmshafen, pp. 119-126
  • Saternus K-S, Wagner K, Flohr K (1988) Akzidentelle Strangulation. In: Bauer G (Hrsg.) Festschrift für Wilhelm Holczabek, Gerichtsmedizin. Franz
Deuticke, Wien, S. 171-179


BITTE UM MITHILFE

Quoting Christian Merz <archi.merz@xxxxxxx.ch> (Nov 2, 2009):

> Sehr geehrte Herr Benecke,

> Beim durchlesen Ihres Artikels in Wikipedia ist mir aufgefallen, dass Sie

> von einem Bugatti reden, aus meiner Sicht war Isadora Duncan mit einem

> Amilcar unterwegs. Die Verwechslung kann eventuell davon kommen, dass sie

> scheinbar ihren Freund, Ivan Falchetto, Bugatti nannte. Ist dem so oder

> stimmen andere Aussagen in Wikipedia nicht.

> Gibt es Fotos vom Unfallfahrzeug?

> Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit und freundliche Grüsse

> Christian Merz

> Hochfeldstrasse 94

> CH-3012 Bern



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